Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Todesfahrer muss ins Gefängnis
Prozess Bei einem Frontalzusammenstoß zweier Autos bei Pöttmes vor zweieinhalb Jahren stirbt ein 31-Jähriger. Auslöser ist das missglückte Überholmanöver eines 64-Jährigen. Gegen ihn wurde nun in zweiter Instanz verhandelt
Seine Freundin hatte Ja gesagt. Der 31-Jährige und sie wollten heiraten. Doch dazu kam es nicht mehr. Ein verheerender Unfall riss den Mann wenige Monate vorher aus seinem noch jungen Leben. Gestern stand der „Todesfahrer“vor Gericht.
Pöttmes/Augsburg Seine Freundin hatte Ja gesagt. Der 31-Jährige und sie wollten heiraten. Doch dann riss ein verheerender Unfall den Mann wenige Monate vorher aus dem Leben. Ein entgegenkommender Autofahrer krachte nach einem Überholmanöver auf der Staatsstraße 2035 nahe dem Pöttmeser Ortsteil Gundelsdorf frontal in seinen Audi. Von dem Wagen des 31-Jährigen blieb nur ein Blechknäuel übrig. Er selbst war sofort tot. Ein weiterer Autofahrer und der Unfallverursacher wurden schwerst verletzt.
Gestern wurde das Geschehen vom 25. Januar 2016 vor der 16. Strafkammer des Landgerichts Augsburg unter Vorsitz von Richter Christian Grimmeisen aufgearbeitet. Unter den rund 25 Zuhörern waren auch Angehörige des Getöteten und des Unfallverursachers.
Er war gegen ein Urteil des Schöffengerichts Aichach vom vergangenen Jahr in Berufung gegangen. Es hatte den heute 64-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu zwei Jahren, zwei Monaten und einer Woche Haft verurteilt (wir berichteten). Gestern beschränkten Verteidiger und Staatsanwalt die Berufung auf das Strafmaß.
In erster Instanz hatten ein Gutachten und Zeugenaussagen folgendes Bild ergeben: Der Angeklagte hatte auf der engen Staatsstraße zwei Fahrzeuge überholt, obwohl diese mit dem maximal erlaubten Tempo 80 unterwegs waren. Laut Gutachter war er bis zu 108 Stundenkilometer schnell. Die gefährliche Kurve ist 462 Meter vor der Unfallstelle ausgeschildert. Er kennt sie bestens.
Im ersten Prozess hatte sich der Angeklagte mithilfe eines neurologischen Gutachtens auf eine kurzzeitige Ohnmacht berufen. Das Gericht stellte dessen Seriosität massiv infrage. Gestern sprach Verteidiger Andreas Schröger nur noch von „Augenblicksversagen“. Im ersten Prozess war dem Angeklagten der Satz herausgerutscht: „Ich komme da normal locker mit 100 durch.“Nach dem Unfall war er mehrfach operiert worden, hatte im künstlichen Koma gelegen und war monatelang stationär in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Gestern bezeichnete er den Unfall als „schrecklichste Sekunde meines Lebens“.
Nur zwölf Tage zuvor hatte er einen anderen Zusammenstoß mit einem Rollerfahrer verursacht. Trotzdem sei er vor dem tödlichen Unfall „rowdyhaft“gefahren, so der Richter. Er sprach von „grober Fahrlässigkeit an der Grenze zum bedingten Vorsatz“. Der Kleinunfall floss ins Urteil ein: Ein Jahr, acht Monate und eine Woche muss der Angeklagte in Haft. Außerdem darf ihm weitere 18 Monate keine Fahrerlaubnis erteilt werden. Der Verteidiger kündigte an, sein Mandant verzichte lebenslang darauf. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Oberstaatsanwalt Franz Wörz forderte zwei Jahre, zwei Monate und eine Woche Haft, der Verteidiger 20 Monate auf Bewährung. Rechtsanwalt Harald Sobottka, der die Familie des Todesopfers vertrat, stellte die Strafe ins Ermessen des Gerichts. Er sprach von „sinnloser Raserei“und warf dem Angeklagten vor, sich grundsätzlich nicht an Verkehrsregeln zu halten.
2015 hatte dieser seinen Führerschein einen Monat abgeben müssen, weil er zu schnell war. In dieser Zeit wurde er am Steuer erwischt und versuchte, vor der Polizei zu fliehen – mit Tempo 130 innerorts.
Recherchen unserer Zeitung zufolge hatte er schon 1981 wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht gestanden. Bei einem Unfall nahe Walda (Kreis Neuburg-Schrobenhausen) starb eine Fußgängerin, eine Mutter von vier Kindern. Auch damals hatte der Mann überholt und war zu schnell gefahren, so das Gutachten. Strafrechtlich fällt dieser Unfall aber nicht mehr ins Gewicht.
Der neuerliche Unfall hat für den Angeklagten nicht nur juristische Folgen. Sein Verteidiger berichtete: „In seinem Dorf werden er und seine Familie massiv geschnitten.“Welche Wellen der Unfall geschlagen hat, zeigt auch ein anonymer Drohbrief ans Landgericht. Der Absender unterstellt dem Angeklagten darin, sich freikaufen zu wollen, und droht Selbstjustiz an. Der Richter verurteilte den Brief als „feige und unwürdig“.