Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Es hat den ganzen Tag geprickelt“
Interview Wigald Boning war in den 90ern eines der Gesichter des Comedybooms. Heute gehört er zur Stammbesetzung der Rateshow „Genial daneben“. Quizfrage: Warum steht in seiner Garderobe immer ein Bund Brennnesseln?
Herr Boning, zu Ihren zahlreichen Hobbys zählt auch das Sammeln von Einkaufszetteln. Was war Ihr jüngster Fund?
Wigald Boning: Das ist ein Verhaltensmuster von mir, das mich ein Leben lang begleiten wird. Im Supermarkt suche ich automatisch, ob ein Zettel im Einkaufswagen liegt, und der kommt dann in meine Sammlung. Mein jüngstes Exemplar ist in einer ausländischen Sprache, da weiß ich noch nicht mal, was das für Schriftzeichen sind. Es ist nicht Chinesisch. Vielleicht Georgisch. Dieser Zettel muss noch analysiert werden.
Sie sind seit Jahren auch als Ausdauersportler unterwegs. Ist das Ihre Art, Abstand vom stressigen Fernsehalltag zu finden?
Boning: Ich glaube, es hat eher damit zu tun, dass ich einen niedrigen Blutdruck habe und der durch körperliche Aktivität ein bisschen angehoben wird. Es ist auch eine Sache der Prägung. Ich habe schon als Kind alleine lange Fahrten mit dem Rad gemacht und mit meinem Papa Wanderungen unternommen. Davon abgesehen finde ich den Fernsehalltag gar nicht so anstrengend.
Sie gehören neuerdings auch zum Rateteam der Vorabend-Show „Genial daneben – Das Quiz“.
Boning: Und so was wie „Genial daneben“ist ja nichts anderes als das, was ich am Frühstückstisch mit meiner Familie mache: Man wirft lustige Fragen auf und beantwortet sie.
Machen Sendungen wie „Genial daneben“schlau?
Boning: Ob sie schlauer machen, weiß ich nicht. Ich persönlich habe jedenfalls schon einiges gelernt. Der Schriftsteller Ernst Jünger hatte eine schöne Bezeichnung für Wissenszuwächse, von denen man zunächst nicht weiß, wofür sie gut sein könnten – er nannte das Humus. Dinge, die man so aufschnappt und die irgendwie das Weltbild bereichern, ohne dass man gleich sagen könnte, wie genau.
Stimmt es, dass bei den Aufzeichnungen immer ein Bund Brennnesseln in Ihrer Garderobe steht? Boning: Das stimmt. Ich bin neulich zum Studio gejoggt, habe mich etwas verirrt und landete in einem Brennnesselfeld. Es hat den ganzen Tag geprickelt, und ich fand die Wirkung sehr angenehm und belebend. Ich habe dann zur Produktionsfirma eher im Scherz gesagt, dass ich gerne eine ganze Badewanne voller Brennnesseln hätte, und siehe da: Am nächsten Tag stand eine Vase davon da, und jetzt halte ich immer meine Unterarme dagegen.
Sie waren eines der Gesichter des Comedybooms in den 90er Jahren, Ihre Fernsehkarriere begann mit der Show „RTL Samstag Nacht“. Werden Sie noch oft auf diese Zeit angesprochen? Boning: Ja, ich werde oft darauf angesprochen. Wir haben damit offenbar eine Generation geprägt, und ich begegne oft Leuten, die mir zum Beispiel ungefragt „Die Doofen“-Texte auswendig vorsingen.
Nimm mich jetzt, auch wenn ich stinke, denn sonst sag’ ich winke, winke und goodbye!
Boning: Genau. Ich freue mich dann und stelle fest, dass ich die Texte weitgehend vergessen habe. Aber manchen Leuten haben sie sich tief eingeprägt, und das ist eine Ehre.
Aber stecken Sie dadurch nicht auch in einer Schublade fest? Auf Ihrer Face- book-Seite, wo Sie sich bisweilen politisch äußern, schrieb mal jemand, er wolle sich nicht von einem früheren Mitglied der Band „Die Doofen“belehren lassen.
Boning: Ich fand das lustig. Wenn das die Argumentationsstrategie von jemanden ist, der anderer Meinung ist, kommt er damit nicht weit. Und es ist doch ein Luxusproblem, wenn man in einer Schublade steckt. Ich habe darunter nie gelitten und muss oft schmunzeln, wenn Schauspieler es beklagen, dass sie auf einen bestimmten Rollentypus festgelegt sind. Und eigentlich habe ich mich nie festlegen lassen.
Nein?
Boning: Ich habe mich zum Glück nie davon abbringen lassen, mich mit den Dingen zu befassen, die mich interessieren – der eher ernsthaften Musikproduktion oder halbwissenschaftlichen Büchern.
Ihr Markenzeichen sind Ihre schrägen Klamotten.
Boning: Zu „Samstag Nacht“-Zeiten hatte ich zu jeder Sendung einen abgefahrenen neuen Anzug, der aber zumeist aus wenig tragekomfortablen Materialen wie Plastiktüten oder Kunstrasen bestand. So was würde ich heute schon aus Bequemlichkeit nicht mehr anziehen. Aber ich habe immer noch Spaß an originellen Farbkombinationen. Jeanshosen habe ich weiterhin nicht im Bestand.
Wie bewerten Sie die Entwicklung des Fernsehens seit den Anfängen Ihrer Karriere?
Boning: Ich glaube, dass es viel Sehenswertes gibt, das aber meistens auf 3sat und Arte läuft, wo man es nicht immer so registriert. Als ich vor ein paar Jahren Juror beim Deutschen Fernsehpreis war und mir eine ganze Tüte voller DVDs anschauen durfte, habe ich erst richtig gemerkt, wie viele interessante TV-Sendungen es gibt. Außerdem weiß ich natürlich, dass Serien gerade dem Kinofilm als fiktionales Leitmedium den Rang ablaufen. Aber ehrlich gesagt, ist das ganze Serienzeitalter zu hundert Prozent an mir vorbeigerauscht, bei Netflix und Co. habe ich den Anschluss schon verloren. So wie mein Vater zur OfflineGeneration gehört, kann ich bei Serien nicht mitreden.
Sie haben Besseres zu tun.
Boning: Ich stelle mir immer vor, wie das dereinst ist, wenn ich auf dem Sterbebett liege. Werde ich dann sagen: „Ach, hätte ich mir doch mehr Serien angeguckt?“Das glaube ich nicht. Ich werde eher denken: „Hätte ich doch mehr weite Fahrradtouren unternommen.“
Interview: Cornelia Wystrichowski O
TV Tipp Boning ist von Montag an in der Show „Genial daneben – Das Quiz“zu sehen, die montags bis freitags um 19 Uhr auf Sat.1 läuft. Der Entertainer wurde 1967 in Wildeshausen bei Olden burg geboren. Er lebt mit seiner Frau, einer Opernsängerin, in München. Aus erster Ehe hat er zwei Kinder.
„Zu ,Samstag Nacht‘ Zeiten hatte ich zu jeder Sendung einen abgefahrenen Anzug.“Wigald Boning