Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Wir wollen Halt geben und Brücken bauen“
Interview Schwester Reinholda Rast ist neue Generaloberin der Barmherzigen Schwestern. Ihre Kongregation hat einen großen Umbruch hinter sich. Doch der Wandel ist noch nicht zu Ende
Schwester Reinholda, hat Sie die Wahl zur Generaloberin der Barmherzigen Schwestern gefreut? Schwester Reinholda: Ich habe sie zwar nicht erhofft, aber ich war innerlich bereit. Ich sehe das Amt als Herausforderung und vor allem als Dienst an unserer Ordensgemeinschaft.
Altersbedingt zogen sich die Barmherzigen Schwestern aus der Krankenpflege und aus der Trägerschaft des Vincentinums zurück. Was wird die neue Aufgabe?
Schwester Reinholda: Getreu unserem Motto „Liebe sei Tat“definieren wir uns durch unser Wirken nach außen, das war zuletzt vorwiegend die Krankenpflege. Traditionell sind die Barmherzigen Schwestern immer dort, wo Not herrscht. Das wird auch künftig so sein. Da wir uns von vielen Einrichtungen getrennt haben, stellt sich die grundsätzliche Frage: Was ist künftig unsere Sendung?
Haben Sie darauf schon eine Antwort? Schwester Reinholda: Wir werden, wie es Papst Franziskus formuliert hat, „an die Ränder der Gesellschaft gehen“. Kranken, Armen, Vertriebenen und Menschen in den unterschiedlichsten Notlagen wollen wir wieder ihre Würde zurückgeben. Unsere Schwestern werden sich gemäß ihren Stärken in verschiedenen Bereichen einbringen.
Wo zum Beispiel?
Schwester Reinholda: Die KlinikSeelsorge im Vincentinum bleibt weiterhin von zentraler Bedeutung neben den pastoralen Diensten in Pfarrgemeinden. Auch in der CitySeelsorge in Kempten habe ich erfahren, wie wichtig es für Menschen in einer Notlage sein kann, wenn sie zu uns kommen können. Beispielsweise ist eine Mitschwester im Abbé-Pierre-Zentrum, einer Tagesstätte für alkoholkranke Menschen der Augsburger Caritas, tätig, und eine andere Mitschwester arbeitet in der Wärmestube des SKM (Sozialdienst katholischer Männer). Bei der Integration von Flüchtlingen in unserer Gesellschaft wollen wir auch unseren Beitrag leisten.
Also im weitesten Sinne Sozialarbeit? Schwester Reinholda: Nein, das wäre zu kurz gesprungen. Wir wollen uns nicht in der Sozialarbeit erschöpfen. Wir verstehen unser Wirken als Leib- und Seelsorge. Bei uns ist es eine Berufung von innen heraus. Wir wollen für die Menschen gerade in schwierigen Situationen Brücken bauen und mit ihnen ein Stück des Weges gemeinsam gehen. Ist der Fortbestand der Kongregation ein Thema, das Sie umtreibt? Schwester Reinholda: Natürlich machen wir uns Gedanken. Wir sind 100 Schwestern mit einem Durchschnittsalter von etwa 78 Jahren. Mit unserem Wirken wollen wir ein Stück mehr Menschlichkeit in die Welt bringen. Vielleicht finden sich junge Frauen, die das so wie wir le-
ben wollen. Aus meiner Erfahrung in der Pastoral weiß ich: Immer mehr Menschen suchen Orientierung, Halt, Sinn. Wenn ich vorhin sagte, wir wollen Brücken bauen: Vielleicht entstehen ja künftig durch die Vernetzung mit neuen Tätigkeitsfeldern auch neue Kontakte mit Menschen, die sich für die vinzentinische Spiritualität interessieren.
Geht es „nur“um die Suche nach neuen Mitschwestern?
Schwester Reinholda: Neben der Hoffnung, dass junge Frauen bei uns eine sinnvolle Lebensperspektive entdecken, freuen wir uns, wenn sich andere Interessierte anschließen wollen. Wir haben einen Freundeskreis der Barmherzigen Schwestern gestartet. Robert A. Schmid