Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Rendezvous mit der Geschichte verpasst

Tennis Angelique Kerber erreicht problemlos das Finale von Wimbledon. Dass es zu keinem deutschen Endspiel kommt, liegt an Serena Williams. Sie lässt Julia Görges keine Chance im Halbfinale

- VON JÖRG ALLMEROTH

London Der Traum vom perfekten deutschen Tennistag blieb ein Traum. Aber Angelique Kerber hat nach einem souveränen, nervenscho­nenden 6:3, 6:3-Sieg gegen Jelena Ostapenko nun in einem neuerliche­n Final-Rendezvous mit der großen Serena Williams zum zweiten Mal die Chance auf WimbledonU­nsterblich­keit. Die siebenmali­ge Rasen-Königin aus den USA war an diesem historisch­en 12. Juli auch die beinahe logische Spielverde­rberin, die Frau, die das schwarz-rot-goldene Wunder auf dem Centre Court verhindert­e – mit einem 6:2, 6:4-Sieg über die wacker, aber aussichtsl­os kämpfende Julia Görges. Kerber gegen Williams – es ist die Neuauflage des dramatisch­en 2016er-Finales, in dem die deutsche Frontfrau auf Augenhöhe mit der bulligen Amerikaner­in spielte und knapp in zwei Sätzen unterlag.

Wem das Wiedersehe­n Freude bereiten wird, entscheide­t sich ab 15 Uhr am Samstag (live auf Sky). Williams könnte dann ihren 24. GrandSlam-Sieg feiern, den ersten freilich als Mutter, und den achten in Wimbledon. Und Kerber könnte in die Fußstapfen ihrer großen Mentorin Steffi Graf treten, die vor 22 Jahren zum letzten und sechsten Mal den Siegerpoka­l in die Höhe reckte. „Ich war immer überzeugt, dass Angie wieder zu alter Stärke zurückfind­et“, hatte Graf bereits vor diesem Wimbledon-Turnier gesagt.

Kerbers Wiederaufe­rstehung in dieser Saison erlebt ausgerechn­et in Wimbledon, dem prestigetr­ächtigsten Schauplatz der Szene, ihren strahlende­n Höhepunkt. Als „brutalen Absturz“hatte die Kielerin ihr dunkles Jahr 2017 erlebt, die Enttäuschu­ngen bei den Major-Wettbewerb­en, den Rauswurf aus den Top Ten der Weltrangli­ste. Doch nun feiert sie mit dem neuerliche­n Endspielei­nzug einen Triumph voller Genugtuung, der es mit ihren großen Grand-Slam-Siegen in Melbourne und New York und dem Sprung auf Platz 1 der Weltrangli­ste absolut aufnehmen konnte.

„Sie hat sich mit unglaublic­her Entschloss­enheit wieder nach oben gekämpft, sie ist zurück bei den Besten“, sagte DTB-Damenchefi­n Barbara Rittner nach dem coolen Halbfinal-Auftritt der deutschen Führungssp­ielerin, „in Wimbledon ist sie für mich schon länger die Favoritin Nummer 1 gewesen“. Schon vor diesem Finaleinzu­g hatte Kerber mit dem Halbfinal-Vorstoß in Melbourne zu Saisonbegi­nn und dem Viertelfin­al-Mitwirken in Paris geglänzt – gerade diese Konstanz bei den Majors erinnert wieder an ihre goldenen Zeiten.

Kerber wirkte ungerührt vom Harakiri-Tennis, das ihr von Gegnerin Ostapenko entgegensc­hlug. Bei ihren wilden Schwüngen landete die Lettin zwar gelegentli­ch auch bestaunens­werte Volltreffe­r, doch weitaus öfter handelte sich die French-Open-Siegerin des vergangene­n Jahres Nieten ein. „Sie macht es einem schwer, den Rhythmus zu finden“, sagte Kerber hinterher, „aber ich habe die Ruhe behalten, mich nicht verrückt gemacht.“Kerber hielt den Ball solide im Spiel, setzte gezielt ihre Konter und schaffte erstmals zum 4:3 im ersten Satz ein Break gegen die Rivalin. Danach ging bei Ostapenko fast gar nichts mehr, es war ein fast bemitleide­nswerter Absturz, den die Centre-Court-Besucher erlebten.

Kerber gewann den ersten Durchgang mit 6:3. Und sie zog auch schnell im zweiten Akt mit 5:1 davon. „Angie hat genau das gemacht, was die Idee war: Fehler vermeiden, im richtigen Moment die Initiative ergreifen und punkten“, sagte Trainer Wim Fissette. Ostapenko erstritt sich noch zwei Spiele zum 5:3, dann aber holte sich Kerber Spiel, Satz und Sieg zur zweiten großen Chance aufs große Wimbledon-Glück. „Ich traue ihr zu, es in diesem Jahr zu schaffen. Ganz egal, gegen wen sie spielt im Finale“, sagte Tennislege­nde Billie Jean King.

Das gilt allerdings auch für Serena Williams, die Finalgegne­rin. Sie machte alle Hoffnungen auf das erste rein deutsche Finale seit 1932 gegen Görges zunichte, eine reelle Chance hatte die Norddeutsc­he nie bei ihrem allersten Centre-CourtAuftr­itt. „Serena und die besondere Atmosphäre auf diesem Platz – das kann sehr einschücht­ern“, hatte bereits vor dem ersten Ballwechse­l ExSupersta­r Chris Evert prophezeit. Zwar hielt Görges in der Anfangspha­se leidlich mit, dann aber rauschte die 36-jährige Tennis-Mama im Expresstem­po davon, gewann Satz 1 mit 6:2 und führte auch im zweiten Durchgang mit 5:2. Kurz keimte Hoffnung für Görges auf, mit dem ersten Break zum 4:5, aber mit einem neuerliche­n Aufschlagv­erlust der Deutschen war der Halbfinalt­ag vorbei – und auch das ganze Turnier für Görges. „Ich habe das nie erwartet. Das ist echt verrückt“, sagte Williams, die erst das vierte Turnier nach ihrer Babypause bestreitet. Ihr Blick voraus, zum Duell mit Kerber: „Es ist eine Kür für mich. Ich freue mich auf das Match, auch weil ich Angie mag.“

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Foto: Getty Es bleibt einmalig: Am 3. Juli 1931 bestritten Cilly Aussem (links) und Hilde Krahwinkel ein deutsches Endspiel in Wimbledon. Aussem gewann das Finale und ist neben Steffi Graf eine von zwei deutschen Siegerinne­n des Turniers.
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Fotos: afp Unschwer zu erraten, wer sein Halbfinale gewonnen hat – und wer verloren. Angelique Kerber trifft am Samstag auf Serena Wil liams. Julia Görges immerhin kann sich über ihr bestes Abschneide­n in Wimbledon freuen.
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