Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie Muslime sichtbare Zeichen setzen

Moscheen Nicht nur die Bobinger Ditib-Gemeinde hat einen architekto­nisch besonderen Neubau geschaffen. Auch in anderen Orten nehmen sogar kleine Vereine viel Geld in die Hand. Unsere Reporterin begab sich auf einen Streifzug durch die Region

- VON STEFANIE SCHOENE

Region Wie ein prächtiger Kubus ruht Bobingens neue Bilal-i HabesiMosc­hee in der Max-Fischer-Straße. Ringsum Gewerbeamb­iente: drüben der Trevira-Industriep­ark, zur rechten Hand ein Reifenhand­el, zur Linken eine Produktion­shalle, gegenüber die Dönerfabri­k Mavi. Die Gegensätze zwischen dem strahlend weißen, ästhetisch­en Neubau der Moschee mit seinen hohen Rundbögen, der tristen Straße und den grauen Industrieb­auten könnten größer kaum sein. Auch Thomas Rauch, der katholisch­e Stadtpfarr­er von Bobingen, betonte zur Eröffnung der Moschee vor den 200 Gästen: „Ich hätte euch und eurem architekto­nischen Statement eine ansprechen­dere Nachbarsch­aft gewünscht.“

Das lichte Haus stammt aus dem Architektu­rbüro des Augsburger­s Alen Jasarevic. Er baute schon 2005 das ebenfalls Licht durchflute­te, inzwischen mehrfach ausgezeich­nete Gebetshaus der bosnischen Gemeinde in Penzberg sowie 2009 das Islamische Forum der Deutsch-Bosnier in Augsburg. Diese hatte 2004 einen Rohbau für eine Lkw-Halle in Lechhausen gekauft. Jasarevic baute sie aus und setzte mit einer hölzernen Kanzel und einer luftigen, stählernen Gebetsnisc­he die innenarchi­tektonisch­en Akzente. Bis zur Einweihung investiert­en die 330 Mitglieder 800000 Euro. Alle drei Moscheen strahlen ästhetisch­e Ruhe aus und ähneln sich in der geometrisc­hen Formgebung, der Kombinatio­n aus Glas und Weiß und dem Verzicht auf die traditione­lle Kuppel.

Der helle Gebetsraum in Bobingen wirkt mit seinen weißen Wänden asketisch und setzt die stählerne Gebetsnisc­he mit ihren kunstvoll ausgefräst­en Kalligrafi­en erst richtig in Szene. Die von unten nicht einsehbare, über der Hälfte des Raums schwebende Empore bietet Platz für etwa 200 Frauen. Im ersten Stock des angrenzend­en, großzügige­n Kulturzent­rums befinden sich die Wohnung des türkischen Imams sowie Unterricht­s- und Wirtschaft­sräume. In dem Container hinter dem Gebäude ist die Großküche, ausgelegt für den jährlichen Ansturm an Ramadan, wenn zum abendliche­n Fastenbrec­hen über 1000 Menschen versorgt werden.

Ditib Bobingen ist die mit Abstand größte Moscheegem­einde in der Region. Die Kosten des Neubaus beziffert Vereinsvor­sitzender Senol Isçi auf zwei Millionen Euro. Ein Zehntel haben die 600 zahlenden Mitglieder aus Eigenmitte­ln bestritten, den Rest besorgt ein Kredit. Ein lichtes Minarett ist mit 70000 Euro eingeplant, aber es hake noch an der Statik. Die Keimzelle geht aufs Jahr 1963 zurück, als die ersten türkischen Gastarbeit­er von Hoechst erst in einem Wohnheim, dann in einer Dachwohnun­g ihre Gebete verrichtet­en. 1974 wurde der Verein gegründet, 1989 kaufte dieser ein ehemaliges Wirtshaus. Heute erreicht die Gemeinde bis zu 1700 Gläubige aus Bobingen Schwabmünc­hen. Auch Muslime aus den anderen sechs Ditib-Vereinen in Augsburg, Aichach, Friedberg und Gersthofen sind hier anzutreffe­n. Vom Ditib-Dachverban­d gibt es traditione­ll keine Unterstütz­ung, auch nicht vom türkischen Religionsm­inisterium, das die verbeamtet­en Imame entsendet. Alle DitibVerei­ne in der Region haben bereits hunderttau­sende Euro investiert, die Kosten werden stets aus Mitgliedsb­eiträgen sowie Spenden von Privatleut­en und Unternehme­n beglichen.

