Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie man trotz schwieriger Zeiten gut lebt
Meitingen Seinen 90. Geburtstag feierte im Meitinger Johannesheim der in der Ukraine geborene Eduard Obermann. Obermann lebt seit sieben Jahren in dem Heim. Er ist der Sohn einer neunköpfigen Bauernfamilie. Er hat sein Leben in den Büchern „Wir, Stalins Stiefkinder“und „Erinnerungen an eine deutsche Minderheit“niedergeschrieben. Darin verdeutlicht er, was Menschen einst im Zweiten Weltkrieg erdulden mussten. Der 90-Jährige kam 1991 im Alter von 63 Jahren aus dem Nordkaukasus nach Deutschland. Er lebte zuerst in Herbertshofen, ehe er nach Augsburg und später wieder nach Meitingen zog.
Ein Gratulant war Bürgermeister Michael Higl. Der Jubilar schilderte ihm seine ergreifende Geschichte. Obermann sagte: „Mein Vater wurde 1938, da war ich gerade mal zehn Jahre alt, erschossen.“Während die meisten Kinder des Dorfes in den Sommerferien waren, musste Obermann als Sohn eines Volksfeinds von früh bis spät auf dem Feld arbeiten. Dabei kam es sogar vor, dass er vor Müdigkeit und Hitze auf dem Pferd einschlief. Als 13-Jähriger kam der Ukrainer mit seiner herzkranken Mutter im Viehtransporter nach Sibirien und musste in einer Kolchose bei kläglicher Ernährung arbeiten. Bei einem Unfall in einer Kohlegrube wurde er an der rechten Hand so schwer verletzt, dass er sie nicht mehr bewegen kann. So kam er über einige Umwege in eine pädagogische Hochschule für Fremdsprachen im Kaukasus, wo er Deutsch und Englisch unterrichtete. Bis 1981 war Obermann als Deutsch- und Englischlehrer in Schulen Sibiriens und im Nordkaukasus tätig. Im Meitinger Johannesheim fühlt sich Obermann wohl. Wenn man den Jubilar auf seinen guten Gesundheitszustand anspricht, fängt er zu schmunzeln an. „Viel Laufen, viel Bewegung sind das A und O.“Tägliche Spaziergänge um und durch Meitingen sind sein Pflichtprogramm für weitere Lebensjahre. Ein bisschen Bedenken hat er schon, ob er seinen 100. Geburtstag noch feiern kann. „Der Klimawechsel gibt mir zu denken. Wenn die Hitzewerte weiter so steigen, werden irgendwann Krokodile im Lech schwimmen“, scherzt er.
Zum großen Gratulantenkreis gehörten auch Heimleiter Stefan Poo temans, die Betreuerinnen und Pflegerinnen sowie zahlreiche Bekannte und Freunde, die er bei seinen Spaziergängen trifft.