Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit dem Zug auf Reisen durch Europa

Urlaub Ein Ticket, eine Woche, 30 Länder. Unser K!ar.Texter Simon reist in seinen Semesterfe­rien per Interrail. Seine erste Etappe führt ihn in Richtung Süden in die Schweiz. Hier berichtet er dir von seinen Erlebnisse­n und Erfahrunge­n / Serie (1)

- VON SIMON NEIDINGER

Landkreis Augsburg Es ist Mittwochmo­rgen, kurz vor halb acht. Ich stehe am Bahnhof in Schwabmünc­hen und warte auf meinen Zug. Da ist an sich nichts Ungewöhnli­ches, das mache ich eigentlich fast jeden Mittwoch. Doch dieses Mal fahre ich nicht nach Augsburg, sondern nach Süden. Dieses Mal geht es nicht als Pendler zur Uni, sondern als Urlauber auf Reisen durch Europa. Ich bin gespannt auf die kommenden 15 Tage, denn sie werden mit Sicherheit etwas ganz Besonderes. Es geht nicht an ein einzelnes Urlaubszie­l, sondern an viele verschiede­ne.

Möglich wird das mit einem Interrailt­icket und dem Rotary Club Schwabmünc­hen. Dieser verloste im Frühjahr insgesamt 30 dieser Interrailt­ickets an Jugendlich­e und junge Erwachsene, die sich im Raum Schwabmünc­hen ehrenamtli­ch engagieren. Auch ich bewarb mich für ein Ticket und hatte Glück. Aber was genau ist eigentlich ein Interrailt­icket?

Mit einem Interrailt­icket kann man mit dem Zug durch ganz Europa reisen. Das Ticket gilt dabei für fast alle Züge in 30 Ländern. Für manche wird allerdings zusätzlich eine Sitzplatzr­eservierun­g fällig. Die Gültigkeit­sdauer des Tickets ist aber beschränkt. Mein Ticket umfasst zum Beispiel sieben Reisetage, die innerhalb eines Monats liegen müssen. Dabei muss ich zusätzlich darauf achten, dass ich am ersten Tag aus meinem Heimatland ausreisen muss und erst am letzten Tag wieder in meine Heimat zurückkehr­en darf.

Ich habe mich dafür entschiede­n, Deutschlan­d in Richtung Süden zu verlassen. Zunächst geht es mit der Regionalba­hn nach Buchloe, von dort aus weiter mit dem Eurocity nach St. Margrethen in der Schweiz. Nach einer gefühlt endlosen Bummelfahr­t in und um Lindau herum geht es schließlic­h zügig weiter nach Chur. Dort erwartet mich der Höhepunkt des heutigen Tages, der Glacierexp­ress. Der knallrote Zug mit den gigantisch­en Fenstern bringt mich in ungefähr sechs Stunden nach Zermatt. Der Weg dorthin ist eine der schönsten und beeindruck­endsten Bahnpanora­mastrecken der Schweiz. Beginnend mit der großen Rheinschlu­cht geht es weiter durch die bergige Landschaft von Graubünden. Vorbei an unzähligen kleinen Alpendörfe­rn und Hütten, die an den Hängen der über 3000 Meter hohen Berge wie kleine Spielzeugh­äuser aussehen, führt die Strecke zum Oberalppas­s, dem höchsten Punkt der Fahrt auf über 2000 Meter über dem Meeresspie­gel.

Gerade oben angekommen geht es gleich wieder bergab. Dutzende Tunnel später passiert der Zug die Stadt Visa mit ihren unzähligen kleinen Weingütern entlang der Hänge und verschwind­et schließlic­h im Tal Richtung Zermatt. Der Glacierexp­ress schlängelt sich mit seinem Zahnrad die engen Kurven weiter und weiter nach oben.

Die Berge um uns herum werden immer höher, sogar der ein oder andere Gletscher ist zu sehen. Kurz vor Zermatt wird es unruhig im Zug. Das bunt gemischte, internatio­nale Publikum ist aufgeregt, denn am Ende des Tals ist es zu sehen, das Wahrzeiche­n von Zermatt: das eindrucksv­olle felsige Massiv des Matterhorn­s mit 4478 Metern Höhe. Erschöpft, aber glücklich steige ich aus dem Zug, laufe die kurze Strecke bis zu meinem Hotel und falle müde ins Bett.

Am nächsten Morgen mache ich mich auf den Weg nach Sunnegga. Die Bergstatio­n liegt auf über 2200 Metern und ist in weniger als fünf Minuten mit einer unterirdis­chen Standseilb­ahn von Zermatt aus zu erreichen. Oben angekommen ergibt sich ein beeindruck­ender Ausblick auf das Matterhorn. Umgeben von zahlreiche­n Wanderwege­n, liegt knapp unterhalb der Station des als „Badeparadi­es von Zermatt“bekannten Leisees. In Anbetracht der stechenden Mittagsson­ne kommt eine Abkühlung gerade richtig. Am Nachmittag geht es wieder Richtung Tal und von dort aus weiter zur Gornerschl­ucht. Durch sie führt ein Bergbach, der die großen, mächtigen Felsen über Jahrtausen­de hinweg immer weiter ausgespült hat.

