Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Olympia im Mini Format
EM Erstmals finden im August die European Championships statt. 4500 Athleten treten in sieben Sportarten zehn Tage lang in zwei Städten an. Was hinter dem neuen Konzept steckt
Augsburg Die Fußball-WM ist vorbei. Die Bundesliga startet erst Ende August. Sportfans sitzen auf dem Trockenen. Oder doch nicht?
Vom 2. bis 12. August finden erstmals die European Championships statt. Sieben Europameisterschaften zur selben Zeit. In Berlin und Glasgow werden an zehn Tagen mehr als 4500 Athleten aus über 50 Ländern starten. Sportfans können sich auf 188 Medaillenentscheidungen freuen. Das hört sich wie Olympia im Mini-Format an.
Leichtathletik, Radsport, Rudern, Triathlon, Turnen, Schwimmen und Golf sind die sieben Sportarten, in denen die Athleten um Medaillen kämpfen werden. Ein solches Event hat es noch nie in Europa gegeben. Alexandra Knoke koordiniert die Zusammenarbeit der zwei Städte. Die ehemalige Leichtathletin und studierte Sportmanagerin erklärt, wie es zu den European Championships kam: „Viele der Sportarten sind nicht mehr medial präsent.“Ein großes MultisportEvent sei daher eine gute Möglichkeit, alle Disziplinen ins Fernsehen zu bringen. „Andere Kontinente machen das auch, beispielsweise gibt es die Asian Games“, sagt Knoke. Sie fanden das letzte Mal 2014 in Südkorea statt – mit mehr als 9500 Athleten in 36 Sportarten und das bereits zum 17. Mal.
ARD-Teamchef Carsten Flügel beschäftigt sich schon lange mit dem Konzept eines Multisport-Events: „2010 haben wir uns von den Öffentlich-Rechtlichen und unsere Kollgen von der BBC über so etwas Gedanken gemacht.“Dann habe sich die Broadcasting
als Dachverband der europäischen öffentlich-rechtlichen Sender um die Organisation gekümmert. Dieser habe mit den Sportverbänden gesprochen. „Natürlich hat es anfangs Widerstand gegeben“, sagt der ARD-Teamchef. Allein einen gemeinsamen Termin zu finden, sei ein Problem. „Bei den Bahnradfahrern hat die WM erst vor wenigen Monaten stattgefunden, bei den Ruderern findet sie erst nach der European Championship statt“, erklärt Flügel. Ausschlaggebend für den Zeitraum 2. bis 12. August war die Leichtathletik-Europameisterschaft in Berlin, die schon lange geplant ist. „An dem Termin konnte nicht mehr gerüttelt werden“, sagt Flügel. Alle anderen sechs Sportarten finden in und um Glasgow in Schottland statt.
Auch der Deutsche Golf Verband (DGV) ist nicht ganz zufrieden mit dem Zeitpunkt der Meisterschaft. So finden gleichzeitig große Turniere in Europa und den USA statt. Deswegen werden keine Männer an der EM in Glasgow teilnehmen, sagt DGV-Sportdirektor Marcus Neumann. „Die European Championships sind eine tolle Sache und eine große Chance für den Sport insgesamt“, begrüßt aber auch er die Aktion.
Prinzipiell stehen die Verbände hinter dem Konzept. Alle unterstützen die Idee dahinter, wieder mehr mediale Präsenz zu erhalten. Peter Schmitt vom Deutschen Leichtathletik-Verband sagt: „Wir sollten uns freuen, dass es so ein Konzept gibt.“Und auch Carsten Flügel von der ARD ist von den European Championships überzeugt: „Ziel war es, die Meisterschaften zu komprimieren und zusammenzuholen“, erklärt er. Immerhin funktioniere es bei Olympia oder im Wintersport auch. In Deutschland übertragen die ARD und das ZDF die European Championships abwechselnd. Rund 300 Mitarbeiter werden an den zehn Tagen im Einsatz sein. „Vom Aufwand kommen wir nahe an die Olympischen Winterspiele heran“, sagt Flügel. Er wird sich selbst drei Tage in Glasgow ein Bild von den Meisterschaften machen, wo sich ARD und ZDF ein Studio teilen.
Ganz wie bei Olympia. Geplant sind über 100 Sendestunden mit täglichen Übertragungen vom Morgen bis in den späten Abend für die potenziell 1,3 Milliarden Zuschauer. Und auch wie bei den großen Spielen werde ständig zwischen den Entscheidungen hin- und hergeschaltet. „Das ist, was viele Zuschauer schätzen“, sagt Flügel. Wie das neue Konzept vom Publikum angenommen wird, könne er noch nicht sagen. Aber: „Ich bin überzeugt, dass es ein größerer Erfolg für die sieben Sportarten wird, als würden sie einzeln ausgetragen.“
Auch die Sportmanagerin Knoke ist gespannt. „Wir müssen schauen, wie es ankommt“, sagt sie. Ziel sei es, die European Championships 2020 fortzusetzen. Ob dann auch mehr Verbände teilnehmen werden, könne die Sportmanagerin nicht sagen. Flügel ist zuversichtlich, dass dann das Termin-Problem besser gelöst werden kann.
Über 100 Sendestunden sind eingeplant