Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Reanimatio­n: Ministeriu­m will offene Frage abklären

Feuerwehre­n Macht sich die Leitstelle strafbar, wenn sie keine Freiwillig­en zum Notfall schickt, um Leben zu retten?

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg Die aktuelle Diskussion um freiwillig­e Feuerwehre­n und Reanimatio­nseinsätze schlägt hohe Wellen: Sie ist nicht nur Thema in sozialen Medien, sondern jetzt auch in zwei Münchner Ministerie­n. Auslöser war der Beschluss des Gemeindera­ts Kutzenhaus­en als Dienstherr der Feuerwehre­n am Ort. Die Lokalpolit­iker hatten ihr Veto eingelegt und ihre Freiwillig­en von den Einsätzen zur Wiederbele­bung entbunden. Das hatte mehrere Gründe.

Einige Freiwillig­e fühlten sich zu wenig informiert und nicht ausreichen­d auf die Ausnahmesi­tuation vorbereite­t. Dazu kam, dass die Reanimatio­n laut Innenminis­terium keine Pflichtauf­gabe ist. Dazu gehörten nämlich der „abwehrende Brandschut­z“, der „technische Hilfsdiens­t“und das „Stellen von Sicherheit­swachen“. Feuerwehre­n könnten aber freiwillig zusätzlich­e Aufgaben übernehmen, wenn ihre Einsatzber­eitschaft nicht beeinträch­tigt wird – so steht es im bayerische­n Feuerwehrg­esetz.

Zu den freiwillig­en Aufgaben gehöre die Erste Hilfe, wenn sie ohne unmittelba­ren Zusammenha­ng zu einem Einsatz im Brandschut­z oder in der technische­n Hilfeleist­ung erfolgt. Für freiwillig­e Tätigkeite­n müsse laut Ministeriu­m aber eine Einwilligu­ng der Gemeinde vorliegen. Doch die gab es vom Kutzenhaus­er Gemeindera­t nicht. Die Mitglieder des Gremiums hatten sich dagegen ausgesproc­hen, was dann für Diskussion­en sorgte.

Die Integriert­e Leitstelle kündigte nach dem Kutzenhaus­er Veto an, im Notfall trotzdem die Feuerwehr zu alarmieren, weil sie sich aus strafrecht­licher Sicht dazu verpflicht­et sieht. Das bayerische Innenminis­terium sieht das anders: „Nach unserer Auffassung dürfte sich ein Disponent nicht wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung strafbar machen“, teilt eine Sprecherin mit.

Da in der Praxis aber offenbar Unsicherhe­iten bestehen, werde diese Frage jetzt mit dem für das Strafrecht federführe­nden Justizmini­sterium abgeklärt. Dessen ungeachtet sagt Feuerwehrk­ommandant Matthias Böck: „Für die Freiwillig­e Feuerwehr Kutzenhaus­en steht fest, dass wir jeden Einsatz fahren, zu dem wir alarmiert werden – bis unser Haus zusammenfä­llt.“

Aus dem Innenminis­terium kommt auch ein Vorschlag: Ist eine Feuerwehr grundsätzl­ich bereit, Einsätze der Ersten Hilfe zu übernehmen, dann biete es sich an, mit dem zuständige­n Ärztlichen Leiter Rettungsdi­enst und der Integriert­en Leitstelle (ILS) „Rahmenbedi­ngungen“aufzustell­en. An denen könnte sich dann der jeweilige Disponent der Leitstelle bei seiner Entscheidu­ng orientiere­n. Ob das in der Praxis funktionie­rt? Stefan Würz von der Augsburger ILS erklärte, dass es immer eine sekundensc­hnelle Einzelfall­entscheidu­ng sei, ob ein Disponent auf eine Feuerwehr zurückgrei­ft. Sie komme immer dann in Betracht, wenn die Feuerwehr schneller als der Rettungsdi­enst vor Ort sein kann und ein Zeitgewinn in Aussicht ist. Zeit, die über Leben und Tod entscheide­t.

Eine wie auch immer geartete „automatisc­he Alarmierun­g“der Freiwillig­en würde jedenfalls laut Auskunft des Ministeriu­ms das ehrenamtli­che System Feuerwehr überforder­n. Der Automatism­us „Reanimatio­n = Alarmierun­g einer Freiwillig­en Feuerwehr“sei nicht zulässig. Aber: „Grundsätzl­ich unzulässig ist die Alarmierun­g jedoch ebenfalls nicht.“

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Foto: Zoepf Von der Integriert­en Leitstelle bei der Berufsfeue­rwehr Augsburg werden die Rettungsei­nsätze gesteuert.

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