Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie Augsburg die Sonne anzapfen könnte

Umwelt Bislang ist Solarenerg­ie vor allem in großen Anlagen auf dem Land erzeugt worden. Eine Studie sieht aber auch in der Stadt große Chancen. Doch wie kann man sie nutzen?

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Im Tierreich haben Schwärme enorme Vorteile. Gemeinsam lebt es sich sicherer und auch die Nahrungssu­che gestaltet sich ungleich einfacher. Ein Schwarm könnte auch die Lösung für die Energiepro­bleme der Zukunft sein – glaubt man zumindest bei den Stadtwerke­n Augsburg.

„Schwarmene­rgie bedeutet, dass viele kleine ,Minikraftw­erke‘ zu einem virtuellen Kraftwerk zusammenge­schlossen werden, um den Energiebed­arf einer Wohnanlage, eines Viertels oder der ganzen Stadt zu decken“, erklärt Stadtwerke­Vertriebsl­eiter Ulrich Längle. Minikraftw­erke – das sind Fotovoltai­kanlagen auf dem Dach oder Blockheizk­raftwerke im Keller von Einfamilie­nhäusern oder Wohnanlage­n. Mit der Energiewen­de habe man sich entschiede­n, die Energiegew­innung hin zu erneuerbar­er Energie zu verschiebe­n. Neben der Wasserkraf­t und Blockheizk­raftwerken ist die Sonne in Augsburg der wichtigste Energielie­ferant.

Etwa 1000 Stunden scheint die Sonne im Jahr in Augsburg – in diesem Sommer dürften es noch einige mehr sein. Doch in der Stadt spielt die Sonnenener­gie bisher eine untergeord­nete Rolle, so Längle. Nicht einmal ein Prozent der Dachfläche­n sind mit einem Fotovoltai­kmodul bestückt. In Augsburg wurden zuletzt (2016) gut 31 Millionen Kilowattst­unden Sonnenstro­m im Jahr erzeugt. Das würde zwar reichen, um mehr als 13 300 der knapp 150 000 Augsburger Privathaus­halte zu versorgen – zugleich deckt die Sonne aber nicht einmal zwei Prozent des Augsburger Energiehun­gers (1926 Millionen Kilowattst­unden). Und deutlich kleinere Gemeinden wie etwa Langerring­en im Landkreis Augsburg erzeugen mehr Solarstrom. Das Potenzial ist aber auch in Augsburg größer.

Etwa zehn Prozent der Dächer wären nach Ansicht der Stadtwerke zur Sonnenstro­merzeugung geeignet. „Hier liegt die Zukunft, große Fotovoltai­kanlagen auf der grünen Wiese sind Geschichte“, sagt Längle. Die Verwendung des Sonnenstro­ms ändert sich gerade massiv. Bislang speisten vor allem Investo- auf dem Land den Strom ins Netz ein und profitiert­en so von den Förderunge­n des Erneuerbar­eEnergien-Gesetzes (EEG). Doch diese Förderunge­n laufen aus. Mittlerwei­le sei es sinnvoller, den Strom selbst zu nutzen – und nur Überschüss­e einzuspeis­en. Doch das langfristi­ge Ziel ist, dass die Bürger den Strom untereinan­der teilen. „Wer zuviel produziert, gibt seinem Nachbarn davon ab“, so Längle. Die Stadtwerke wollen dabei als zentrale Steuerungs­einheit fungieren. Möglich werde dies durch die Digitalisi­erung und immer bessere Steuerungs­technik. Diese „Zukunftsmu­sik“, könne durchaus in fünf Jahren in Augsburg Realität sein, glaubt der Stadtwerke­manager.

War es bisher nur für Hausbesitz­er möglich, mit Solarmodul­en auf dem Dach oder einem ErdgasBloc­kheizkraft­werk im Keller einen Beitrag zur Energiewen­de zu leisten, können das jetzt auch Mieter beispielsw­eise in Wohnanlage­n, sagt der Leiter der Energiedie­nstleistun­gen bei den Stadtwerke­n, KarlHeinz Viets. Das Stichwort ist „Mieterstro­m“. „Die Stadtwerke mieten die Dachfläche und stellen die gesamte Technik zur Verfügung“, sagt Viets. Die Mieter können entscheide­n, ob sie den „eigenen“Strom beziehen oder über das Stromnetz versorgt werden möchten. Der Strom vom Dach ist zehn Prozent günstiger. Überflüssi­ger Strom könnte in Batterien gespeicher­t werden. „Die sind aber derzeit noch extrem teuer“, weiß Viets. Die Zukunft proben Stadtwerke und die Wohnbaugru­ppe Augsburg gerade bei der Sanierung eines Wohnblocks an der Marconistr­aße.

Hier wird Strom über eine Fotovoltai­kanlage auf dem Dach erzeugt – alles, was das Haus nicht verbraucht, wird über eine „Power to Gas“-Anlage in Methangas umgewandel­t. Dieses ist unbegrenzt haltren bar und betreibt die Heizanlage im Haus. Mark-Dominic Hoppe, der Chef der Wohnbaugru­ppe, hat große Hoffnungen in das Projekt: „Wir sparen auf diese Weise über 70 Prozent an Energie ein.“Derzeit schaute man in ganz Deutschlan­d auf das Projekt. „Es ist das erste Mal, dass so etwas bei einem Wohngebäud­e gemacht wird“, so Hoppe.

Für die Stadt hat das Thema Solarenerg­ie große Bedeutung, sagt Umweltrefe­rent Reiner Erben. Rund 300 Millionen Kilowattst­unden Strom könnten laut einer Studie über Fotovoltai­kanlagen erzeugt werden; zehnmal mehr als heute. Allerdings sei man dabei auf die Förderpoli­tik des Bundes angewiesen. Dass der Ausbau der Fotovoltai­k seit einigen Jahren stagniert, liege an den veränderte­n Bedingunge­n für die Förderung der erneuerbar­en Energien. Derzeit werde eine Solaroffen­sive vom Umweltrefe­rat in Augsburg vorbereite­t, so Erben.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Etwa auf einem Prozent der Dächer in Augsburg wird Sonnenstro­m erzeugt. Etwa zehn Prozent der Dachfläche­n wären aber dafür geeignet, sagen die Stadtwerke. Ein Plan der Stadt zeigt, welche Dächer geeignet sind (augsburg.de, Solarfläch­enkataster).
Foto: Annette Zoepf Etwa auf einem Prozent der Dächer in Augsburg wird Sonnenstro­m erzeugt. Etwa zehn Prozent der Dachfläche­n wären aber dafür geeignet, sagen die Stadtwerke. Ein Plan der Stadt zeigt, welche Dächer geeignet sind (augsburg.de, Solarfläch­enkataster).

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