Nach einer kurzen Wanderung durch die Schlucht besuche ich das Matterhorn­museum, dass die dramatisch­e Geschichte von der Erstbestei­gung des Matterhorn­s erzählt und einen Einblick in die Vergangenh­eit von Zermatt ermöglicht. Und eben diese Vergangenh­eit ist an manchen Stellen nach wie vor zu sehen. So sind im Ortskern von Zermatt teils fast 500 Jahre alte Stadel und Speicher erhalten, die im Gegensatz zu den Luxusbouti­quen eine ganz besondere Atmosphäre ausstrahle­n.

Am nächsten Morgen komme ich beim Check-out mit der Dame an der Hotelrezep­tion ins Gespräch. Ich erzähle ihr, dass mein Weg heute weiter nach Genf führt. Sie empfiehlt mir, nach Visp unbedingt auf der linken Zugseite zu sitzen. Von dort habe man einen tollen Ausblick auf den Genfersee. In Visp angekommen folge ich ihrem Ratschlag und sie hat nicht zu viel versproche­n: Die Bahnlinie verläuft teils direkt am Ufer des Sees. Im klaren und ruhigen Wasser spiegelt sich die Mittagsson­ne.

Am frühen Nachmittag erreiche ich schließlic­h Genf, gehe zum Hotel und dann gleich weiter in die Stadt. Und ich bin von Anfang an beeindruck­t. Genf ist beeindruck­end, weil die Stadt einfach anders ist, und das in jederlei Hinsicht.

Der Nahverkehr ist für Touristen beispielsw­eise kostenlos. Auch die Sehenswürd­igkeiten sind außergewöh­nlich. Hier stehen keine Kirche und kein Museum im Mittelpunk­t, sondern zum Beispiel der Hauptsitz der Vereinten Nationen und die über 120 Meter hohe Fontäne im See. Noch beeindruck­ter bin ich jedoch

Kurz vor Zermatt werden die Reisenden unruhig: Denn gleich fährt der Zug am Matterhorn vorbei

Als Physikstud­ent in Genf zur bekanntest­en wissen schaftlich­en Einrichtun­g der Welt: das Cern

von den Menschen. Das gesamte Genfer Leben scheint sich im und am See abzuspiele­n. Tausende Menschen sind am Abend an den Uferpromen­aden unterwegs. Dazu gibt es zahlreiche Artisten, Musik, Bars, Cafés und Grünfläche­n, die zum Verweilen einladen. Am späten Abend dann ein ganz besonderer Moment: die Mondfinste­rnis. Der rot schimmernd­e Mond steht über dem Genfersee und bildet gemeinsam mit der hell erleuchtet­en Fontäne einen traumhafte­n Anblick.

Nach der eindrucksv­ollen Nacht, geht es am nächsten Morgen für mich schon sehr früh wieder los. Ich bin ein wenig aufgeregt, denn heute folgt der eigentlich­e Grund, warum ich als Physikstud­ent in Genf bin. Es geht zur wohl bekanntest­en wissenscha­ftlichen Einrichtun­g der Welt: zum Cern. Ich hatte das Glück, im Vorfeld meiner Reise einen der begehrten Plätze in einer Führung durch die Einrichtun­g zu ergattern. Gemeinsam mit etwa 20 anderen Teilnehmer­n besichtige ich einen ausrangier­ten Teilchenbe­schleunige­r und das Kontrollze­ntrum des Teilchende­tektors Atlas. Nach der Führung geht es für mich weiter in die beiden Ausstellun­gen „Universe of Particles“und „Microcosm“, die einen tiefen Einblick in die Arbeit rund um den großen Teilchenbe­schleunige­r LHC geben und den Hintergrun­d der dortigen Grundlagen­forschung genauer beleuchten. Den Abend lasse ich dann wieder am Ufer des Sees ausklingen, bevor ich mich am nächsten Tag auf nach Paris mache.

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So geht’s weiter Simon Neidinger nimmt euch auch zur nächsten Folge der Interrail Serie mit auf seine nächste Etappe mit dem Zug durch Europa. Für den Stu denten geht es dann nach Frankreich.

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Fotos: Simon Neidinger (5), obs/Deutsche Bahn AG/Andrea Badrutt (1) Auf der ersten Etappe seiner Interrail Reise geht es für den 20 jährigen Simon Neidinger aus Schwabmünc­hen Richtung Süden. Der knallrote Zug des Glacierexp­resses bringt den Studenten nach Zermatt, vorbei am eindrucksv­ollen Matterhorn.
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