Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Unterschriften gegen Chemiegeruch
Initiative In Inningen kämpft eine Mutter für saubere Luft. Sie glaubt, dass eine Fabrik die Gesundheit gefährdet. Die Stadt sagt: Alle Werte sind im grünen Bereich. Wie die Firma reagiert
Es herrscht dicke Luft in Inningen Nord. Und das nicht nur im übertragenen Sinn. Eine Mutter wehrt sich gegen chemische Gerüche, die ihrer Ansicht nach von der VonRoll-Fabrik ausgehen. Sie hat Angst um die Gesundheit ihrer Familie und fordert von dem Unternehmen und der Stadt, etwas gegen den Geruch zu unternehmen. Und mehr als 150 Inninger haben innerhalb weniger Tage das Anliegen mit ihrer Unterschrift unterstützt. „Es riecht nach verbrannten Autoreifen“, beschreibt Silke Komet den Geruch, der regelmäßig von der Von-RollFabrik, dem ehemaligen FerrozellWerk, herüberwehe.
Mittlerweile habe sie von der Stadt erfahren, dass es sich dabei um Phenol handle – einen gesundheitsgefährdenden Stoff. „Wenn es stinkt, öffnen wir unsere Fenster nicht und nutzen auch unseren Garten nicht mehr“, sagt Komet. „Teilweise war der Geruch so stark, dass meine kleine Tochter und ich beim Verlassen des Hauses husten mussten.“Schon 2015 habe sie sich bei der Stadt beschwert, damals habe man ihr schnelle Abhilfe versprochen. Doch nichts sei geschehen. „Es ist ein Kampf gegen Mühlen“, sagt die Mutter. Mal sei mit einer vorübergehenden Sondersituation argumentiert worden, dann habe es geheißen, die Werte seien im zulässigen Bereich. Auch hätten sich offenbar nicht genügend Inninger be- schwert, weshalb die Stadt keine Möglichkeit gesehen habe, weitere Schritte einzuleiten.
Ein Zustand, den Silke Komet nicht mehr hinnehmen möchte. Sie hat eine Bürgerinitiative gegründet und fordert von der Firma eine sofortige drastische Verbesserung der Luftqualität durch eine massive Emissionsreduzierung. Unterschriftenlisten mit ihrem Anliegen hat sie in Geschäften und der Kita in Inningen ausgelegt.
Offenbar ist sie mit ihrer Kritik nicht allein. Vor allem aus der Nachbarschaft des Von-Roll-Werks kommen die Menschen in die Geschäfte, um für saubere Luft zu unterschreiben, wie Antonie Hagenbusch, die Inhaberin eines der auslegenden Geschäfte berichtet. „Ich habe schon vier Seiten mit Unterschriften voll – die Leute kommen in Scharen“, sagt die Inhaberin der Gärtnerei Koch-Hagenbusch. Die Kunden würden immer wieder berichten, dass es nahe des Werks nach Chemie rieche, so die Gärtnerin.
Im städtischen Umweltamt kennt man die Geruchsprobleme, allerdings seien alle Werte im grünen Bereich, sagt Umweltreferent Reiner Erben (Grüne). „Es entstehen im Produktionsprozess Lösemittel und andere Stoffe, die in der thermischen Nachverbrennungsanlage weitestgehend zerstört werden.“Darüber hinaus können in geringem Umfang Emissionen aus anderen Quellen wie Luken, Toren und Abfallzwischenlager entweichen. Die Abgase der Produktionsanlagen werden gesammelt und in der Verbrennungsanlage gereinigt. Die Abluft würde regelmäßig gemessen, zuletzt im September 2017.
„Gemäß Messbericht wurden die Grenzwerte deutlich unterschritten“, so Erben. Der Referent geht davon aus, dass die Geruchsbelästigung von Phenol stammt. Im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens für eine neue Teilanlage sei 2015 auch das Thema „Gerüche und diffuse Emissionen“begutachtet worden. Die Empfehlungen aus diesem Gutachten wurden als Auflagen in die Genehmigung übernommen, so Erben.
Anwohner von zum Beispiel Fabrikanlagen müssten in Wohngebieten 876 Stunden Geruchsbelästigung tolerieren, so steht es im Gesetz. Selbst eine Überschreitung dieses Wertes stellt laut Erben nur eine „erhebliche Belästigung“, aber keine Gesundheitsgefährdung dar. In Inningen sei eine Überschreitung der zulässigen Geruchsdauer aufgrund der Hauptwindrichtung Südwest unwahrscheinlich. Jedoch hänge die Geruchswahrnehmung einzelner Personen stark von deren persönlicher Geruchsschwelle für den jeweiligen Stoff ab.
Noch im Juli will sich Umweltreferent Reiner Erben mit Vertretern der Firma Von Roll zusammensetzen, um zu überlegen, wie eine weitere Reduzierung der diffusen Geruchsfreisetzung, insbesondere aus dem Zwischenlager Produktionsabfälle, erreicht werden könnte. Von Roll hat mittlerweile reagiert und bietet den Nachbarn eine Werksbesichtigung an, wie eine Sprecherin sagt. Das Augsburger Werk sei auf dem neuesten Stand der Technik und entspreche allen gesetzlichen Forderungen. „Jeder, der eine Frage hat, kann kommen“, sagt sie.
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Termin Am Mittwoch, 25. Juli, lädt Von Roll von 16 bis 19 Uhr zu einer Diskussionsrunde mit Werksbesichtigung ins Werk an der Theodor Sachs Straße
1 in Inningen. Anmeldung unter augs burg@vonroll.com.