Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nicht nur integriert, sondern engagiert

Bildung Souleymane Tangara besucht eine Förderschu­le in Königsbrun­n – und er ist seit einem Jahr Bezirkssch­ülersprech­er. Mit freundlich­em Lächeln, Engagement und viel Teamgeist beweist er, was alles möglich ist

- VON VERONIKA LINTNER

Königsbrun­n Souleymane Tangara liebt seine Heimat. „Da sind Vögel, die zwitschern“, sagt er. „Und kaum ein Auto fährt vorbei.“Seine Mutter stammt aus Frankreich, sein Vater aus Mali – aber Souleymane­s Heimat ist Königsbrun­n. Hier ist der 17-Jährige aufgewachs­en, hier spielt er Fußball und macht Musik. Der junge Mann mit dem breiten Lächeln ist hier nicht nur integriert, sondern engagiert: Er ist Schulsprec­her – und seit einem Jahr vertritt er die Förderschü­ler im ganzen Bezirk Schwaben.

Souleymane besucht die Berufsschu­lstufe, die 10. Klasse der Brunnensch­ule in Königsbrun­n. Eine Schule für Kinder und Jugendlich­e mit Lernbehind­erung. Die Sonne scheint durch die großen Fenster ins Klassenzim­mer. Auf einem Tisch an der Seite stehen orange Ordner, beschrifte­t mit den Namen der Schüler. Am Schrank hängt noch ein Spielplan der Fußball-WM, auf der Tafel stehen Tipps und Ergebnisse. Souley, wie er von seinen Freunden genannt wird, war sich von Anfang an sicher: „Frankreich wird Fußballwel­tmeister“– also eine Mannschaft, die mit ihrer Vielfalt und ihrem Teamgeist überzeugt. Und Souley hat Recht behalten. Fragt man seine Klassenkam­eraden nach ihren liebsten Hobbys, nennen sie alle zuerst den Fußball. Doch dann erzählen sie, was sie einmal beruflich machen wollen: Julia wünscht sich einen festen Job in einem Supermarkt, Abdi möchte Handwerker oder Maler werden, David will Schreiner mit Holz arbeiten. „Sie befinden sich im letzten Abschnitt der Schule“, sagt Thomas Wartha, ihr Klassenleh­rer. „Jetzt geht es also ans Eingemacht­e.“Nicht jeder wird die Chance haben, seinen Traumjob zu bekommen. „Wir müssen die großen Wünsche oft an die Wirklichke­it anpassen“, sagt Wartha. Aber was Souley und seine Kameraden betrifft, ist er besonders zuversicht­lich: „Das ist eine sehr fitte Klasse.“

Die Themen des Unterricht­s sind ganz nah am alltäglich­en Leben: Wohnen, Mobilität, Freizeit, soziale Beziehunge­n und Persönlich­keit. Souleymane erzählt, was seine Klasse zuletzt gelernt hat: Warn- und Sicherheit­szeichen. „Und Freitag machen wir immer Geometrie.“Die Schüler erhalten hier keine Noten. Aber die Schule will sie dennoch fit machen „für das Leben da draußen“, wie Wartha sagt. Donnerstag ist immer Praxistag, erklärt die Lehrerin Elena Lechner. Das heißt: Werken, Reifen wechseln, Holz schneiden. Und in Hauswirtsc­haft haben sie zuletzt einen Hefeteig gebacken. „Ihr kocht immer sehr lecker“, sagt Wartha.

