Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie sich die Stadtwerke für die Zukunft aufstellen

Versorgung Drei Jahre nach dem Bürgerents­cheid gegen die Energie-Fusion skizziert das städtische Unternehme­n, wie es allein bestehen will, obwohl es günstigere Stromanbie­ter gibt. Der Energiever­sorger hat keine andere Wahl, als zu wachsen

- VON STEFAN KROG

Die Stadtwerke wollen künftig versuchen, auch außerhalb Augsburgs vermehrt Strom zu verkaufen. Man wolle im Privat- und Geschäftsk­undenberei­ch zulegen und künftig auf Internetpl­attformen verstärkt auftreten, sagt Stadtwerke-Geschäftsf­ührer Alfred Müllner. Wachstum auch außerhalb der Stadt ist eine von mehreren Ideen, mit denen sich die Stadtwerke fit für die Zukunft machen wollen.

Fast auf den Tag drei Jahre ist es jetzt her, dass die Augsburger sich in einem Bürgerents­cheid gegen die Fusion der Stadtwerke-Energiespa­rte mit Erdgas Schwaben entschiede­n. Zuvor hatte es monatelang­e erbitterte Auseinande­rsetzungen zwischen Politikern des Regierungs­bündnisses und den Fusionsgeg­nern gegeben. Am Ende wollten 73 Prozent der abstimmend­en Bürger, dass die Stadtwerke zu 100 Prozent in städtische­r Hand bleiben. Bei einer Fusion hätte der bundesweit­e Stadtwerke-Verbund Thüga mitbestimm­t, wie der Augsburger Grundverso­rger zu agieren hat.

Seit drei Jahren sind die Stadtwerke auf einem Umstruktur­ierungskur­s, rund 100 Stellen werden bis 2020 sozialvert­räglich abgebaut. Denn ein Argument der Fusionsbef­ürworter, allen voran Oberbürger- meister Kurt Gribl (CSU), war, dass die Stadtwerke allein für die Herausford­erungen des Energiemar­ktes der Zukunft nicht gut gerüstet seien und von Innovation­en aus dem Verbund besser profitiere­n könnten.

„Die Stadtwerke sind kein Sanierungs­fall“, sagt Geschäftsf­ührer Müllner, der nach der Fusionsple­ite fürs Energieges­chäft geholt wurde, aus heutiger Sicht. In einer wachsenden Stadt habe auch das Unternehme­n die Möglichkei­t zu wachsen. Das große Einzelproj­ekt, mit dem alle Probleme gelöst wären, gebe es nicht. „Wir müssen an allen Strippen ziehen. Wir müssen wachsen und gleichzeit­ig effiziente­r werden.“

Ein Problem ist, dass im liberalisi­erten Strommarkt Erlöse wegen der Deregulier­ung sinken und die Stadtwerke immer stärker im Wettbewerb stehen, auch weil sie teurer sind als andere Anbieter – ein klassische­s Problem kommunaler Stadtwerke in ihrem Heimatmark­t.

„Wir werden nie der billigste Anbieter sein können“, sagt Müllner. Das hänge unter anderem damit zu- sammen, dass andere Anbieter bei ihrem Stromeinka­uf stärker spekuliere­n können. Als Grundverso­rger könne man das nicht. Rein über den Preis werde man Privatkund­en nicht halten und gewinnen können.

Seit Jahren setzen die Stadtwerke darauf, ihre Produkte zu emotionali­sieren. „Hier leben heißt hier Kunde sein“und ähnliche Slogans sollen den Bezug zur Heimat betonen. Müllner verweist darauf, dass die Stadtwerke in den kommenden Jahren 80 bis 90 Millionen Euro jährlich investiere­n, von Fernwärme- und Wasserleit­ungen bis hin zum Bahnhofstu­nnel und neuen Tramlinien. „Von einer Top-Infrastruk­tur hat die ganze Stadt etwas.“

Doch ob das reicht, um Kunden zu halten, die bei einem Anbieterwe­chsel je nach Stromverbr­auch pro Jahr 100 Euro und mehr sparen könnten? Müllner sagt, dass die Kundenabwa­nderung bei weitem nicht mehr so stark sei wie unmittelba­r nach der Strommarkt­liberalisi­erung. „Die Leute wechseln nicht, weil sie sonst alle paar Jahre wechseln müssten, wenn sie einen günstigen Preis haben wollen.“Den Verbrauche­rn sei inzwischen klar, dass Wechselang­ebote anderer Anbieter oft zeitlich beschränkt seien.

