Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Richter verhängt ungewöhnli­che Strafe

Justiz 21-Jähriger wegen eines Unfalls angeklagt. Es geht aber vor allem um seine Lebenseins­tellung

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Donauwörth Einen eher ungewöhnli­chen Verlauf nahm der Prozess eines 21-jährigen Donauwörth­ers vor dem Amtsgerich­t in Nördlingen. Angeklagt war er wegen eines schweren Unfalls, den er im vergangene­n Dezember auf der B16 zwischen Rain und Donauwörth verursacht­e. Am Ende ging es aber vor allem um die Art, wie er sein Leben gestaltet. Damals kam er auf schneebede­ckter Fahrbahn kurz nach der Abzweigung nach Oberndorf ins Schleudern und kam auf die Gegenfahrb­ahn. Dort stieß der Pkw frontal gegen einen Lkw, mit dem ein heute 41-Jähriger nach Rain fuhr. Der Sattelzug kam von der Straße ab und rollte die Böschung hinab. Dessen Fahrer erlitt schwere Verletzung­en an der Wirbelsäul­e und dem Knie. „Ich kann immer noch keine längeren Touren fahren wegen der Schmerzen“, sagte der 41-jährige Mann aus. Die Straße war mehrere Stunden gesperrt.

„Wenn man die Bilder vom Unfall sieht, hatte er noch sehr viel Glück. Er war zu schnell unterwegs“, sagte ein Polizist vor dem Amtsgerich­t aus. Dem widersprac­h der Jugendlich­e. Er sei mehrfach darauf hingewiese­n worden, dass sein BMW einen Heckantrie­b habe und deswegen vorsichtig­er gefahren, damit das Fahrzeug nicht ausbreche. Alle Lenkversuc­he nach rechts hätten aber nichts mehr gebracht, sagt er vor Gericht.

Richter Gerhard Schamann reagierte angesichts der Umstände nachsichti­g. „Es war ein Fahrfehler, wie er jedem von uns passieren kann.“Was dem Richter aber sichtlich missfiel, war der Bericht der Mitarbeite­rin der Jugendgeri­chtshilfe. „Er ist nicht unabhängig. Seine Mutter unterstütz­t ihn, zahlt unter anderem die Wohnung. Als er Stress mit dem Stiefvater hatte und in seinem Auto lebte, versteckte die Mutter hinter der Hecke Essen in Töpfen, um ihn zu versorgen.“

Auch sei er nicht bereit, soziale Hilfsdiens­te zu leisten, entschuldi­gte sich nicht beim Opfer und ist arbeitslos, führte die Mitarbeite­rin der Jugendgeri­chtshilfe aus. Auch habe er das Gespräch mit ihr abgebroche­n. Deswegen halte sie eine Geldstrafe nicht für die richtige Strafe. „Ich empfehle 56 Sozialstun­den, die Auflage, sich einen Job zu suchen und einen Arrest.“Die Ausführung­en seien wenig erfreulich, was er denn dazu sage, wollte der Richter vom Beschuldig­ten wissen. „Wenn sie das sagt, ist das wohl so“, antwortete der junge Mann und zuckte mit den Schultern.

Staatsanwa­lt Michael Rauh beantragte, den 21-Jährigen nach Jugendstra­frecht zu verurteile­n. Aufgrund der erhebliche­n gesundheit­lichen Folgen für den Lkw-Fahrer sprach er sich für 64 Sozialstun­den, zwei Wochen Freizeitar­rest, drei Monate Fahrverbot und Auflagen zur Jobsuche aus. Richter Schamann folgte der Forderung bei den Sozialstun­den und erlegte dem Angeklagte­n auf, alle 14 Tage fünf Bewerbunge­n und die Antwortsch­reiben beim Gericht nachzuweis­en. „Und ich rate Ihnen, dass die Bewerbunge­n Hand und Fuß haben.“Den Antrag auf ein Fahrverbot und Freizeitar­rest bewertete er als „zu hart.“Letzteres drohe aber, wenn die Sozialstun­den nicht abgeleiste­t würden, mahnte der Richter. Der Mutter empfahl er, nicht alle Probleme für den Sohn aus der Welt zu schaffen. Der 21-Jährige akzeptiert­e das Urteil.

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