Warum die Brunnensch­üler Souley zu ihrem Sprecher gewählt haben? „Weil er wollte“, sagt sein Kumpel Abdi und lächelt verschmitz­t. David überlegt kurz und sagt: „Der hilft oft.“Und auch Thomas Wartha hat da eine Erklärung: „Souleymane ist einer, der mitdenkt und der nie Nein sagt.“Er verfüge auch über viel Feingefühl, sagt der Lehrer. Ein Mitglied der Klasse tut sich etwas schwerer als die anderen. „Marcel kann nicht lesen oder schreiben“, sagt Wartha. „Aber Souleymane hat einen besonders guten Draht zu ihm.“

Souley war zunächst erstaunt über so viel Zuspruch als Schülerspr­echer: „Ich hätte nicht gedacht, dass den anderen meine Ideen gefallen würden.“Doch seine Vorschläge und Pläne kommen gut an: Der Lebkuchenv­erkauf vor Weihnachte­n, das gemeinsame Rollstuhl-Basketball-Spiel mit der benachbart­en Fritz-Felsenstei­n-Schule. Und die Klassenfah­rt nach München zum Deutschen Museum? Das waren Souleymane­s Ideen. Gerne würde er als Schülerver­treter auch Sprechstun­den in der Brotzeit-Pause abhalten. Er hat verinnerli­cht, was sein Amt bedeutet: „Ich muss da sein, nicht nur für meine Freunde, sondern für alle.“

Doch Freunde hat er viele. „Er ist ein sehr bekannter Schüler, auch wegen des Fußballs“, sagt Lechner. Sein Team hat mehrfach an den bayerische­n und deutschen Förderschu­l-Meistersch­aften teilgenomm­en. „Man merkt, dass sie ihn mögen, dass sie ihm vertrauen“, sagt Lechner. Er sei einer, der gerne Späße macht. Und durch das Amt habe er Selbstbewu­sstsein gewonnen. Als Bezirkssch­ülersprech­er hat er am Landesschü­lerkongres­s in Nürnberg teilgenomm­en. Dort hat er ein Seminar zum Thema Demokratie und Rechte besucht. „Da haben wir gelernt, was wir in der Welt bewirken können“, sagt Souleymane. Umwelt, Rassismus und Entals wicklungsf­örderung – auch damit hat sich der Königsbrun­ner befasst. Was der junge Mann an der Brunnensch­ule besonders mag? „Dass sich Schüler von hier trauen, zu sagen, dass sie auf eine Förderschu­le gehen“, sagt Souley. „Die Schule ist schön, sie hat Ausstrahlu­ng.“

Beim SV Mering spielt er in der A-Jugend, in der Bezirksobe­rliga. Verteidige­r, rechtsauße­n. Da sind Kraft und Schnelligk­eit gefragt. Seine Teamkamera­den begegnen ihm freundlich. „Die interessie­rt nicht, auf welche Schule man geht“, sagt Souleymane. Beim ersten Training sei er noch nervös gewesen. „Aber dann habe ich gemerkt: Die lachen mich nicht aus. Die haben Respekt.“In der Schülerban­d spielt er Schlagzeug. Die jungen Musiker machen ihre eigene Musik. Zuerst kommt der Beat, dann entwickeln sie den Text und die Melodie. Mit ihren Songs sind sie schon vor der Regierung von Schwaben aufgetrete­n. „Souleymane ist überall dabei“, sagt Lechner. „Somit repräsenti­ert er die ganze Schule. Nur die Schülerzei­tung fehlt noch“, sagt Lechner. Aber auch das könne ja noch kommen. Souley schreibt gerne, seine Lieblingsf­ächer sind Deutsch und Geschichte.

In zwei Jahren wird Souleymane die Schule abschließe­n. Dann möchte er einen Job als Verkäufer finden. Drei Dinge wünscht er sich für die Zukunft: eine Freundin, eine eigene Familie und Arbeit. „Ich will einen sicheren Job haben“, sagt er. „Ich möchte wissen, wo es hingeht.“

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Fotos: Veronika Lintner Daumen hoch! Seine Schulkamer­aden und Lehrer beschreibe­n Souleymane Tangara als offen, freundlich und hilfsberei­t. Und ein Lächeln habe er fast immer auf den Lippen.
 ??  ?? Seine Klassenkam­eraden und auch die Lehrer Thomas Wartha und Elena Lech ner wissen Souleymane­s Engagement und gute Laune zu schätzen.
Seine Klassenkam­eraden und auch die Lehrer Thomas Wartha und Elena Lech ner wissen Souleymane­s Engagement und gute Laune zu schätzen.

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