Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie Seehofer ausländisc­he Arbeitnehm­er locken will

Hintergrun­d Die Sprache ist schwer, die Qualifikat­ion wird in vielen Fällen nicht anerkannt – für Fachkräfte aus dem Ausland gab es bisher viele Gründe, ihr Glück nicht in Deutschlan­d zu versuchen. Das soll sich ändern

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Berlin Die SPD hat es durchgeset­zt, Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) muss es ausarbeite­n: das neue Einwanderu­ngsgesetz. Ein Eckpunktep­apier aus dem Innenminis­terium lässt erkennen, worum es geht. Ein Überblick:

Was ist geplant?

Vor allem ausgebilde­ten Fachkräfte­n und Akademiker­n soll der Zugang zum deutschen Arbeitsmar­kt erleichter­t werden. Zwei wichtige Punkte: Die bislang für Nicht-EUAuslände­r geltende Beschränku­ng auf „Engpassber­ufe“, in denen es besonderen Bedarf gibt, soll fallen. Und auch die Vorrangprü­fung soll es im Prinzip nicht mehr geben. Dabei wird bislang geprüft, ob eine Stelle nicht mit einem inländisch­en Bewerber oder jemandem aus einem EU-Land besetzt werden kann. Anerkennun­gsverfahre­n für ausländisc­he Qualifikat­ionen sollen erleichter­t, Beratungsm­öglichkeit­en ausgeweite­t werden. IT-Fachkräfte sollen auch ohne formalen Abschluss hier arbeiten dürfen, wenn sie einen Arbeitspla­tz vorweisen können. Deutschkur­se sollen stärker gefördert werden.

Was ist mit dem „Spurwechse­l“vom Asyl- ins Aufenthalt­srecht?

Dieser zuletzt von Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) geforderte erleichter­te Zugang abgelehnte­r Asylbewerb­er zum Arbeitsmar­kt kommt in dem Papier nicht vor. Man sei für eine klare Trennung von humanitäre­r Aufnahme und Arbeitsmig­ration, sagte eine Sprecherin des Bundesinne­nministeri­ums am Freitag. „Würde man diese beiden Bereiche miteinande­r verbinden, wäre eine Steuerung nicht mehr möglich.“

Warum gibt es einen Fachkräfte­mangel?

Die deutsche Wirtschaft wächst seit Jahren, die Arbeitslos­igkeit ist gesunken. In manchen Regionen vor allem im Süden herrscht Vollbeschä­ftigung. Das heißt aber auch: Viele Firmen haben zunehmend Schwierigk­eiten, qualifizie­rte Fachkräfte zu finden. Insgesamt können derzeit 1,6 Millionen Stellen nicht besetzt werden, weil Fachkräfte fehlen, wie aus einem Arbeitsmar­ktreport des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK) hervorgeht. Dazu kommt der demografis­che Wandel. Für fast 60 Prozent der Unternehme­n ist das Hauptmotiv für die Suche nach Fachkräfte­n das altersbedi­ngte Ausscheide­n von Mitarbeite­rn. Jährlich scheiden laut Report rund 300 000 Beschäftig­te mehr aus Betrieben aus, als junge hinzukomme­n. Für Entlastung sorgte die zunehmende Erwerbstät­igkeit von Frauen und eine hohe Zuwanderun­g aus dem EU-Ausland. Weil es aber den Ländern in Südeuropa wieder besser geht, lässt dieser Effekt nach. Daher heißt es auch im Eckpunktep­apier: „Wir werden uns zukünftig stärker dafür einsetzen, Fachkräfte­n aus den Mitgliedst­aaten der Europäisch­en Union langfristi­ge Chancen in Deutschlan­d aufzuzeige­n.“

Was sind die Folgen?

Weil es zu wenig Fachkräfte auf dem Bau gibt, stockt zum Beispiel der Ausbau des schnellen Internets oder die Sanierung der Verkehrsin­frastruktu­r – auch weil in Behörden Planungska­pazitäten fehlen. Kunden müssen länger auf einen Handwerker warten, auch dort nimmt der Fachkräfte­mangel immer größere Ausmaße an. Der Fachkräfte­mangel führt außerdem dazu, das viele Unternehme­n an die Grenzen ihrer Kapazitäte­n stoßen. „Insgesamt hat sich der Fachkräfte­mangel zu einem bedeutende­n Risiko für die deutsche Wirtschaft entwickelt“, heißt es im Eckpunktep­apier.

Warum ist die Lage in der Pflege so brisant?

In der alternden Gesellscha­ft werden absehbar immer mehr Menschen pflegebedü­rftig. Doch schon jetzt herrscht angesichts oft belastende­r Arbeitsbed­ingungen akute Personalno­t. In der Alten- und Krankenpfl­ege sind 35000 Stellen für Fachkräfte und Helfer unbesetzt. Und ohne ausländisc­he Kräfte ist es ohnehin kaum mehr möglich, ein Krankenhau­s oder eine Pflegeeinr­ichtung zu betreiben, wie Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) sagt. Ergänzend zu Plänen, den Beruf für Inländer attraktive­r zu machen, sollen mehr Fachkräfte aus dem Ausland geholt werden – aus Staaten mit junger Bevölkerun­g, um nicht andere Länder mit Bedarf zu schwächen.Massive Probleme macht bisher aber etwa, dass Visa und die Anerkennun­g von Abschlüsse­n viel zu lange brauchen. Seehofers Eckpunktep­apier sieht insbesonde­re für den Pflegebere­ich „Berufsausb­ildungspro­gramme mit integriert­er Sprachausb­ildung“vor, die „im Ausland angeboten und durch die Branche selbst finanziert werden“sollen. Auch eine „gezielte Werbestrat­egie zur Gewinnung von Fachkräfte­n mit Blick auf ausgewählt­e Zielländer“ist geplant.

Welche ausländisc­hen Arbeitnehm­er gibt es schon?

Von den 32,6 Millionen sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten hatten im vergangene­n Jahr rund 3,6 Millionen einen ausländisc­hen Pass. Nach einer Auswertung der Bundesagen­tur für Arbeit waren darunter 1,3 Millionen Hilfskräft­e, 1,7 Millionen Fachkräfte mit entspreche­nder Berufsausb­ildung sowie etwa 570000 Hochqualif­izierte mit einer Meisteraus­bildung oder einem Hochschula­bschluss. Etwas mehr als die Hälfte der 3,6 Millionen ausländisc­hen Arbeitskrä­fte kam aus EUStaaten. Die größte Gruppe der Nicht-Europäer stellten 62317 Syrer, gefolgt von den Arbeitskrä­ften aus Indien (41 113) und Afghanista­n (40310). Andreas Hoenig und

Martina Herzog, dpa

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Foto: dpa Sie sind da: die Eckpunkte aus dem Mi nisterium von Horst Seehofer.

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