Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Galerie bedeutet mehr als Bilder ausstellen
Krise Private Kunstvermittlung wird in Augsburg immer schwieriger. Eingesessene Galeristen ziehen sich zurück. Andere kombinieren ihr Geschäft mit Süßwaren. Und alle sehen sich in der Verantwortung gegenüber ihren Künstlern
Beate Berndt hat mit Augsburg abgeschlossen. Ihre Galerie hat sie verkauft, in Kürze wird an der exponierten Ecke Frauentor-/Thommstraße ein Reisebüro einziehen: Ferienträume anstelle von Kunstgenuss. Nach fünf Jahren hat sich die Galerie, die unter Künstlern einen sehr guten Ruf genoss, erledigt. Immerhin 83 Jahre bestand die Kunsthandlung Bessler im Fuggerhaus, aber auch dort ist jetzt Schluss. „Es sind wirtschaftliche Gründe“, begründet Inhaberin Christina Koczut-Wöllmer ihren Schritt.
Läuft die Zeit der Galerien aus? „Es ist ein ganz schwieriges Ding geworden, weil sich die gesellschaftlichen Bedingungen und der Markt stark ändern“, sagt Claudia Weil. Selbst in der Schweiz gab vor wenigen Monaten die renommierte Galerie Freymond-Guth in Basel nach elf Jahren auf. Zeit und Raum für Reflexionen, Diskussionen und Identifikation mit Form und Inhalt der Kunst würden weniger, weil man konstant und global am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen muss.
Eine Alternative sieht Claudia Weil trotzdem nicht, sie weiß sich in der Pflicht über sechs Generationen hinweg. Fast alle Weils waren Künstler. „Es war für uns selbstver- dass wir das Gewerbe weiterführen“, betont die Galeristin aus Rinnenthal auch im Namen ihres Mannes. Hohe Kunst aus tiefster altbayerischer Provinz? Ja, das geht. Im Zeitalter des Internets sowieso. Aber nur, weil ein weitgespanntes Netzwerk vorhanden ist. Die Galerie Weil vermittelt anerkannte Künstler, solche, die einen Namen haben in der Szene – und ihren Preis. „Hier schneit keiner rein und kauft schnell ein Bild für 6000 Euro“, sagt Claudia Weil.
In der Altstadt-Galerie Süßkind in der Dominikanergasse ist das an- ders. Hier kommen die Leute auch auf einen Kaffee herein oder haben Lust auf Schokolade. Nicht wenige führt ihr Weg dann in die rückwärtige Galerie. „Durch unsere drei Standbeine Café, Schokolade, Kunst ist die Hemmschwelle niedrig“, weiß Inhaberin Sybille Terpoorten. Dank der netten Atmosphäre fänden recht unterschiedliche Besucher in ihre Galerie. „Die Leute sind aufgeschlossen, sie wollen sich über die Kunst unterhalten und schildern ihre Eindrücke“, erzählt Terpoorten. Gekauft werde in ihrer Galerie auch, sogar im vierstelligen Euroständlich, Bereich. Freilich nicht zu Spekulationszwecken wie bei den „großen“Galerien, sondern weil das Kunstwerk jemand persönlich anspricht und gefällt. Sybille Terpoorten: „Da geht mir das Herz auf, wenn sich Kunden an einer Arbeit freuen.“
„Wenn du eine Galerie hast, versuchst du auch, etwas sozial zu bewegen und den Menschen einen Zugang zur Kunst zu öffnen“, resümiert Beate Berndt. Vielleicht sei sie aber zu sehr von idealistischen Vorstellungen und weniger von der kommerziellen Wirklichkeit geleitet gewesen. Zur Vernissage kamen immer hunderte Gäste, danach saß sie wochenlang einsam im Schauraum. Auch die, die mit der Straßenbahn an ihren Fenstern vorbeifuhren, konnte sie nicht neugierig machen.
Das kratzte nun weniger an ihrem Ego, doch tat es ihr um die Künstler leid. „Ich trage Verantwortung für sie“, betont Berndt. Galeristin sein, heißt, mehr als Ausstellungen zu organisieren. Und selbst das erfordert schon einige Anstrengungen: den Künstler und sein Schaffen kennenlernen, die Exponate auswählen, ein Konzept für die Hängung erarbeiten, eine Publikation oder gar einen Katalog herausbringen und schließlich die Vernissage zu organisieren.
Eine Galerie im Vollsinn wird zur Agentin ihrer Künstler, erklären Beate Berndt und Claudia Weil unisono. Sie vermitteln ihre Kreativen auch in andere Galerien, wecken das Interesse für sie möglichst weit ausgreifend. Beate Berndt hat kürzlich vier Gemälde von Bernadette Jiyong Frank ins Emirat Bahrain verkauft. Auch Claudia Weil, gut vernetzt mit Berliner Galerien, hat kaufkräftige Kunden – freilich kaum in Augsburg. Hier gebe es leider zu wenige Kenner, die zeitgenössische Kunst verstehen. Deshalb sieht Galeristin Weil ihre Aufgabe „darin, die Augsburger Kunstszene aufzuschließen“.
Zum Beispiel mit ihrem noch relativ neuen zweiten Schauraum in der Gögginger Bergstraße („eine urbane Adresse ist doch reizvoll“). Er braucht keine kostspielige Aufsicht und macht doch Kunst in der Stadt präsent, die man nicht jeden Tag sieht. Sybille Terpoorten, die eigentlich den Schwerpunkt auf die regionale Künstlerszene in der Galerie Süßkind setzt, kombiniert sie auch mal mit auswärtigen Künstlern in ihren vier, fünf Ausstellungen pro Jahr. Claudia Weil hat derzeit auch einen Augsburger in ihrer Galerie in Rinnenthal: Udo Rutschmann mit „terrain vague“. Sogar Beate Berndt hat sich nicht komplett zurückgezogen. In ihrem liebevoll renovierten Bauernhof in Gallenbach gibt es einen Schauraum für ihre Künstler.