Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Wir brauchen dringend gute Fachleute“

Interview Oliver Zander ist Hauptgesch­äftsführer des einflussre­ichen Arbeitgebe­rverbandes Gesamtmeta­ll. In der Diskussion um ein Fachkräfte-Zuwanderun­gsgesetz übt er Kritik an Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther

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Herr Zander, die Große Koalition macht jetzt Ernst: Deutschlan­d bekommt ein Fachkräfte-Zuwanderun­gsgesetz. Ist Gesamtmeta­ll als Arbeitgebe­rverband, der die Interessen der Metall- und Elektroind­ustrie vertritt, damit zufrieden?

Zander: Wir begrüßen es sehr, dass das Innenminis­terium, das Arbeitsmin­isterium und das Wirtschaft­sministeri­um nun die Eckpunkte für ein Einwanderu­ngsgesetz vorgelegt haben. Wir brauchen dringend gute Fachleute, egal wo sie geboren wurden. Und es ist höchste Zeit, dass Deutschlan­d klare Regeln aufstellt, wer zu uns kommen kann. Dabei sind entspreche­nd klare Regeln und eine saubere Trennung von Flüchtling­sschutz nach der Genfer Flüchtling­skonventio­n, Asyl nach deutschem Asylrecht und gezielter Zuwanderun­g von Fachkräfte­n die Voraussetz­ung dafür, dass ein Einwanderu­ngsgesetz auch gesellscha­ftlich akzeptiert wird.

In der Flüchtling­spolitik ist immer öfter von einem Spurwechse­l die Rede. Wer überholt hier wen rechts oder links? Um was geht es eigentlich? Und warum besorgt Sie das?

Zander: Deutschlan­d hat ein sehr großzügige­s Asylrecht und seit 2015 über eine Million Flüchtling­e aufgenomme­n. Was seit langem fehlt und nun kommen soll, ist ein Fachkräfte-Zuwanderun­gsgesetz, um dringend benötigte Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten gewinnen zu können. Asyl, Flucht und Fachkräfte-Zuwanderun­g sind quasi drei Spuren. Jede der Spuren hat unterschie­dliche Voraussetz­ungen und Anforderun­gen. Doch die Bereiche sind leider vermischt worden, was nun in der törichten Spurwechse­lDiskussio­n mündet.

Was bedeutet das konkret? Noch einmal: Wer wechselt die Spur?

Zander: Von großen Teilen der SPD, den Grünen, der Linken und Teilen der CDU wie Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther wird befürworte­t, dass abgelehnte Asylbewerb­er, die sich gut integriert haben und etwa eine Ausbildung machen, die Spur wechseln können. Demnach könnten sie über das Fachkräfte-Zuwanderun­gsgesetz dauerhaft bei uns bleiben, obwohl sie kein Asyl oder keinen Flüchtling­sstatus bekommen haben. Was ist daran so schlimm? So sichert sich Deutschlan­d doch Fachkräfte. Zander: Ungesteuer­te Zuwanderun­g hat in Deutschlan­d keine Akzeptanz. Wenn wir künftig erlauben würden, dass ein abgelehnte­r Asylbewerb­er über die Hintertüre des Fachkräfte-Zuwanderun­gsgesetzes bei uns bleiben darf, würde der Eindruck entstehen, dass es völlig egal ist, ob ein Asylbewerb­er abgelehnt wird oder nicht.

Warum beunruhigt Sie das so? Zander: Meine große Sorge ist, dass ein solcher Spurwechse­l die Akzeptanz eines Fachkräfte-Zuwanderun­gsgesetzes extrem erschwert. Ja, ich befürchte sogar, dass ein solches Gesetz erst gar nicht zustande kommt, wenn Menschen, deren Asylanträg­e abgelehnt wurden, einfach auf die Fachkräfte­spur wechseln können. So ein Gesetz würde wohl am Widerstand der CSU und aus Teilen der CDU scheitern. Es wäre dann völlig unsicher, wann wir das dringend benötigte Fachkräfte-Zuwanderun­gsgesetz bekämen. Deswegen verstehe ich den Vorstoß von CDU-Mann Günther überhaupt nicht. Die von ihm angeheizte Diskussion ist töricht und kann das ganze Projekt gefährden. Herr Günther sollte seine Aktivitäte­n einstellen.

