Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Rotznasen gibt es auch im Sommer
Literatur Klaus Brückner präsentiert den witzigen Hermann Hesse
Husten, Heiserkeit, Gliederschmerzen oder leichtes Fieber: Viele Menschen plagt derzeit eine Erkältung – „dabei ist doch Sommer“, möchte da mancher einwenden. Und doch: Ein Hausarzt erklärt, woran das liegt, dass viele Fieber haben.
Gersthofen Noch heute beginnt für viele Leser die Entdeckung der Weltliteratur mit Hermann Hesses Prosawerken „Narziss und Goldmund“, „Das Glasperlenspiel“und „Der Steppenwolf“. Weit weniger bekannt sind allerdings seine Gedichte.
Eine besondere Auswahl dieses lyrischen Schaffens servierte der Schauspieler Klaus Brückner in der Veranstaltungsreihe „Auserlesen“der Stadtbibliothek Gersthofen auf der Dachterrasse des Ballonmuseums. Begleitet wurde er vom Gitarristen Sunyata Kobayashi.
Sie zeigten den Literaturnobelpreisträger unter dem Motto „Hermann Hesse tanzt aus der Reihe“von einer ganz anderen Seite: nicht philosophierend, sondern mal frech und selbstironisch, zuweilen amüsant und witzig, aber immer hintergründig und tiefsinnig.
Man müsse das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen, ist ein Zitat des Schriftstellers. Von diesen Worten ließ sich scheinbar auch Klaus Brückner leiten. Er schob das Introvertierte Hesses beiseite, stellte dessen satirischen Charakter in den Mittelpunkt und ermöglichte so den Zuhörern einen neuen Zugang zum Literaten. Mehr noch: Er brachte den Menschen Hermann Hesse nahe, den Individualisten, den erbitterten Kriegsgegner, den Seelendichter, der es eindrucksvoll verstand, seine Minidramen im wahrsten Sinn des Wortes zu „verdichten“.
Der Literat habe sich vielen Dingen verweigert, verdeutlichte Brückner und ließ zwischen den Gedichten immer wieder die Biografie Hesses aufleuchten. Ihm gehe es darum, Hesse wieder vom Podest auf die Erde zu stellen, und zwar mit beiden Beinen, so der Schauspieler.
Dies gelang ihm treffend. Mal lakonisch, dann wieder gefühlvoll, zart und zerbrechlich, zuweilen skurril, oft vergnüglich, dennoch immer lebensnah. Und so zeigte Klaus Brückner Hesse als trinkfreudigen Feiernden: „Andre Dichter trinken auch, / dichten aber nüchtern, / umgekehrt hab ich’s im Brauch, / nüchtern bin ich schüchtern.“Erzählte in „Psychologie“von therapierter Liebe: „Der Hummer liebte die Languste, / Was aber unerwidert blieb, / die Liebe sank ins Unbewusste / Und wurde dort zum Todestrieb.“Beschwor den Sonderling: „Ich bin zuweilen wie ein schwaches Kind, / Das ohne Schuld krank wurde und verdarb, / Und dessen Lächeln ungeboren starb. / Und dessen Träume voll von Engel sind.“Zeigte den fantasievollen Liebhaber: „Weil ich dich liebe, bin ich des Nachts / So wild und flüsternd zu dir gekommen, / Und dass du mich nimmer vergessen kannst, / Hab ich deine Seele mitgenommen.“
Das alles war eine Lyrik, die den Menschen Hesse nahebrachte. Sie beinhaltete Gefühle der Einsamkeit, entpuppte sich als seelisches Verbandszeug, zelebrierte Zartes hinter harschen Worten. Kurz: machte Künstlerisches fassbar, begreiflich und reizvoll. Berichtete von einem, der zunächst zürnte: „Gestern rot, heute Idiot, übermorgen tot.“Im vorgerückten Alter aber die Reife erkannte und – von gewissen Kindereien distanziert – feststellte: „Wie zum Trotze blieb ich verliebt in die verrückte Welt.“Was blieb, war mehr als nur ein Rebell, der Hoffen lehrte und sich gegen die Leere des Alltags und dessen Ungereimtheiten stemmte.
Ergänzt und nicht selten unterstrichen wurden die Gedichte vom Gitarristen Sunyata Kobayashi. Seine Klänge wirkten leicht und luftig, auch mal pulsierend, und doch voller Hintersinn. Vor allem „Time to Go“, „My Love“und „Ma amie“waren trotz ihrer Einfachheit aussagekräftig und forderten das Publikum auf, sich Gedanken zu machen. Sie rundeten kongenial die Einblicke in die Welt des Seelendichters Hermann Hesse ab.