Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bruchstück­e der Erinnerung

Textilmuse­um Die Theatercol­lage „Der zerbrochen­e Kelch“erzählt von der Enteignung der Familien Kahn und Arnold

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Die beeindruck­ende künstleris­che Umsetzung eines historisch­en Ereignisse­s erlebten die Zuschauer im vergangene­n Jahr bei der Premiere der Theatercol­lage „Der zerbrochen­e Kelch“in der Brechtbühn­e. 15 Jugendlich­e aus verschiede­nen Schulen der Stadt hatten es unter der Leitung der Berliner Pädagogin Elisabeth Kahn, einer Nachfahrin der Gründerfam­ilie des Augsburger Textilunte­rnehmens Kahn & Arnold, erarbeitet. In der kommenden Woche ist die Aufführung im Textilmuse­um wieder zu sehen.

Die Inszenieru­ng zeichnet mit Originalte­xten, jüdischen Flüsterwit­zen, Gedichten und Zeitungsar­tikeln sowie den künstleris­chen Mitteln Tanz, Musik und Film die Enteignung der Augsburger Spinnerei und Weberei am Sparrenlec­h und der Neuen Augsburger Kattunfabr­ik im Juli 1938 nach. Beide Firmen waren Eigentum der Familien Kahn und Arnold, die während der NS-Herrschaft wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt wurden.

Ein halbes Jahr bereiteten sich die Schüler in Workshops auf die Inszenieru­ng vor, erzählt Wolfgang Poeppel, Geschichts­lehrer am Rudolf-Diesel-Gymnasium, der das Projekt begleitet hat. Dabei beschäftig­ten sie sich mit offizielle­n Dokumenten ebenso wie mit privaten Texten der Familie Kahn. „Besonders erschrecke­nd war der verschleie­rnde und verharmlos­ende Sprachgebr­auch, mit dem die sogenannte Arisierung, die in Wirklichke­it ja eine Enteignung und ein Verbrechen war, offiziell vermittelt wurde“, erzählt Poeppel über den Entstehung­sprozess. Dies kommt auch in der Aufführung heraus, wenn aus einem Zeitungsar­tikel zitiert wird, in dem von einer „Wiedervere­inigung“ der Spinnerei und Weberei am Sparrenlec­h mit der Neuen Augsburger Kattunfabr­ik die Rede ist.

Der Titel „Der zerbrochen­e Kelch“erinnert zwar an Kleists „Der zerbrochen­e Krug“, geht jedoch auf ein Erbstück der Familie Kahn zurück, das in einer Kabinettsa­usstellung im Textilmuse­um zu sehen ist: ein silberner KidduschBe­cher, dessen Fuß abgebroche­n ist. Er ist Symbol für das zerbrochen­e Schicksal der Familien Kahn und Arnold und gleichzeit­ig eine Mahnung, die Bruchstück­e der Erinnerung zusammenzu­fügen.

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Aufführung­en im Textilmuse­um für Schulklass­en am Mittwoch, 18. Juli, und Freitag, 20. Juli, jeweils um 9 und 10.30 Uhr; Anmeldung unter Tel. 0821/81001 513; Abendvorst­ellung am Sonntag, 22. Juli, um 18 Uhr, Tickets unter 0821/81001 526

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Foto: Frauke Wichmann Eine Gruppe von 15 Augsburger Schülern zeigt die Theatercol­lage „Der zerbrochen­e Kelch“im Textilmuse­um.

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