Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was bedeutet die Währungskr­ise der Türkei?

Kolumne Der Verfall der Lira belastet deutsche Exporte. Womit Aktionäre rechnen müssen

- VON ROBERT HALVER rat@augsburger allgemeine.de

Die Währung ist der Aktienkurs eines Landes. Angesichts des dramatisch­en Verfalls der türkischen Lira haben wir es also mit einem „Mega-Crash“zu tun. Dabei war die Türkei früher ein wahrer Outperform­er, ein Star. In seiner Amtszeit als Ministerpr­äsident ab 2002 hat ein gewisser Herr Erdogan eine marode türkische Volkswirts­chaft mit harten Wirtschaft­sreformen in eine blühende Landschaft verwandelt. Doch dann wiederholt­en sich die typischen Fehler von Schwellenl­ändern. Um hohes Wirtschaft­swachstum und persönlich­es Ansehen beim Wahlvolk zu erreichen, folgte hemmungslo­ses Kreditwach­stum von Unternehme­n und Privatpers­onen mit staatliche­n Garantien, die risikoblin­d machten. Und die türkische Notenbank wurde als Gelddruckm­aschine missbrauch­t. Die Frage ist nun, ob die Währungskr­ise der Türkei eine Gefahr für die Finanzwelt wird.

Der türkische Exportmark­t wird für Europa sicher Schaden nehmen. Denn je stärker der Kursverfal­l der türkischen Lira, umso schwächer die Kaufkraft der Kunden am Bosporus für deutsche Exportgüte­r. Auf der deutschen Hitliste der Handelspar­tner steht die Türkei mit Platz 16 allerdings nicht weit vorne.

Bedenklich­er ist die türkische Krise für Europas Banken. Circa 200 Milliarden Euro stehen im türkischen Kreditfeue­r. Theoretisc­h ist das der Stoff, aus dem die Albträume der Finanzindu­strie sind. Praktisch wäre es aber absurd, wenn die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) nach zehn Jahren der kontinuier­lichen geldpoliti­schen Rettung Europas jetzt eine massive Bankenkris­e zuließe, welche die EU und die Eurozone konjunktur­ell und (sozial-)politisch so stark schwächte, dass der europäisch­e Zusammenha­lt verloren geht. Nein, solange es Krisen gibt, wird auch morgen und übermorgen noch fröhliche Rettungsmu­sik aus allen Radios der EZB ertönen.

Selbst die Angsthasen an den westlichen Aktienmärk­ten zeigen sich nach anfänglich­er Nervosität zuletzt weniger irritiert: Nach zahllosen Krisen aller Art seit 2008 haben sich Aktienanle­ger viel Hornhaut zugelegt. Auch eine Währungskr­ise in der Türkei wird keinen Crash auslösen.

Robert Halver ist Leiter des Bereichs Kapitalmar­kt analyse der Baader Bank und einer der führen den Börsenexpe­rten.

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