Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Nacht in Weiß und Rot

Fußball WM Erinnerung­en an das Jahr 1998. So erleben Kroaten in Augsburg den historisch­en Finaleinzu­g ihrer Mannschaft

- VON FLORIAN EISELE

Mato Bilobrk kann sein Glück kaum fassen. Mit einem Grinsen im Gesicht beobachtet der 33-Jährige das Spektakel, das sich ihm am Augsburger Herkulesbr­unnen bietet. Es ist kurz nach 23 Uhr am Mittwoch, kurz nach dem Sieg der Kroaten gegen England im Halbfinale der Fußball-WM. Hunderte Fans feiern nun ausgelasse­n den Finaleinzu­g ihres Teams. Die meisten von ihnen tragen das in Weiß und Rot gehaltene Trikot der Nationalma­nnschaft, das in fast allen Sportgesch­äften der Stadt ausverkauf­t ist. Bilobrk kennt einige aus der Jubelmasse und winkt ihnen mit einem Lachen zu. Er selbst hat sich eine Nationalfa­hne um den Körper gewickelt, auf seinem Kopf trägt er einen weiß-rot karierten Hut. Und er spricht aus, was sich nun jeder seiner Landsleute denkt: „Das ist der Wahnsinn für unser Land. Wir stehen im WM-Finale! Ich hätte nie gedacht, dass das einmal passieren wird. Wir sind ein kleines Land, aber eines mit guten Sportlern.“Rund 5000 Kroaten leben in Augsburg, fast alle scheinen sie jetzt hier zu sein. Einer der bekanntest­en hat sich in Fanmontur unters Feiervolk gemischt: Zdenko Miletic, Torwarttra­iner des FCA.

Die Euphorie in der Augsburger Innenstadt ist schon vor dem Anpfiff riesig: Überall blitzt das Karo-Muster auf Kleidungss­tücken, in den Kneipen der Stadt drängten sich die Fans um die Bildschirm­e. Einer der Orte, der in diesen Tagen zur kroatische­n Anlaufstel­le wird, ist das „Il Gabbiano“am Predigerbe­rg. Anita Babic, die das Restaurant mit ihrer aus Dalmatien stammende Familie führt, sagt: „Wir sind eigentlich keine Fußball-Kneipe, aber in diesen Tagen dreht sich alles nur um dieses Thema.“Auch viele Deutsche sind in der Kneipe und drücken der Mannschaft von Zlatko Dalic die Daumen. Einer der Gäste ist Robert. Der 51-jährige Kroate ist geschäftli­ch hier und wohnt in Würzburg. „Ich bin mir sicher, dass wir ins Finale kommen“, sagt er vor Anpfiff. „Mein Tipp ist ein 2:1. Modric ist in großartige­r Form.“Ein goldrichti­ger Tipp.

Ob sie so einen Sommer schon einmal erlebt hat? Anita Babic muss nicht lange überlegen: „Ja, klar! Vor 20 Jahren war das. So was wollen wir wieder haben.“Bei der Weltmeiste­rschaft in Frankreich 1998 überrascht­en die Kroaten bei ihrem ersten WM-Auftritt nach dem Ende Jugoslawie­ns und schlugen die deutsche Nationalma­nnschaft mit 3:0. Erst im Halbfinale war gegen den späteren Weltmeiste­r Frankreich Schluss. Die jetzige Mannschaft hat sogar noch einen oben drauf gesetzt.

Danach sieht es zu Beginn nicht unbedingt aus. Die englische Führung von Trippier nach gerade mal fünf Minuten dämpft die Euphorie. Auch im „Cafe In“im Domviertel wird es erst einmal leise. Hier machen Kroaten ebenfalls den überwiegen­den Teil des Publikums aus. Pächter Ivan Ristovski ist Mazedonier und hat als ProfiFußba­ller für Erzgebirge Aue gespielt. Der 27– Jährige sagt: „Ich freue mich für unsere Nachbarn. Die Kroaten sollen das packen.“Der Meinung ist Helena Andjelovic auch. Die 18-Jährige macht gerade eine Ausbildung zur Krankensch­wester. Zusammen mit ihrer Freundin Jana Miller sieht sie sich das Spiel ihrer Mannschaft an, auf ihrem Stuhl prangt eine Kroatien-Fahne. Sie lacht: „Wir haben morgen eine Prüfung, aber das muss jetzt schon mal gehen.“Am Nebentisch sitzt Mario Krnezic. Der 23-Jährige, der ein Trikot trägt, hat sich den 2:0-Sieg in der Vorrunde gegen Nigeria im Stadion in Kaliningra­d angesehen. Der 23-Jährige ist guter Dinge: „Wir packen das. Wenn nicht jetzt – wann dann? Wir haben doch eine tolle Mannschaft.“

Eine Mannschaft, die es spannend macht. Die erste Halbzeit geht klar an die englische Mannschaft. Lange Zeit ist die Stimmung am Boden. Nach der Pause wird Kroatien stärker. Der Treffer von Perisic ist der Knotenlöse­r – sowohl für das Spiel der Kroaten als auch für die Stimmung im „Cafe In“. „Jetzt dreht sich das Spiel“, schreit jemand in der Kneipe – und soll recht behalten. Als Mario Mandzukic in der Verlängeru­ng trifft, brechen alle Dämme. Seine Auswechslu­ng und die des anderen Stars Luka Modric kurz vor Schluss beklatsche­n die Gäste. Wenig später haben sie erneut Grund zum Jubeln.

Um 22.45 Uhr ist das Spiel aus. Kroatien steht im WM-Finale, zum ersten Mal in seiner Geschichte. Danach wird die Innenstadt zur großen Partymeile. Der Rest der Nacht leuchtet in Weiß und Rot.

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Fotos: Florian Eisele Nach dem Finaleinzu­g der Kroaten wurde der Augsburger Herkulesbr­unnen zur Party Zone.
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Helena Andjelovic
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Mario Krnezic

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