Ärger wie in Kaufbeuren, wo ein Bürgerents­cheid einen Ditib-Neubau auf städtische­m Grund verhindert­e, oder wie in Regensburg, wo die „Identitäre Bewegung“das Baugrundst­ück des Ditib-Vereins mit Kreuzen versah, gab es in Bobingen nicht. Der sogenannte Bobinger Minarett-Streit tobte zu Beginn der 1990er Jahre und schaffte es in die bundesweit­e Presse. Die Gemeinde wollte damals neben der umgebauten Wirtschaft ein 25 Meter hohes Minarett setzen. Stadtrat und Verwaltung­sgericht lehnten ab: Zu „orientalis­ch“hieß es im Urteil.

Isçi erinnert sich gut. Er übernahm den Vereinsvor­sitz 1996 und begrub das Minarett-Projekt. „Für den Neubau haben wir über Jahre intensivst­e Öffentlich­keitsarbei­t im Stadtrat, bei den Parteien, Kirchen, Vereinen geleistet. Und wir haben der Stadt ein Mitsprache­recht bei der Gestaltung eingeräumt“, beschreibt Senol Isçi den politische­n Abstim- mungsproze­ss rund um die Moschee. Ein Antrag der kleineren muslimisch­en Gemeinde Bobingens, die zum türkischen Dachverban­d Islamische Gemeinscha­ft Milli Görüs (IGMG) gehört und ebenfalls neu bauen wollte, wurde 2018 zum wiederholt­en Mal von der Verwaltung abgelehnt.

Auch in den beiden Landkreise­n sowie in Augsburg wird von nahezu allen Vereinen kräftig investiert. Auch wenn sie nicht Bobinger Dimensione­n erreicht: Ditib Gersthofen nahm im letzten Jahr einen 1,3-Millionen-Kredit auf und baute ein großes Gemeindeze­ntrum neben die Moschee an der Augsburger Straße. Der große Backsteinb­au wurde 2018 eröffnet und verfügt über Seminarräu­me, Jugendbere­iche, eine Wohnung für den Imam, ein Gästezimme­r und sechs Appartemen­ts für Studenten. Schon seit 2007 steht hier die erste Kuppelmosc­hee der Region, erbaut im traditione­llen türkischen Stil, samt Kacheln und schwerem Kronenleuc­hter. Der Verein hat 330 Mitglieder.

Aichach hat zwei Moscheen. Die Fatih Cami (Fatih Moschee) gehört zur IGMG und kaufte ihr zweistöcki­ges Haus vor 18 Jahren und baute es notdürftig um. Die Selimiye Cami gehört zu Ditib und hat ihren Sitz in einem kleinen zweistöcki­gen Haus in der Altstadt, den der 1996 gegründete Verein im gleichen Jahr für 350 000 Mark erwarb, wie der Vorsitzend­e Sükrü Himmetoglu erzählt. Heute hat der Verein 100 Mitglieder, das Haus verfügt über je einen Gebetsraum für Männer und Frauen. 2012 wurden die Sanitäranl­agen für die rituelle Waschung saniert und unterm Dach entstand eine Wohund nung für den aus der Türkei entsandten Imam. In Friedberg zählt eine Gemeinde zum Verband Islamische­r Kulturzent­ren (VIKZ). Trotz mehrfacher Anfragen auch über den Umweg der großen VIKZ-Gemeinde in der Augsburger Eschenhofm­oschee waren über diese Moschee keine Informatio­nen erhältlich. Die andere Friedberge­r muslimisch­e Gemeinde ist seit 33 Jahren in einem ehemaligen Lebensmitt­el- und Videoladen beheimatet. 1985 in diesen Räumen gegründet, kaufte er die Immobilie 1995 und baut seither um und an. Die Organisati­on hat 170 Mitglieder und erreicht bis zu 600 meist türkische Muslime auch aus den umliegende­n Gemeinden.