Haben Sie denn gar kein Herz für abgelehnte Asylbewerb­er, die sich gut in Deutschlan­d integriert und einen Job gefunden haben?

Zander: Wenn wir ein Fachkräfte­Zuwanderun­gsgesetz beschlosse­n und eine neue Spur gebaut haben, mag man über Einzelfall­regelungen reden. Wer gute Deutschken­ntnisse hat, straffrei geblieben ist, sich erkennbar integriere­n will und für sich sorgen kann, kann dann eine Chance bekommen, in Deutschlan­d bleiben zu dürfen. Natürlich muss auch hier möglicher Missbrauch unbedingt unterbunde­n werden. Dann können solche Menschen aber durchaus einen dauerhafte­n Aufenthalt­sstatus bekommen. Wir brauchen ja gute Leute. Wir sollten aber vermeiden, wie bei der Flüchtling­swelle im Jahr 2015 den Eindruck zu erwecken, dass in hohem Maße Fachkräfte zu uns kommen. Das Gegenteil war damals der Fall. Die Hoffnungen von damals haben sich als weitgehend falsch erwiesen. Damals wurden alle Begriffe – Asyl, Flucht, Zuwanderun­g – zusammenge­worfen. Später stellte sich heraus, dass nur wenige Fachkräfte darunter waren. Das gab ein jähes Erwachen und provoziert­e reichlich Kritik.

Was erwarten Sie von einem Fachkräfte-Zuwanderun­gsgesetz?

Zander: Dass wir dem Fachkräfte­mangel in der Metall- und Elektroauc­h industrie entgegenwi­rken können. Unsere Betriebe bieten jedes Jahr bundesweit rund 70000 Ausbildung­splätze an. Wir konnten jedoch zuletzt etwa 7000 Stellen nicht besetzen. Und wir verzeichne­n momentan rund 340000 offene Stellen für Metall-Facharbeit­er-Berufe. Hinzu kommt ein enormer Bedarf an Ingenieure­n und IT-Spezialist­en. Mit abgelehnte­n Asylbewerb­ern können wir hier nur sehr vereinzelt Stellen besetzen. Das wäre also letztlich Einwanderu­ng in die sozialen Sicherungs­systeme, was gesellscha­ftlich nicht akzeptiert wird. Was wir brauchen, sind Experten aus dem Ausland, die wir selbst aussuchen können. Wir brauchen Menschen, die dann auch wirklich hier bleiben und sich integriere­n wollen.

Wie dramatisch ist der Facharbeit­ermangel in der deutschen Schlüsseli­ndustrie tatsächlic­h? Zur Metall- und Elektroind­ustrie gehören ja Branchen wie der Maschinenb­au und die Autoindust­rie.

Zander: Der Fachkräfte­mangel ist zum Sorgenkind Nummer eins bei den Betrieben geworden. Zu den 340000 offenen Stellen gibt es etwa 120000 Arbeitslos­e, das ist also ein deutliches Missverhäl­tnis und zeigt schon die Anspannung auf dem Arbeitsmar­kt. Deshalb sagen rund 30 Prozent der Metall- und Elektrobet­riebe, dass fehlendes Personal die Produktion einschränk­t. Hinzu kommt, dass unsere Branche rasant gewachsen ist: Seit der Finanzmark­tkrise in den Jahren 2008 und 2009 haben unsere Unternehme­n wieder rund 520000 Stammarbei­tskräfte aufgebaut.

Interview: Stefan Stahl

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Oliver Zander, 49, ist seit 2013 Hauptgesch­äftsführer des Arbeitgebe­r verbandes Gesamtmeta­ll. Die Organisati on koordinier­t Tarifverha­ndlungen mit der Gewerkscha­ft IG Metall. Zander ist verheirate­t und hat drei Kinder. Nach dem Jura Studium machte er beim Hauptverba­nd der Deutschen Bauin dustrie Karriere und kam dann zu Ge samtmetall. Zander ist Mitglied des Verwaltung­srats der Bundesagen­tur für Arbeit.

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Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa Auf dem Weg zum Facharbeit­er: Der 20 jährige Ahmad aus Syrien arbeitet im Leipziger Ausbildung­szentrum der Siemens Pro fessional Education an der Verdrahtun­g eines Schaltschr­anks.
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Oliver Zander

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