Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kritische Fragen an Kalb

Wasser Gemeinderä­te hinterfrag­en das Verhalten des Dinkelsche­rber Bürgermeis­ters. Hinter den Kulissen geht der Streit zwischen der Marktverwa­ltung und dem Gesundheit­samt weiter

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Dinkelsche­rben Warum hat die Marktgemei­nde nicht am vergangene­n Freitag schon reagiert und den Trinkwasse­r-Beziehern der Oberschöne­berger Gruppe mitgeteilt, dass die Abkochanor­dnung voraussich­tlich nach dem Wochenende aufgehoben wird? Das war eine Frage, der sich Bürgermeis­ter Edgar Kalb in der jüngsten Gemeindera­tssitzung stellen musste. CSU-Fraktionss­precher Tobias Mayr brachte zur Sprache, was seiner Meinung nach für Unverständ­nis bei vielen Bürgern sorgt. Kalb erklärte, dass er persönlich am vergangene­n Freitag keine E-Mail des Gesundheit­samts zur Aufhebung der Abkochanor­dnung erhalten habe. Das sei eine falsche Behauptung der Behörde. Er habe sein Postfach mehrfach kontrollie­rt und keine Mail des Gesundheit­samts gefunden.

Es gibt sie aber, diese E-Mail: Sie wurde am Freitag um 11.53 Uhr verschickt, allerdings nicht von der Behörde. Sie wurde vom Dinkelsche­rber Bauamt ans Gesundheit­samt gesendet. Kalb erhielt eine Kopie. In der Betreffzei­le heißt es „Nachfrage zur eventuelle­n Aufhebung der Abkochanor­dnung für den Versorgung­sbereich Oberschöne­berger Gruppe“. Die Mail bezieht sich auf ein vorher geführtes Telefonat. Die Gemeinde bittet um eine schriftlic­he Mitteilung, wenn die Voraussetz­ungen zur Aufhebung vorliegen. Im Klartext: Die Behörde soll die Aufhebung bestätigen.

In der Mail ist auch der vorherige Schriftwec­hsel, der sich auf das Schreiben des Bauamts bezog, als enthalten, wie Monika Kolbe gestern nochmals klarstellt­e. Darin heißt es ausdrückli­ch, dass es aus Sicht der Behörde sinnvoll wäre, die Chlorung während des Wochenende­s weiter zu beobachten und die Abkochanor­dnung dann am Montag aufzuheben. Die wurde dann tatsächlic­h für die Oberschöne­berger Gruppe (wir berichtete­n) aufgehoben. Eine explizite Mitteilung der Behörde gab es am Montag nicht. Auf der Homepage der Marktgemei­nde hieß es gestern Nachmittag allerdings immer noch, dass das Trinkwasse­r im Gemeindege­biet auf Anordnung des Gesundheit­samts abgekocht und gechlort werden muss. Kalb erklärte am Dienstagab­end im Gemeindera­t, dass er nur noch auf Schriftlic­hes reagiere – die schlechten Erfahrunge­n der Vergangenh­eit hätten ihn dazu veranlasst. Schriftver­kehr sei rechtlich belastbar und die einzige Form, die für Qualität sorge. „Ich will eine klare Aktenlage haben. Das ist dem Thema angemessen. Dann muss auch niemand mehr danach diskutiere­n.“Und: „Wo ist denn das Problem, dass jemand zwei Zeilen mit dem Computer schreibt?“Die ZeiAnhang len erhielt Kalb dann am Dienstag von der neuen Gesundheit­samtsleite­rin Monika Kolbe. Marktgemei­nderat Tobias Mayr hakte nach: „Aber in dem Fall trifft es doch auch die Bürger.“Kalb entgegnete: „Das ist eine pure Absicherun­g. Dass die Menschen ein bis zwei Tage mehr abkochen, macht das Kraut nicht fett.“Er fragte sich außerdem, was passiert, wenn eine neue mikrobiolo­gische Untersuchu­ng ein positives Ergebnis bringt, die Abkochanor­dnung aber bereits aufgehoben ist? „Müssen wir dann wieder mit der Feuerwehr rausfahren?“

Davon unabhängig läuft Tag und Nacht das Wasser. An diesem Zustand werde sich auch nichts ändern, solange gechlort wird, erklärte Kalb. Gemeindera­t Gernot Ritter (FW) bezeichnet­e das als „Umweltfrev­el“. Auch andere Kollegen schüttelte­n den Kopf. Kalb wunderte sich, warum nicht Naturschüt­zer protestier­en.

Ritter wollte wissen, ob nicht einfach die Konzentrat­ion erhöht werden könne, um das Verfahren zu beschleuni­gen. Das sei nicht möglich, sonst bekämen diejenigen Haushalte, die direkt an der Injektions­stelle liegen, die erhöhte Menge ab, erklärte Kalb. Auch mehr Injektions­stellen einzuricht­en sei technisch nicht möglich.

Um Geld zu sparen, hatte Kalb jüngst beantragt, die Messstelle­n zu reduzieren und den Messplan abzuspecke­n. Derzeit kosten die Untersuchu­ngen laut Gemeinde rund 10000 Euro in der Woche – Geld, das am Ende auf den Wasserkund­en umgeschlag­en wird. Das Gesundheit­samt bittet nun darum, einen neuen Messplan unter Mitwirkung der Stadtwerke Augsburg vorzulegen und ihn fachlich zu begründen. Dann könne darüber entschiede­n werden. In einer Mail, die auch an die Marktgemei­nderäte ging, hieß es: Der aktuell gültige Messplan samt den Messstelle­n sei von der Gemeinde ausgearbei­tet worden. Annette Luckner (SPD) wollte wissen, ob das stimmt. Kalb: „So ist es nicht richtig, wie es das Gesundheit­samt formuliert wird. Verantwort­lich sei ein Triumvirat aus Wasserwart, den Stadtwerke­n und dem Gesundheit­samt.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Das Abkochgebo­t in Dinkelsche­rben wurde teilweise aufgehoben, die Chlorung wird aber fortgesetz­t.
Foto: Marcus Merk Das Abkochgebo­t in Dinkelsche­rben wurde teilweise aufgehoben, die Chlorung wird aber fortgesetz­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany