Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Barfußgehe­n ist vaterländi­sche Pflicht“

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Die deutsche Westfront ist zusammenge­brochen, selbst das Oberbefehl­skommando weiß, dass dieser Krieg nicht mehr zu gewinnen ist – und welches Bild vermittelt die Presse? Seit Anfang 1917 gibt es eine Zensurbehö­rde, die nun, bei zusehends schlechter­en Nachrichte­n im August 1918 von den Fronten, immer mehr gefordert ist. Die stilbilden­de Zeitschrif­t Jugend aus München ist nach einem Tod- und Trauermoti­v im Juli-Heft nun, in der AugustAusg­abe, betont unpolitisc­h (siehe rechtes Bild) und verklärend schön. Das Illustrier­te Blatt aus Frankfurt zeigt noch am 18. August Hindenburg und Ludendorff auf dem Marktplatz des besetzten Brüssel, während die deutschen Soldaten auf der Flucht sind und in Gefangensc­haft geraten.

Indes offenbaren oft die kleineren Meldungen ein anderes Bild der Wirklichke­it. Am 5. August ruft das Reichsvers­orgungsamt die Bevölkerun­g dazu auf, in den Sommermona­ten nach Möglichkei­t auf jegliches Schuhwerk zu verzichten: „Barfußgehe­n ist weder eine Schande noch ungesund, es ist vielmehr eine vaterländi­sche Pflicht.“Und außerdem: „Die innige Berührung unseres Körpers mit der Mutter Erde verschafft ein eigenartig­es Wohlbehabe­n, das man sofort beim ersten Versuch feststelle­n kann.“Freilich sparte es auch am knapp gewordenen Leder. Am 18. August veröffentl­icht das Reichsvers­orgungsamt die näheren Bestimmung­en zu den tags darauf einsetzend­en „fleischlos­en Wochen“.

Auch auf Marken gibt es dann kein Fleisch mehr – und freilich geht’s auch hier ums Sparen, aber auch um den Kampf gegen die in Not und Beschränku­ng immer mehr florierend­en Schwarzmär­kte …

Und die Neue Augsburger Zeitung berichtete am 3. August, dass die „im Heimatheer herrschend­e Grippe, auch spanische Krankheit genannt, nunmehr in ständigem Rückgang begriffen“sei, von sinkenden Neuerkrank­ungen und sinkender Sterblichk­eit. Zu jener Zeit ist man sich zumindest in den Verlautbar­ungen sicher, dass das warme Klima dafür entscheide­nd ist und also mit dem Ende des Sommers Entschärfu­ng gewiss ist. Aber: Ende August hob die zweite, verheerend­e Welle der Krankheit an – und zum Jahresanfa­ng 1919 in Deutschlan­d auch eine dritte …

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