Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Charisma siegt über Allüren
Beim Konzert des Christian Stock Trios feat. Javon Jackson konnte man einem schönen musikalischen Phänomen auf den Grund gehen: Was passiert, wenn auf einmal ein Stargast mitspielt?
Dieses im Jazz weitverbreitete Konzept ist alt und gut: Eine eingespielte Band bucht sich einen berühmten Gast zum gemeinsamen Musizieren dazu. In der detaillierten Umsetzung wird es interessant. Die einen suchen gezielt einen bestimmten Musiker, um mit ihm längerfristig zu arbeiten. Das ist nicht so einfach. Der Musiker muss sich für das Projekt begeistern können, ja überhaupt erst einmal konzeptionell für die Musik in Frage kommen. Die Organisation ist anspruchsvoller, die Gruppe verändert sich. Und ob der erhoffte musikalische und öffentliche Erfolg sichtbar wird, ist auch nicht immer gewiss.
Das Christian Stock Trio wendet die Idee anders an. Seit mehr als 20 Jahren besteht das Klaviertrio um den Augsburger Kontrabassisten und Organisator des alljährlichen Jazzsommers. Ein Stargast nach dem anderen teilte seitdem mit den drei Jazzmusikern die Bühne, zuletzt Trompeter Eddie Henderson, davor Giganten wie Benny Golson, Chico Freeman, Donny McCaslin, Bennie Maupin, Dave Liebman, Ack van Royen oder Randy Brecker, gefühlt ein halbes Jazz-Lexikon. Die Gruppe ist also darin ge- übt, sich auf neue Mitspieler mit nur einer kurzen Probe, ohne großes Kennenlernen und meist für nur ein Konzert einzulassen. Und wenn auch hier drei echte Könner ihres Fachs und durchaus Topmusiker des süddeutschen Raumes zu Werke sind, die Gäste sind immer noch einmal deutlich prominenter und erfolgreicher im Geschäft.
Genau hier wird es wieder interessant. Haben die Gäste wirklich Lust, für ein Konzert in das beschauliche Augsburg zu reisen, mit wenig Zeit, ohne die Musiker zu kennen? Die einen oder anderen Starallüren, die man in missglückten Fällen dieser Art auf der Bühne beobachten kann, sind sicherlich auf den Missmut gegenüber dieser Situation zurückzuführen.
Ganz anders allerdings am Mittwoch im Botanischen Garten, als Javon Jackson aus Connecticut dem Trio beistand. Vom ersten Moment an strahlten die vier wahre Spielfreude und gute Laune aus, es wurde kommuniziert, gelacht, Hände geschüttelt, Schlagzeuger Walter Bittner bekam den obligatorischen Fist Bump nach gelungenem Solo, Jackson vermeldete gar ein charmantes „ich liebe dich“zu Pianist Martin Schrack, nachdem er mit ihm im Duett die wunderschöne Ballade „My One And Only Love“zelebriert hatte.
Diese positive Stimmung machte sich in der Musik bemerkbar und steckte auch das Publikum an. Äußerst kurzweilig spielten sich die Vier durchs Programm, das hauptsächlich aus Kompositionen des hierzulande eher unbekannten Saxofonisten bestand. Stilistisch machte sich die Hardbop-Vergangenheit des Ausnahmespielers bemerkbar, nicht nur beim Eröffnungsstück „One By One“von Wayne Shorter oder der erdigen Zugabe „Blues On A Corner“des legendären McCoy Tyner. Auch ein verspieltes „I Mean You“von Thelonious Monk fand im geschickt zusammengestellten Programm seinen Platz.
Auf den Punkt brachte es eine Dame im Publikum, die nach dem Konzert beschwingt meinte: „Es war so schön und überhaupt nicht anstrengend.“
Jawohl! Und zwar dank des nie langweilig werdenden Konzeptes dieses Trios und dem Gewinner des Abends, dem charismatischen Javon Jackson aus Connecticut.