Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Getöteten Polizisten verunglimp­ft

Justiz Ein Foto des Gedenkstei­ns von Mathias Vieth löst auf Facebook einen Dialog aus. Das Gericht nennt ihn „widerwärti­g“

- VON KLAUS UTZNI

Der brutale Mord an dem Augsburger Polizisten Mathias Vieth in der Nacht zum 28. Oktober 2011 im Stadtwald sorgte bundesweit für Entsetzen. Der 41-jährige Familienva­ter starb nach einer Verfolgung­sjagd im Kugelhagel von Schnellfeu­ergewehren. Als Mörder rechtskräf­tig verurteilt zu lebenslang­er Haft sind inzwischen die beiden Brüder Rudolf Rebarczyk, 61, und Raimund Mayr, 63. Fast sieben Jahre nach der Tat stand das Gewaltverb­rechen im Hintergrun­d eines Prozesses vor dem Amtsgerich­t.

Der Fall, den Amtsrichte­r Thomas Müller-Froelich abzuurteil­en hatte, kann auch als Beleg dafür gelten, wie sich soziale Netzwerke im Internet immer häufiger zu einer Plattform für Hass und Kommentare auf unterster sittlicher Stufe entwickeln. Der Angeklagte, ein Auszubilde­nder, 26, hatte ein Foto des am Tatort aufgestell­ten Gedenkstei­ns für den erschossen­en Polizisten auf Facebook eingestell­t – in eine Gruppe, die mit „schwarzem Humor“und „krassem Scheiß“wirbt und die angeblich rund 70 000 Mitglieder zählt. Das Bild war Anlass für einen Chat per Handy zwischen dem Angeklagte­n und einem Mann aus dem Raum Heilbronn. Thema war der Zustand des Körpers des Ermordeten am Tatort. Die Posts bezeichnet­e Richter MüllerFroe­lich als „abstoßend und widerwärti­g“. Wie ein Kripobeamt­er als Zeuge berichtet, habe ein User die Polizei auf den Chat hingewiese­n. Ein Sohn des erschossen­en Polizisten habe daraufhin Strafantra­g wegen „Verunglimp­fung des Andenkens Verstorben­er“gestellt, ein seltener Tatbestand, der mit Geldstrafe oder Freiheitss­trafe bis zu zwei Jahren sanktionie­rt werden kann.

Der Angeklagte (Verteidige­r: Felix Hägele) hat sich inzwischen von seinem Verhalten distanzier­t: „Es ist mir wahnsinnig peinlich“, sagt er. Anfangs sei es in der FacebookGr­uppe „ganz lustig“gewesen. „Später sind dann nicht mehr so lustige Sachen gepostet worden“. Beim Gassiführe­n seines Hundes im Stadtwald habe er das Foto des Gedenkstei­nes aufgenomme­n und gepostet. Er habe „überhaupt nichts gegen den Polizisten Vieth und seine Familie“, beteuert der 26-Jährige. Durch den Kommentar des anderen ihm völlig unbekannte­n Mannes habe er sich „aufgeforde­rt und angestache­lt gefühlt, noch nachzulege­n“. Er wolle sich noch in einem Schreiben bei der Familie des toten Polizisten entschuldi­gen, kündigt er in seinem „letzten Wort“an.

Weil der Angeklagte bereits drei Einträge im Strafregis­ter hat, ist auch Verteidige­r Hägele klar, dass am Ende eine Geldstrafe nicht mehr zur Diskussion steht. So kommt es auch: Richter Müller-Froelich verurteilt den Mann zu vier Monaten Freiheitss­trafe auf Bewährung und eine Geldauflag­e von 800 Euro an den „Weißen Ring“. Die Öffentlich­keit, so der Richter, reagiere nach dem Mord sehr sensibel. In den sozialen Netzwerken, die zu asozialen Netzwerken verrohten, werde die Menschenwü­rde immer mehr außer Acht gelassen. Der zweite am Chat beteiligte 27-Jährige ist per Strafbefeh­l zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt worden.

Eine Geldstrafe steht nicht zur Diskussion

Newspapers in German

Newspapers from Germany