Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eskalation der Gewalt
Polizeiruf 110: Das Gespenst der Freiheit
ARD, 20.15 Uhr Eine schwere Kost ist der „Polizeiruf 110“mit dem Titel „Das Gespenst der Freiheit“. Der Krimi heißt unnötigerweise genauso wie ein surreales Filmdrama von Luis Bunuel. In dem ARD-Fall aber geht es dagegen ganz real um eine Jugend-Gesellschaft auf dem Weg in zunehmende rechtsradikale Strömungen – und auf der anderen Seite um die Machtausübung von Beamten, die in etlichen Fällen vermeintliche und tatsächliche Kriminelle benutzen, um zu Insiderwissen zu gelangen.
Der Wahrheitsfindung und der Integration junger Gewalttäter dienen Sprüche wie der des Staatsanwalts („Meine Frau hat Pelze gespendet, einmal muss es gut sein.“) gar nicht. Und der Verdacht bleibt, dass bei der Strafverfolgung Grenzen überschritten werden.
Zur Handlung: Vier Gewalttäter verprügeln einen Mann muslimischer Herkunft, der angeblich ein Mädchen belästigt haben soll, so heftig, dass er stirbt. Zu den Rechtsradikalen gehört der Halbiraner Farim, der vom Verfassungsschutz als V-Mann angeworben und freigelassen wird. Farim ist ein Verlierer, der mehr oder weniger erfolglos um die Anerkennung in seiner Gang kämpft, aber in gewisser Weise die Sympathie des Hauptkommissars Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) gewinnt.
Ist der einsame von Meuffels, der sich in der Münchner Residenzstraße seine Schuhe nähen lässt, nicht selbst auch Opfer des Systems? In den Mühlen der Justiz scheinen beide, Farim und von Meuffels in seiner vorletzten „Polizeiruf110“-Rolle, in ihren Lebensentwürfen zum Scheitern verurteilt. Dennoch greift der „Polizeiruf“nicht den Verfassungsschutz generell an. Dazu ist der Hass des Quartetts auf Minderheiten und Einwanderer zu ausgeprägt. Und die Eskalation der Gewalt leben Regie und Drehbuch in brutalen Bildern und drastischer Sprache aus. Das Ende ist anders, als es sich der rechtstreue Bürger vorstellen mag.
Es gibt keine Menschlichkeit im Niemandsland einer verwahrlosten Jugend. Rupert Huber