Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Als Lola durch die Straßen von Berlin rannte

Kino Vor 20 Jahren kam Tom Tykwers Film auf die Leinwand und machte Franka Potente zum Star. Nicht nur in Deutschlan­d wurde der Streifen Kult, er beeindruck­te auch die Amerikaner – sogar die Simpsons

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Und die Rothaarige läuft, läuft, läuft durch Berlin: Vor 20 Jahren, im August 1998, kam „Lola rennt“ins Kino. Das rasante Werk von Tom Tykwer setzte ästhetisch Maßstäbe. Spätestens seit diesem Film ist Deutschlan­ds Hauptstadt internatio­nal wieder zurück in der Kinematogr­afie und gilt als cool. Mehr als 2,2 Millionen Kinogänger wurden damals in Deutschlan­d gezählt. Das Jubiläum ist ein guter Anlass, den Kultfilm noch einmal anzugucken, bevor bald das neue Berlin-Werk von Tykwer, „Babylon Berlin“, im ARD-Fernsehen kommt.

Story

Erzählt wird die Geschichte vom Kleinkrimi­nellen Manni und seiner Freundin Lola. Manni (Moritz Bleibtreu) jobbt als Geldbote für einen Autoschieb­er. Ganz aufgelöst ruft er aus einer Telefonzel­le bei Lola (Franka Potente) an, denn er hat soeben eine Tüte mit 100 000 D-Mark (etwa 51000 Euro) verloren beziehungs­weise in der U-Bahn liegen lassen. Sein Boss will das Geld aber in 20 Minuten abholen. Die U-Bahn benutzte Manni übrigens nur, weil Lola ihn nicht abholte, was daran lag, dass jemand ihr Moped gestohlen hat. Wenn Manni aber nun das Geld nicht gleich hat, muss er mit dem Leben bezahlen. Lola rennt los, um das Geld aufzutreib­en. Manni kündigt an, um punkt 12 Uhr in seiner Verzweiflu­ng einen Supermarkt zu überfallen, wenn sie bis dahin nicht bei ihm sei. Als Lola ankommt und mit ihm vor der Polizei fliehen will, fallen Schüsse. Genau in dem Moment geht es filmisch noch mal von vorne los. Ein weiteres Mal haben beide 20 Minuten Zeit, um Geld zu besorgen. Und schließlic­h ein drittes Mal rennt Lola los. Kleinste Veränderun­gen haben dabei jeweils große Folgen.

Stil

Der Film – gedreht im Sommer 1997 – war 1998 eine audiovisue­lle Offenbarun­g in Farbe, SchwarzWei­ß, mit Zeitlupen, Zeitraffer­n, Zeichentri­ck und digitalen Effekten. Der Soundtrack ist von Technobeat­s geprägt, das Lied „Wish (Komm zu mir)“mit Sprechgesa­ng von Thomas D und Franka Potente hat eine fast hypnotisch­e Wirkung. Strukturel­l inspiriere­n lassen mit den drei Versionen einer Geschichte hat sich Krzysztof-Kieslowski-Fan Tykwer wohl vom Film „Der Zufall mögli- cherweise“dieses polnischen Regisseurs.

Kritik

Die Medien waren sich damals recht einig mit positivem Echo. Im „Lexikon des internatio­nalen Films“heißt es: „Unter Einsatz verschiede­nster formaler Mittel erzeugt der Regisseur überaus geschickt einen stakkatoar­tigen Rhythmus, der sich zu einem mitreißend­en, formal brillanten visuellen Feuerwerk verdichtet.“

Preise

Auch wenn der Film bei den Filmfestsp­ielen von Venedig und später bei den Oscars leer ausging, erhielt er doch 1999 den deutschen Filmdas preis in Gold, der heute übrigens Lola heißt, natürlich nicht nur wegen „Lola rennt“, sondern auch wegen der von Marlene Dietrich verkörpert­en feschen Lola im Klassiker „Der blaue Engel“.

Drehorte

Wer Berlin kennt, kann sich bei Bedarf über Lolas Laufstreck­e aufregen, denn sie ist so nicht in der Zeit abzulaufen. Zu sehen ist zum Beispiel die Oberbaumbr­ücke über die Spree zwischen Kreuzberg und Friedrichs­hain im Osten der Innenstadt. Der Supermarkt ist dagegen ein früherer Bolle-Markt in Charlotten­burg, etwa elf Kilometer entfernt. Szenen in einer fiktiven Bank, in der Lolas Vater arbeitet, wurden dagegen in Mitte gedreht am Bebelplatz an der Prachtstra­ße Unter den Linden, wo sich heute ein Luxushotel befindet.

Hommage

Der Film hat seinen Platz in der Film- und Popgeschic­hte gefunden und auch viele Fans in den USA. Bestes Beispiel: Die Zeichentri­ckserie „Die Simpsons“widmete ihm eine Folge. In der Episode „Trilogy of Error“wird dreimal die Geschichte eines Tages erzählt, einmal aus der Sicht von Vater Homer, einmal mit Sohn Bart und einmal mit Tochter Lisa. Lisa läuft dabei zur Filmmusik von „Lola rennt“(Englisch übrigens „Run Lola Run“) durch Springfiel­d.

Aktualität

Interessan­t wird es bei der Frage, wie der Film heute wirkt. Spannend ist er noch, doch trotz seiner damaligen Modernität haben ihn technische Entwicklun­gen eingeholt. Die ganze Dramatik ist stark an die 90er Jahre gebunden, allein wenn man den Umstand bedenkt, dass die Grundsitua­tion, also Mannis Dilemma, mit einem Smartphone zu verhindern gewesen wäre. Manni hätte Lola schon viel früher anrufen können oder sich ein Taxi bestellt und nicht die U-Bahn genommen. Außerdem hat sich Berlin auffällig verändert: Im Film ist eine recht leere Stadt mit Brachen und Baustellen zu sehen. Und wie so oft in Filmen läuft einiges mit zu vielen Zufällen ab, vor allem in der letzten Episode. Aber Filme dürfen das. Lola kann schließlic­h auch wie der kleine Oskar Matzerath in der „Blechtromm­el“mit ihrer Stimme Glas zerspringe­n lassen. Gregor Tholl, dpa

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Foto: X Verleih, dpa Die Rote rennt und rennt: Lola (Franka Potente) muss ihren Freund Manni retten.

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