Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Karius protzt und patzt

Klopp nimmt den Torwart in Schutz

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Liverpool Die blonde Mähne ist nach hinten gekämmt, der Oberkörper braun gebrannt und großflächi­g tätowiert. Lässig marschiert Loris Karius in Zeitlupe zum Pool, während Hip-Hop-Beats wummern. Ein Sprung ins Wasser, eine Partie Tischtenni­s, dann zeigt die Kamera aus der Vogelpersp­ektive die luxuriöse Villa in den Hügeln von Hollywood, wo sich der Torwart des FC Liverpool nach der langen Saison erholt und fit hält. Das Video, das Karius auf Instagram veröffentl­ichte, erweckt den Eindruck, dass es sich der 24-Jährige in der kalifornis­chen Sonne so richtig gut gehen lässt. Etwa eine Woche später ist Karius zurück in der Fußball-Realität. Der FC Liverpool gewinnt ein Testspiel gegen den englischen Viertligis­ten Tranmere Rovers mit 3:2 und der Keeper steht dabei im Fokus. Er lässt einen Schuss abprallen, das führt zum Gegentor.

Normalerwe­ise nicht mehr als eine Randnotiz, aber nicht bei Loris Karius. „Wir können doch nicht nach jedem Fehler wieder mit dieser Geschichte anfangen“, beklagt sein Trainer Jürgen Klopp. „Fehler passieren.“Mit der „Geschichte“meint Klopp das verlorene Endspiel in der Champions League gegen Real Madrid (1:3) im Mai. Karius hatte zwei Gegentore verschulde­t. Dass er sich danach unter Tränen vor der Fankurve der Reds entschuldi­gte, kritisiert der frühere Liverpool-Star Dietmar Hamann in der Sport Bild als „unnötig“.

Karius, den Klopp erst in der Rückrunde zur Nummer eins gemacht hatte, erntet nach dem verpatzten Finale im Internet viel Spott und erhält sogar Morddrohun­gen – der traurige Tiefpunkt. In Anfield gibt es kurz darauf Gerüchte über mögliche Neuzugänge für das Tor. Viele Fans äußern aber auch Mitleid mit dem Pechvogel. Bei einigen hält sich die Theorie, dass ein Ellenbogen-Check von Reals Sergio Ramos zu den Aussetzern führte.

Laut einer vom Klub unterstütz­ten Untersuchu­ng in den USA hatte Karius dabei eine Gehirnersc­hütterung erlitten. Karius selbst äußert sich nicht zu dem Thema. Hamann, der mit Liverpool 2005 die Königsklas­se gewann, rät dem Keeper: „Statt ständig den dicken Max zu machen, würde dem 24-Jährigen mehr Bescheiden­heit und Demut besser zu Gesicht stehen.“Doch Karius macht in seinem Video das genaue Gegenteil. Er inszeniert sich in wechselnde­n Outfits, mit dickem Auto und goldener Uhr. Der protzige, selbstverl­iebte Clip wirkt wie eine Mischung aus Rap-Video und Mode-Clip und verärgert viele Fans, die sich zunehmend über abgehobene Fußballsta­rs beklagen.

Nach dem Testspiel gegen Tranmere erinnert Klopp, dass auch andere Spieler Fehler machten, „aber darüber sprechen wir nicht“. Karius werde wohl so lange kritisiert, bis er wieder „ein paar fantastisc­he Spiele“mache, meint der Trainer. Bis zum Start in der Premier League sind es noch viereinhal­b Wochen. Vielleicht wäre der Keeper gut beraten, bis dahin keine selbstherr­lichen Videos zu posten. Dass die Liverpool-Fans ihm seine Patzer verzeihen, haben sie beim ersten Training eindrucksv­oll gezeigt. Dort wurde Karius mit großem Applaus empfangen. Den Hollywood-Clip hat er inzwischen gelöscht.

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Foto: dpa Loris Karius macht es sich selbst auch nicht unbedingt einfach.

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