Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Spurwechsel
Der Spurwechsel steht hierzulande nicht im besten Ruf. Mit Recht, kann er doch, unsachgemäß herbeigeführt, zu Kollisionen führen. Wem wäre, am Steuer auf der Autobahn, nicht schon einmal der Schweiß ausgebrochen bei der Vorstellung, dass da einer beim Einfahren die Spur verwechselte und nun frontal auf einen zukäme?
Derlei Bedenken, tief eingewurzelt in unserem kollektiven Unbewussten, haben die Politik dieser Tage nicht davon abhalten können, eine Lanze für den Spurwechsel zu brechen. Aus SchleswigHolstein – einer Gegend, wo, nebenbei gesagt, die Autobahndichte nicht besonders hoch ist – aus Schleswíg-Holstein kommt die Empfehlung, mit Hilfe eines Spurwechsels einen gangbaren Weg in der doch recht verfahrenen Asylpolitik einzuschlagen. Nicht mehr nur stur spurtreu, lautet der Rat, solle man künftighin die Linie des Abschiebens abgelehnter Asylbewerber verfolgen – nein, man müsse sich vom bisherigen Immer-nurgeradeaus-Kurs verabschieden und den Wechsel wagen, indem man den Integrationswilligen die Spur zum Arbeitsmarkt bahne.
Nun bringt es solch ein Ausscheren aus der Spur im politischen Verkehr leicht mit sich, dass andere Teilnehmer sich durch das Manöver bedrängt fühlen und mit Gegensteuern antworten. Kein Wunder also, dass dem Spurwechsel aus dem christdemokratischen Norden andernorts sofort jegliche Spur von Realitätssinn abgesprochen wurde. „Nicht zielführend“schallte es zurück aus dem christsozialen Süden. Allenfalls als „absolute Ausnahme“, also nur in Spuren vorhanden, sei so was denkbar.
Wird sich der Spurwechsel als Idee von Relevanz also überhaupt in der Spur halten können? Oder wird sich seine Fährte, wie die so vieler vergleichbarer Vorstöße, recht bald verwischen? Offen gesagt, wir haben nicht die Spur einer Ahnung.