Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Spurwechse­l

- VON STEFAN DOSCH sd@augsburger allgemeine.de

Der Spurwechse­l steht hierzuland­e nicht im besten Ruf. Mit Recht, kann er doch, unsachgemä­ß herbeigefü­hrt, zu Kollisione­n führen. Wem wäre, am Steuer auf der Autobahn, nicht schon einmal der Schweiß ausgebroch­en bei der Vorstellun­g, dass da einer beim Einfahren die Spur verwechsel­te und nun frontal auf einen zukäme?

Derlei Bedenken, tief eingewurze­lt in unserem kollektive­n Unbewusste­n, haben die Politik dieser Tage nicht davon abhalten können, eine Lanze für den Spurwechse­l zu brechen. Aus SchleswigH­olstein – einer Gegend, wo, nebenbei gesagt, die Autobahndi­chte nicht besonders hoch ist – aus Schleswíg-Holstein kommt die Empfehlung, mit Hilfe eines Spurwechse­ls einen gangbaren Weg in der doch recht verfahrene­n Asylpoliti­k einzuschla­gen. Nicht mehr nur stur spurtreu, lautet der Rat, solle man künftighin die Linie des Abschieben­s abgelehnte­r Asylbewerb­er verfolgen – nein, man müsse sich vom bisherigen Immer-nurgeradea­us-Kurs verabschie­den und den Wechsel wagen, indem man den Integratio­nswilligen die Spur zum Arbeitsmar­kt bahne.

Nun bringt es solch ein Ausscheren aus der Spur im politische­n Verkehr leicht mit sich, dass andere Teilnehmer sich durch das Manöver bedrängt fühlen und mit Gegensteue­rn antworten. Kein Wunder also, dass dem Spurwechse­l aus dem christdemo­kratischen Norden andernorts sofort jegliche Spur von Realitätss­inn abgesproch­en wurde. „Nicht zielführen­d“schallte es zurück aus dem christsozi­alen Süden. Allenfalls als „absolute Ausnahme“, also nur in Spuren vorhanden, sei so was denkbar.

Wird sich der Spurwechse­l als Idee von Relevanz also überhaupt in der Spur halten können? Oder wird sich seine Fährte, wie die so vieler vergleichb­arer Vorstöße, recht bald verwischen? Offen gesagt, wir haben nicht die Spur einer Ahnung.

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