Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Rücksichtnahme ist gut, aber kein Allheilmittel
Die entscheidenden Sätze stehen am Anfang der Straßenverkehrsordnung: Da ist die Rede von „gegenseitiger Rücksicht“und dem Gebot, sich so zu verhalten, „dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder (...) behindert oder belästigt wird“. Doch Verständnis für andere Verkehrsteilnehmer ist im Alltag manchmal schwierig.
Es muss gefördert werden. Dem Autor der Zeilen geht es ja auch nicht anders: Als Fußgänger in der Pferseer Unterführung ärgert er sich über Radler, die auf dem für sie freigegebenen Gehweg vorbeiflitzen statt Schritttempo zu fahren. Als Radler in der Pferseer Unterführung ärgert er sich über Fußgänger, die absichtlich in der Mitte des Gehwegs laufen, und über Autofahrer, die hupen, wenn man erlaubterweise auf der Straße fährt. Und als Autofahrer schnauft er durch, wenn Radler auf der Fahrbahn sind, weil dann erst einmal Tempo 20 angesagt ist. Es wird nicht überall möglich sein, bauliche Lösungen zu schaffen, die alle Verkehrtsteilnehmer zufriedenstellen, indem sie ihnen ausreichend Platz anbieten, doch es ist und bleibt der beste Weg. Verkehrslösungen, die nur auf mehr Rücksichtnahme setzen, sind eine Gratwanderung.
Spielstraßen, wo die Minderheit Schritttempo fährt, sind ein Beispiel. Auf die Spitze getrieben wird die Idee des Miteinanders durch sogenannte „Shared-Space“-Lösungen, also Straßen, in denen weitgehend auf Beschilderung verzichtet wird und gegenseitige Rücksichtnahme die Dinge regelt. Mehrere Städte haben das erprobt. Es kann funktionieren, muss aber nicht. Augsburg hat noch keine solche Experimentalstrecke. Im Rahmen der von der Stadt geplanten InfoKampagne für mehr Miteinander wäre Gelegenheit dafür, der Ort muss gut gewählt sein. Der Kö, wo sich die Stadt dem Konzept schon mal angenähert hat, sind die Ergebnisse mäßig überzeugend. Dass sie langsam fahren müssen, weil sie sich in der Fußgängerzone befinden, ignorieren viele Radler geflissentlich, auch weil es sonst keine schnelle Nord-Süd-Achse gibt.