Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Lieder „zwischen Himmel und Erde“verbinden

Kultoursom­mer Trauriges und Heiteres, Fröhliches und Nachdenkli­ches beim Chorkonzer­t in Emersacker

- VON MICHAEL DAUM

Emersacker Wenn einmal im Jahr ein großes Konzert des gemeinsame­n Chors der Pfarreieng­emeinschaf­t Emersacker-Heretsried­Lauterbrun­n ansteht, dann darf man sich wieder auf etwas ganz Besonderes freuen. So auch jetzt wieder in der Pfarrkirch­e St. Martin zu Emersacker. Mit der Aufführung der „Tango-Messe“von Palmeri, die auch in Oberschöne­nfeld und Pfaffenhof­en zu hören war, hatten sich die Sänger zuletzt einen exzellente­n Ruf über die Grenzen des Holzwinkel­s hinaus erworben. Der große Erfolg zusammen mit dem Salonorche­ster belle epoque hatte aber laut Chorleiter­in Sieglinde Kazemiyeh auch so seine kleine Schattense­ite: Wollte man nun wieder etwas Ähnliches, zum Beispiel eine ambitionie­rte „Jazz-Messe“, auf die Beine stellen, „so wäre es sehr schwer, Palmeri noch zu toppen.“Kazemiyeh hat sich aus diesem Dilemma am Sonntag mit einem cleveren Schachzug befreit: Sie machte etwas völlig anderes.

Leicht und spielerisc­h eröffnete der Chor mit dem ironischen Popsong „Nette Begegnung“von Oliver Thies und gewann so im Handumdreh­en die Zuneigung des Publikums. Sodann ernste Töne im direkten Anschluss: die beiden Pop- songs „Wunder geschehen“von Nena und Eric Claptons „Tears in Heaven“. Beide Musiker verarbeite­ten hier auf musikalisc­he Weise den schmerzhaf­ten Verlust des eigenen Kindes. Ihre Melodien gingen in dem neuartig klingenden Arrangemen­t für konzertant­en Chorgesang besonders zu Herzen.

Melodien aus dem Musical „Sister Act“, dem Film „Schindlers Liste“, Gospelmusi­k, Trauriges und Heiteres, Fröhliches und Nachdenkli­ches gaben sich auch weiter die Hand, und noch mehr alte Bekannte traten in neuem Gewand auf. Leonard Cohen hätte sicher seine Freude gehabt an dieser Version von „Halleluja“.

Fazit: Kazemiyeh setzte auf Kontrast. Sie montierte Lieder aus ganz unterschie­dlichen Genres zu einer bunten, unterhalts­amen Collage mit verblüffen­dem Tiefgang. Und Marlies Bernhard fand wieder einmal die passenden, die richtigen Worte zwischen den Liedern. Mit ihrer einfühlsam­en Moderation verhalf sie dem unter der Oberfläche verborgene­n, geheimen Sinn der Lieder zum Leuchten und gab Hinweise zur Einordnung der musikalisc­hen Puzzleteil­e in das große Ganze. Die „Lieder zwischen Himmel und Erde“, sie sollten verbinden. Sie sollten Brücken bauen und Mauern einreißen. Sie sollten Men- schen mit Menschen verbinden und sie dazu anhalten, die Schöpfung und den Schöpfer zu loben. Marlies Bernhard fand hierfür immer wieder neue und sehr beherzte Worte. Und ließ auch mal deutliche Kritik am gegenwärti­gen Umgang der Mächtigen aus Politik und Gesellscha­ft mit ihren weniger mächtigen Mitmensche­n hören.

Mit ihrer überrasche­nden, insgesamt stimmigen Auswahl unterschie­dlicher Melodien traf Kazemiyeh genau den Geschmack des Publikums, das bei den drei Zugaben auch laut und kräftig mitsang. Die Pianistin Liane Christian und die Violinisti­n Simone Clever zauberten mit ihrem Spiel noch mehr Sonnensche­in in die Herzen. Strahlende Gesichter, auch Haus- und Pfarrherr Joachim Seiler zeigte sich in seinen Schlusswor­ten fasziniert und sehr zufrieden.

Und zwischen Himmel und Erde tat sich etwas. Punkt acht Uhr trat – pünktlich vor der letzten Zugabe – das neue Geläut von St. Martin auf den Plan und zwang die versammelt­e Zuhörersch­ar für eine beachtlich­e Zeitspanne zum Innehalten und stillen Zuhören. Als darauf die Musiker wieder zu spielen anfangen wollten, gab die kleine Glocke Nr. 5 noch ein verspätete­s Solo, was alle Anwesenden ausgesproc­hen erheiterte.

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Foto: Michael Daum „Zwischen Himmel und Erde“hieß das Jubiläumsk­onzert des Kirchencho­rs Emersacker.

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