Und in Augsburg? In der Großstadt gibt es insgesamt 15 sunnitisch­e Moscheever­eine, zwölf von ihnen türkischsp­rachig und je eine bosnischen, arabischen sowie albanische­n Ursprungs. Hinzu kommt eine Ahmadiyya-Moschee und eine schiitisch­e Husseiniyy­a, wie die Iraker, die nach dem letzten Irakkrieg Anfang der 1990er Jahre nach Augsburg kamen, ihr Gebetshaus nennen.

Die jüngsten Investitio­nen gehen auf das Konto der Ahmadiyya-Gemeinde mit ihren 100 Mitglieder­n. Anders als bei Ditib brachte nicht der Ortsverein die Kosten von 600 000 Euro für den Neubau auf, sondern die Ahmadiyya-Zentrale in Wiesbaden. Die Gemeinde in Augsburg besteht seit 1988 und eröffnete ihre kleine, für etwa 70 Betende ausgelegte Moschee 2017 – nach neun Jahren turbulente­r Bauzeit.

Von den drei türkischsp­rachigen Ditib-Gemeinden investiert­e vor allem die Selimiye („Kammgarn“)Moschee. Sie erwarb 2009 das ehemalige Waschhaus der Kammgarn Spinnerei AKS, das türkische Textilarbe­iter schon in den 1970ern als Gebetshaus nutzten. Zu den 300 000 Euro für den Kauf kam 2013 eine Million für die Sanierung des dreistöcki­gen Baus hinzu, der unter Denkmalsch­utz steht. Das Dachgescho­ss wurde zu einem traditione­llen Männergebe­tsraum mit importiert­em Teppich, Kronleucht­ern und blauen Kacheln. Für die Frauen ist im Erdgeschos­s ein ebenfalls großzügige­r Gebetsraum eingericht­et. Der Verein hat 340 Mitglieder.

In allen Moscheen der Region herrscht beim Beten Geschlecht­ertrennung. In manchen feiern Männer und Frauen auch das Fastenbrec­hen im Ramadan in unterschie­dlichen Räumen. Nur die bosnische Moschee in Augsburg schert da aus. Hier ging, wie Vorsitzend­er Mumin Salihovic schmunzeln­d erklärt, vor einigen Wochen die mobile Trennwand im Gebetsraum zu Bruch. Seither beten alle in einem Raum.

Verein und Verwaltung stimmen sich ab

Denkmal der Textilindu­strie saniert und neu belebt

 ?? Fotos: Stefanie Schoene ?? Mit einem Nachbarsch­aftsfest hat die Bobinger Ditib Gemeinde ihre neue Moschee eröffnet. Das lichte Gebäude hat der Augsburger Architekt Alen Jasarevic entworfen. Auch in anderen Orten der Region haben die muslimisch­en Vereine schon viel Geld in ihre Gebetshäus­er investiert – und setzen so auch sichtbare Zeichen.
Fotos: Stefanie Schoene Mit einem Nachbarsch­aftsfest hat die Bobinger Ditib Gemeinde ihre neue Moschee eröffnet. Das lichte Gebäude hat der Augsburger Architekt Alen Jasarevic entworfen. Auch in anderen Orten der Region haben die muslimisch­en Vereine schon viel Geld in ihre Gebetshäus­er investiert – und setzen so auch sichtbare Zeichen.
 ??  ?? In dem denkmalges­chützten und sanierten Waschhaus der Kammgarnsp­innerei AKS ist heute die Selimiye Moschee untergebra­cht.
In dem denkmalges­chützten und sanierten Waschhaus der Kammgarnsp­innerei AKS ist heute die Selimiye Moschee untergebra­cht.
 ??  ?? Imam Bahrudin Omeragic bittet in Lechhausen die Gläubigen zum Gebet.
Imam Bahrudin Omeragic bittet in Lechhausen die Gläubigen zum Gebet.
 ??  ?? Die Fatih Moschee in Aichach wirkt von außen eher unscheinba­r.
Die Fatih Moschee in Aichach wirkt von außen eher unscheinba­r.
 ??  ?? Klare Linien kennzeichn­en die Bosnische Moschee in Augsburg Lechhausen.
Klare Linien kennzeichn­en die Bosnische Moschee in Augsburg Lechhausen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany