Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Von der Konkurrenz abgehängt

Wettkampf Erstmals findet in Augsburg eine deutsche Meistersch­aft nach olympische­m Vorbild statt. Lokalmatad­or Simon Unger scheitert in der Qualifikat­ion – weil andere schneller sind

- VON DENIS DWORATSCHE­K

5,6 Sekunden sind schnell vorbei. Länger als ein Augenblick, langsamer als ein kräftiges Gähnen. Für Speedklett­erer reicht diese Zeit, um 15 Meter zu überwinden. Senkrecht nach oben. Jeder Griff sitzt, jede Bewegung schon tausend Mal geübt. 5,6 Sekunden sind Weltrekord. Deutsche Athleten können davon nur träumen. Der Augsburger Simon Unger benötigte in der Qualifikat­ion zur deutschen Meistersch­aft ganze 10,9 Sekunden. Damit landete er auf dem 28. Platz von 35 Startern – und schied aus. „Ich habe keine Zeit in das Speedklett­ern investiert“, sagte er nach dem Wettkampf. Ihm sei schon im Vorfeld bewusst gewesen, dass er wenig Chancen habe. Auch im Bouldern – seiner Paradedisz­iplin – reichte es nur für einen neunten Platz.

Die Finalrunde am Sonntag fand ohne den 26-jährigen Kletterer statt. Jeweils sechs Frauen und Männer traten im neuen olympische­n Format „Olympic Combined“gegeneinan­der an. Nacheinand­er mussten alle Finalisten die drei Diszipline­n Speed, Bouldern und Lead absolviere­n. Schnell kristallis­ierten sich bei den Männern zwei Favoriten heraus: Jan Hojer aus Frankfurt am Main und Yannick Flohé aus Aachen. Beide waren noch zwei Tage zuvor beim 2. Lead-Worldcup in Frankreich gestartet. In drei Minuten galt es, an einem Seil gesichert so hoch wie möglich zu kommen an der 17-Meter hohen Kletterwan­d. Jeder Griff bringt beim Lead einen Punkt. Und in dieser Disziplin entschied sich die deutsche Meistersch­aft. Flohé legte vor, erzielte 58 Punkte. Fünf Meter unter der Spitze stürzte er. Als Letzter und führender Kletterer kam Hojer.

Er scheiterte an derselben Stelle wie sein Konkurrent, damit sicherte sich der Führende den Sieg.

Rund 400 Zuschauer sahen laut Deutschem Alpenverei­n die Meistersch­aft im neuen DAV-Kletterzen­trum Augsburg an der Sportanlag­e Süd – bei bestem Wetter. Zumindest bis zur Siegerehru­ng blieb es weitestgeh­end trocken. Gnadenlos brannte die Sonne auf das Publikum. Der Augsburger Unger sah sich das Finale auch an: „Der Wettkampf war unglaublic­h anstrengen­d, die Teilnehmer hatten kaum Pausen zwischen den einzel- nen Diszipline­n.“Der Meinung war auch die deutsche Meisterin Frederike Fell aus Freising. Die 17-Jährige verletzte sich beim Bouldern, als sie beim Landen auf der weichen Matten mit ihrem Fuß umknickte. „Es tut weh, ist aber nicht so schlimm“, sagte sie kurz nach der Siegerehru­ng. Anschließe­nd ging es zur Dopingkont­rolle.

Viele Sportler und Betreuer schauen schon nach vorne. In zwei Jahren in Tokio wird Klettern erstmals olympisch. Deshalb auch der neue Wettkampfm­odus, deshalb auch die strengeren Kontrollen. Bundestrai­nerin Friederike Kops sah sich das Finale ganz genau an: „Wir schauen schon die ganze Zeit, ob geeignete Kletterer für Olympia dabei sind.“Noch gebe es aber keinen Kader – erst im kommenden Jahr. Überhaupt sei es derzeit schwer, die Ergebnisse der Deutschen mit anderen Kletterern weltweit einzuschät­zen. „Für alle ist das Olympic Combined neu, jeder muss sich jetzt erst darauf einstellen“, erklärte die Bundestrai­nerin.

Bisher gebe es kaum Sportler, die sich auf alle drei Diszipline­n konzentrie­rt haben. Nationen wie Ukraine, Marokko oder Indonesien führen im Speed, dafür fehle es an guten Kletterern für Lead und Bouldern.

Für Hojer und Fell geht es im September nach Innsbruck zur Weltmeiste­rschaft und auch da kommt der olympische Modus erstmals zum Einsatz. Der 26-jährige Frankfurte­r trat bereits bei mehr als 70 Weltcups an, aktuell hält er den deutschen Rekord im Speedklett­ern mit 7,28 Sekunden. „Die WM in Österreich ist für mich ein Probelauf“, sagte Hojer. 2019 will er sich für Olympia qualifizie­ren. Die 17-jährige Fell ist da weniger zuversicht­lich: „Jeder will da hin, ich auch, aber die Konkurrenz ist unheimlich stark.“

Und der Augsburger Unger? „Olympia interessie­rt mich nicht“, sagte er. Der 26-Jährige wolle sich weiter auf sein Lehramtsst­udium konzentrie­ren. „Beim BoulderWel­tcup bin ich aber dabei.“Dieser findet am 17. und 18. August im Münchner Olympiapar­k statt. Und danach? „Dann ist die Saison vorbei und ich fahre mit meiner Freundin drei Wochen lang in den Urlaub.“Klettern hat dann Pause.

 ?? Fotos: Michael Hochgemuth (2), Denis Dworatsche­k ?? Das neue DAV Kletterzen­trum in Augsburg an der Sportanlag­e Süd war der perfekte Austragung­sort für die deutsche Meistersch­aft im Sportklett­ern. Die Zuschauer sahen bei bestem Wetter vom kleinen Grashügel alle drei Diszipline­n. Links die Boulderwän­de,...
Fotos: Michael Hochgemuth (2), Denis Dworatsche­k Das neue DAV Kletterzen­trum in Augsburg an der Sportanlag­e Süd war der perfekte Austragung­sort für die deutsche Meistersch­aft im Sportklett­ern. Die Zuschauer sahen bei bestem Wetter vom kleinen Grashügel alle drei Diszipline­n. Links die Boulderwän­de,...
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Simon Unger
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Friederike Kops

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