Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Reanimation: Ministerium will offene Frage abklären
Feuerwehren Macht sich die Leitstelle strafbar, wenn sie keine Freiwilligen zum Notfall schickt, um Leben zu retten?
Landkreis Augsburg Die aktuelle Diskussion um freiwillige Feuerwehren und Reanimationseinsätze schlägt hohe Wellen: Sie ist nicht nur Thema in sozialen Medien, sondern jetzt auch in zwei Münchner Ministerien. Auslöser war der Beschluss des Gemeinderats Kutzenhausen als Dienstherr der Feuerwehren am Ort. Die Lokalpolitiker hatten ihr Veto eingelegt und ihre Freiwilligen von den Einsätzen zur Wiederbelebung entbunden. Das hatte mehrere Gründe.
Einige Freiwillige fühlten sich zu wenig informiert und nicht ausreichend auf die Ausnahmesituation vorbereitet. Dazu kam, dass die Reanimation laut Innenministerium keine Pflichtaufgabe ist. Dazu gehörten nämlich der „abwehrende Brandschutz“, der „technische Hilfsdienst“und das „Stellen von Sicherheitswachen“. Feuerwehren könnten aber freiwillig zusätzliche Aufgaben übernehmen, wenn ihre Einsatzbereitschaft nicht beeinträchtigt wird – so steht es im bayerischen Feuerwehrgesetz.
Zu den freiwilligen Aufgaben gehöre die Erste Hilfe, wenn sie ohne unmittelbaren Zusammenhang zu einem Einsatz im Brandschutz oder in der technischen Hilfeleistung erfolgt. Für freiwillige Tätigkeiten müsse laut Ministerium aber eine Einwilligung der Gemeinde vorliegen. Doch die gab es vom Kutzenhauser Gemeinderat nicht. Die Mitglieder des Gremiums hatten sich dagegen ausgesprochen, was dann für Diskussionen sorgte.
Die Integrierte Leitstelle kündigte nach dem Kutzenhauser Veto an, im Notfall trotzdem die Feuerwehr zu alarmieren, weil sie sich aus strafrechtlicher Sicht dazu verpflichtet sieht. Das bayerische Innenministerium sieht das anders: „Nach unserer Auffassung dürfte sich ein Disponent nicht wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen“, teilt eine Sprecherin mit.
Da in der Praxis aber offenbar Unsicherheiten bestehen, werde diese Frage jetzt mit dem für das Strafrecht federführenden Justizministerium abgeklärt. Dessen ungeachtet sagt Feuerwehrkommandant Matthias Böck: „Für die Freiwillige Feuerwehr Kutzenhausen steht fest, dass wir jeden Einsatz fahren, zu dem wir alarmiert werden – bis unser Haus zusammenfällt.“
Aus dem Innenministerium kommt auch ein Vorschlag: Ist eine Feuerwehr grundsätzlich bereit, Einsätze der Ersten Hilfe zu übernehmen, dann biete es sich an, mit dem zuständigen Ärztlichen Leiter Rettungsdienst und der Integrierten Leitstelle (ILS) „Rahmenbedingungen“aufzustellen. An denen könnte sich dann der jeweilige Disponent der Leitstelle bei seiner Entscheidung orientieren. Ob das in der Praxis funktioniert? Stefan Würz von der Augsburger ILS erklärte, dass es immer eine sekundenschnelle Einzelfallentscheidung sei, ob ein Disponent auf eine Feuerwehr zurückgreift. Sie komme immer dann in Betracht, wenn die Feuerwehr schneller als der Rettungsdienst vor Ort sein kann und ein Zeitgewinn in Aussicht ist. Zeit, die über Leben und Tod entscheidet.
Eine wie auch immer geartete „automatische Alarmierung“der Freiwilligen würde jedenfalls laut Auskunft des Ministeriums das ehrenamtliche System Feuerwehr überfordern. Der Automatismus „Reanimation = Alarmierung einer Freiwilligen Feuerwehr“sei nicht zulässig. Aber: „Grundsätzlich unzulässig ist die Alarmierung jedoch ebenfalls nicht.“