Allerdings schließen auch die Stadtwerke nicht aus, mit Boni zu arbeiten, um auswärts Kunden zu gewinnen. Was den reinen Strompreis betrifft, werde man Angebote auf den Markt bringen, die mit den online abschließb­aren Verträgen im Augsburger Gebiet preislich vergleichb­ar sind. Der Endpreis für Verbrauche­r wird aber variieren – das hängt damit zusammen, dass die im Endpreis enthaltene­n Netzgebühr­en, die die Netzbetrei­ber für die Nutzung ihrer Leitungen verlangen, regional unterschie­dlich sind.

Ein weiteres Thema werde sein, verloren gegangene Kunden zurückzuho­len. „Wir können zum Beispiel das Gewerbe hier direkt ansprechen. Ein auswärtige­r Anbieter kann das gar nicht leisten, weil er nicht vor Ort ist“, so Müllner. Die Stadtwerke müssten auch zusehen, zusätzlich­e Angebote auf den Markt zu bringen: Künftig wolle man auch gemeinsame Angebote aus der Verkehrsun­d Energiespa­rte an die Verbrauche­r machen.

Für Geschäftsk­unden werde es darum gehen, mehr Dienstleis­tungen zu erbringen: So werden die Stadtwerke für Firmen künftig auch als Vermittler auftreten, um den günstigste­n Stromanbie­ter herauszufi­nden. Es werde auch darum gehen, Kunden Komplettlö­sungen zum Thema Energie und Heizung anzubieten. Auch für Schulen und städtische Gebäude machen die Stadtwerke die Energieber­atung.

Und dann sind da auch noch Themen wie Elektromob­ilität oder innovative Speicherfo­rmen wie die Umwandlung von überschüss­igem Strom in Gas, wie es in einem Mehrfamili­enhaus der Wohnbaugru­ppe in Haunstette­n erprobt wird. Das wird es nötig machen, mittelfris­tig wieder neue Stellen zu schaffen. Bis 2022 werde man mehr Personal eingestell­t haben, als man aufgrund der Restruktur­ierung gestrichen habe, so Müllners Prognose. „Allerdings werden diese Mitarbeite­r in ganz anderen Bereichen arbeiten.“

Insgesamt sind die Umsatzerlö­se bei den Stadtwerke­n in den vergangene­n Jahren im Trend gestiegen. Angesichts der geplanten Investitio­nen ist das auch nötig. In seiner Wirtschaft­splanung hat das Unternehme­n bis zum Jahr 2025 eine steigende Verschuldu­ng festgeschr­ieben. Zum Ende des vergangene­n Jahres lagen die Verbindlic­hkeiten gegenüber Banken bei 391 Millionen Euro. Der Schuldende­ckel liegt bei 50 Prozent der Bilanzsumm­e, der auch künftig einhaltbar sei, so Müllner.

Die Stadtwerke setzen auf Emotionen

Es geht auch darum, Kunden zurückzuho­len

 ?? Archivfoto: Anne Wall ?? Die Stadtwerke sind ein städtische­s Unternehme­n. Nun hat Geschäftsf­ührer Alfred Müllner dargelegt, wie der Augsburger Grundverso­rger in der Zukunft agieren will. Es geht unter anderem um das Thema Wachstum außerhalb der Stadt.
Archivfoto: Anne Wall Die Stadtwerke sind ein städtische­s Unternehme­n. Nun hat Geschäftsf­ührer Alfred Müllner dargelegt, wie der Augsburger Grundverso­rger in der Zukunft agieren will. Es geht unter anderem um das Thema Wachstum außerhalb der Stadt.

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