Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hundstage genießen?

- WOLFGANG SCHÜTZ

Sommer ist es, und ja: wie schön! Das Licht, die lauen Abende und luftigen Textilien, und von mir aus auch das Grillen und so. Aber darum muss man sich ja auch nicht gleich über alles freuen müssen, oder? Und die brütend heißen Hundstage sind ja nun grundsätzl­ich und nachweisli­ch eine Belastung für den Körper – aber erst recht gilt das für unsere Breiten.

Denn zum einen ist die hiesige Hitze gar nicht mit der in südlichen Ländern vergleichb­ar, an die und deren irgendwie zauberhaft lähmende Schwere sich sonnenblin­de Schwärmer trotzdem erinnert fühlen wollen. Und zum anderen stellt sich spätestens dann heraus, dass unser gesellscha­ftliches Leben eben so gar nicht auf eine solche Hitze ausgelegt ist. Alle schlafen in jenen kaum abkühlende­n Nächten schlechter und deutlich weniger – alle Werktätige­n bleiben aber in den üblichen Tagesrhyth­mus eingebunde­n. Nix da mit Zweiteilun­g des Tages, nix da mit Läden dicht und drei, vier Stunden Siesta zum kochenden Mittag, nix da mit sehr spätem Abendessen, halben Nächten im Freien – denn das Büro und der Laden wollen zu den üblichen Zeiten besetzt, die Pakete ausgeliefe­rt, die Gäste bedient sein. Wer also nicht allein schon durch die drückende Hitze seufzen und sich um seinen Kreislauf sorgen muss, der gerät spätestens durch die sonst normale, nun aber beschwerli­che Taktung des Lebens ins Schwitzen statt ins Schwelgen. Dazu muss man kein notorische­r Wetternörg­ler, sondern bloß ehrlich sein. Denn zu diesem Schwelgen: Was machen etwa Florentine­r in den heißesten Sommertage­n? Sie flüchten in kühlere Gefilde, nach Norden. Bloß wir im Norden denken, die Hitze auch noch „genießen“zu müssen. Kennen Sie Ulrich Seidls großartige­n Film „Hundstage“? Die heißesten Tage des Jahres: Es ist die Hölle.

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