Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Fußballfan­s beklagen „harte Urteile“

Fußball Eine Massen-Schwarzfah­rt von „Hannover 96“-Ultras in der Tram beschäftig­t die Justiz. Die Fanhilfe Hannover spricht von einem „Exempel“. Einige Vereinsanh­änger werden wohl erneut in Augsburg vor Gericht erscheinen

- VON KLAUS UTZNI

Fußballfan­s aus der Ultra-Szene stellen in den Stadien häufig ihre eigenen Regeln auf. Die Vereine lassen sie oft gewähren. Außerhalb der Arenen freilich verfolgt die Polizei, zumindest die bayerische, Gesetzesve­rstöße konsequent. Und die Justiz urteilt ebenso konsequent ab. Was in der Szene dann auf großes Unverständ­nis stößt. So jetzt geschehen in der niedersäch­sischen Landeshaup­tstadt Hannover, nachdem das Augsburger Amtsgerich­t einen Großteil von 36 Ultra-Fans des Vereins wegen Schwarzfah­rens in der Straßenbah­n zu teils äußerst empfindlic­hen Geldstrafe­n – im Einzelfall bis zu 9000 Euro – verdonnert hat.

Wie berichtet, hatten sich die Ultras, die allesamt mit Stadionver­boten belegt sind und deshalb auch nicht im Besitz einer Eintrittsk­arte waren, am 21. Oktober 2017 trotzdem auf den Weg nach Augsburg gemacht, um dann in einer Kneipe das Spiel gegen den FCA anzuschaue­n. Kein Wirt hatte sich jedoch bereit erklärt, die teils stark angetrunke­nen Fans aufzunehme­n. Deshalb war die Gruppe an der Luitpoldbr­ücke in Pfersee in eine Tram der Linie 3 gestiegen und dann bis zum Königsplat­z gefahren – alle Ultras ohne Ticket, das 1,45 Euro gekostet hätte. Sie waren von 40 Polizisten einer Bereitscha­ftspolizei­einheit aus Dachau begleitet worden. Am Kö wurde die Tram eingekesse­lt, alle Fans einzeln namentlich erfasst und später angezeigt.

Bis auf die jugendlich­en Fans, die sich zu Hause in Hannover vor dem Jugendgeri­cht verantwort­en mussten, sind inzwischen alle übrigen erwachsene­n Ultras per Strafbefeh­l in zwei Prozessen zu teils empfindlic­hen Geldstrafe­n verurteilt worden. Die Sanktionen gegen einige bereits erheblich vorbestraf­te Hannoveran­er fielen auch deshalb relativ hoch aus, weil sie vor Gericht Angaben über ihre Einkünfte verweigert­en, sodass das Gericht die Tagessatzh­öhe selbst festsetzte.

Auf der Internetse­ite „Faszinatio­n Fankurve“beklagte sich darauf die „Fanhilfe Hannover“mit „großer Verwunderu­ng“über die Urteile. Das Vorgehen von Polizei und Justiz lasse darauf schließen, „dass hier ein Exempel statuiert werden sollte“, heißt es. Die Fanhilfe macht „die örtliche Polizei“verantwort­lich, dass es überhaupt zu einer Gerichtsve­rhandlung gekommen sei. Die Polizei, so die Fanhilfe, habe „ein Nachlösen der Fahrkarten unterbunde­n“.

Zumindest finanziell gelohnt hat sich die Reise zweier Hannoveran­er Studenten nach Augsburg, die gegen Strafbefeh­le über Geldstrafe­n von 3600 Euro (90 Tagessätze zu je 40 Euro) Einspruch eingelegt hatten. Beide bestritten jetzt vor Amtsrichbe­ziehungswe­ise terin Ulrike Ebel-Scheufele vehement, überhaupt in der Tram mitgefahre­n zu sein. „Wir sind am Königsplat­z ganz zufällig in die Kontrolle der Polizei geraten“, behauptete­n beide unisono. Der damalige Einsatzlei­ter des Dachauer Unterstütz­ungskomman­dos schloss als Zeuge jedoch aus, das bei der Einkesselu­ng der Tram Fans, die zuvor nicht in der Straßenbah­n gesessen hatten, überprüft wurden. „Es sind 36 Fans ein- und 36 Fans ausgestieg­en“, sagte der Beamte. An dieser Aussage hatte das Gericht keine Zweifel. Richterin Ebel-Scheufele verurteilt­e die beiden Ultras zu einer Geldstrafe von je 1500 Euro (100 Tagessätze zu je 15 Euro). Die Gesamtsumm­e ist geringer als im Strafbefeh­l, weil beide deutlich niedrigere Einkünfte haben. Die Fanhilfe Hannover hatte im Übrigen allen Verurteilt­en empfohlen, in die Berufung zu gehen. Einige Ultras haben dies bereits getan, sodass sich das Augsburger Landgerich­t in einigen Monaten erneut mit der Massen-Schwarzfah­rt in der Tram beschäftig­en muss.

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Foto: Annette Zoepf (Archiv) USK Einsatzkrä­fte stehen vor Fanbussen am unteren Leonhardsb­erg, auch damals ging es um Fans von Hannover 96. Zwei Jahre später waren 36 Anhänger des Fußballver­eins ohne Ticket in der Augsburger Straßenbah­n unterwegs.
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