Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das virtuelle Unwetter
Unwetterwarnungen haben sicherlich etwas Gutes. Schnell noch die Betten vom Balkon geholt, den Sonnenschirm eingezogen und alle Fenster geschlossen. Dann kann das Gewitter mit Sturm und Braus, mit Starkregen und Hagelschlag ruhig kommen. Aber wenn gar kein Gewitter aufzieht? Wenn der auffrischende Wind nur ein bisschen willkommene Abkühlung in der Sommerhitze verschafft. Wenn sich die dunklen Wolken folgenlos wieder verziehen.
Dann könnte man eigentlich doch ins Freiluftkino gehen. Tun viele aber nicht. Von ihren Wetter-Apps lassen sie sich stattdessen derart ins Bockshorn jagen, dass schließlich die virtuellen Prognosen mehr zählen als der eigene Blick zum Himmel samt meteorologischer Einschätzung nach Lebenserfahrung. „Es ist ein Fluch mit den Wetter-Apps“, stöhnt ein Kinobetreiber, der seit Jahrzehnten Open-Air-Kino anbietet. Schon frühmorgens belagern besorgte Filmfreunde seine Wetterhotline, ob denn der Abend regen- und gewitterfrei sein wird …
Die Gemeinde der Open-AirFans teilt sich deutlich in zwei Lager: Die einen hält kein Wind und Wetter von ihrem Plan ab, abends unter freiem Himmel ihren Film zu gucken. Sie haben Regenjacke und Plane dabei – und eine unverwüstlich gute Laune. Die anderen wollen ganz auf Nummer sicher gehen und meiden selbst ein geringes Risiko, dass ihr Kinoabend von einem Regentropfen getrübt werden könnte. Na klar, nass gewordenes Popcorn schmeckt scheußlich.
Letztere spannen auch gern einen ausladenden Regenschirm auf, sobald sie Feuchtigkeit auf der Haut spüren. Sollen die hinter ihnen sitzenden Kinofans sich halt irgendwie die Hälse verrenken, dass sie über das Parapluie hinweg einen Blick auf die Leinwand erhaschen. Fast wünschte man sich, sie hätten auf die Unwetterwarnungen gehört.