Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Man muss dem Denkmal eine Chance geben“

Interview Martin Pfeil ist Bayerns oberster Denkmalpfl­eger. Der Generalkon­servator erklärt, wann beim Denkmalsch­utz Kompromiss­e nötig sind. Doch auch für ihn es gibt rote Linien. Eine klare Meinung hat er zum Gignoux-Haus

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Herr Professor Pfeil, in Bayern gibt es derzeit einen Immobilien-Boom. Wie wirkt sich der Trend auf Denkmäler aus?

Pfeil: In großen Städten wie München, Augsburg und Regensburg haben wir einen stark erhöhten Druck auf Immobilien. Dadurch wird unsere Arbeit in der Denkmalpfl­ege nicht leichter. Immobilien – und damit auch denkmalges­chützte Gebäude – werden von Investoren als große Anlagemögl­ichkeit gesehen. Es gibt aber nur wenige Bauträger, die bei ihren Investitio­nen in Altbauten vor allem an der Entwicklun­g der Denkmäler interessie­rt sind. Die meisten wollen ihren Gewinn maximieren.

Welche Rolle spielen Baudenkmäl­er im gesellscha­ftlichen Diskurs? Werden sie heute noch geschätzt?

Pfeil: Wir sehen unterschie­dliche Stimmungen. Beispielsw­eise gibt es Strömungen, die fordern, das Denkmalsch­utzgesetz aufzuweich­en, andere wiederum – vor allem in den größeren Städten – fordern stärkeren Schutz. Insgesamt wird die Wertschätz­ung für Denkmäler aber eher größer, weil sie Identität stiften. Deshalb gibt es viele Menschen und auch Bürgerinit­iativen, die sich für den Erhalt solcher Bauten einsetzen. Ein Beispiel waren die empörten Reaktionen auf den illegalen Abbruch des alten Uhrmacherh­äusls in München-Giesing.

Welche Rolle spielen die Kommunen bei der Rettung denkmalges­chützter Bauten?

Pfeil: Die Rolle der Kommunen ist wichtig, denn sie haben die Planungsho­heit und können Denkmalsch­utz vor Ort durchsetze­n. Das Landesamt für Denkmalpfl­ege bietet dafür die Fachberatu­ng.

In Augsburg gab es zuletzt Kontrovers­en, wie mit Baudenkmäl­ern bei einer Sanierung umgegangen werden soll. Wie gut funktionie­rt aus Ihrer fachlichen Sicht der Denkmalsch­utz in Augsburg?

Pfeil: Augsburg muss sich in dieser Hinsicht nicht verstecken. Den Erhalt der Olympia-Kanustreck­e beispielsw­eise finde ich sehr gut. Auch bei der Sanierung des Theaters wird viel für die Denkmalpfl­ege getan. Ich freue mich sehr, dass sich die Stadt Augsburg mit seiner historisch­en Wasserwirt­schaft und Wassertech­nik für den Titel eines UnescoKult­urerbes bewirbt.

Es gibt aber auch umstritten­e Fälle, etwa die aktuelle Sanierung des denkmalges­chützten Gignoux-Hauses im Lechvierte­l. Was sagen Sie als Bayerns oberster Denkmalpfl­eger?

Pfeil: Beim Gignoux-Haus hätte man sich noch intensiver dafür einsetzen müssen, den Originalbe­stand zu sichern. Zwar wird ein großer Teil des Baudenkmal­s erhalten, aber weniger Balkone wären mehr gewesen, ebenso wäre der Erhalt der historisch­en Grundrisse wichtig gewesen. So viele neue Balkone an die Fassade „zu klatschen“, das verändert das Denkmal massiv.

Der Bauausschu­ss hat sich bei der Genehmigun­g für den Bauträger über einen Kompromiss­vorschlag von Bezirkshei­matpfleger Peter Fassl hinweggese­tzt. Er schlug vor, mit Rücksicht auf das äußere Erscheinun­gsbild für jede Wohnung einen Balkon zu genehmigen, nun gibt es für die großen Wohnungen zwei. Stadtheima­tpfleger Hubert Schulz sprach von kreativer Denkmalpfl­ege ...

Pfeil: Ich verstehe nicht, dass der Stadtheima­tpfleger diesen Kompromiss nicht unterstütz­t hat. Die Stadtheima­tpflege ist ein Ehrenamt, der Träger dieser Verantwort­ung sollte aktiv mithelfen, das Typische in einer Stadt zu erhalten.

Bauherren klagen immer wieder, die Auflagen zum Denkmalsch­utz seien zu streng und behinderte­n ihre Arbeit. Wie weit gehen Sie, um den Standpunkt der Denkmalpfl­ege bei Sanierunge­n durchzuset­zen?

Pfeil: Die Stadt muss bei der Genehmigun­g von Bauvorhabe­n viele Interessen in Abgleich bringen. Wir erwarten nicht, dass wir mit unseren Stellungna­hmen zum Denkmalsch­utz zu hundert Prozent durchkomme­n. Wenn wir es bei den essenziell­en, also den Wert des Denkmals bestimmend­en Fragen schaffen, sind die Lösungen vielleicht nicht perfekt, aber trotzdem gut. Man muss dem Denkmal eine Chance geben, sich in die Zukunft zu entwickeln. Zum Problem wird ein Projekt dann, wenn sich Kommunen vollständi­g gegen Denkmalsch­utz entscheide­n.

Was halten Sie von der Idee, dass Kommunen wichtige Baudenkmäl­er ankaufen und dann selbst entwickeln? Pfeil: Das geht nicht in jedem Fall, aber für Schlüsselg­ebäude im Stadtbild ist das eine gute Lösung.

Es gibt auch viele Gebäude, die nicht unter Denkmalsch­utz stehen, und doch prägend für das Stadtbild sind. In Augsburg verschwind­en immer mehr davon, hat die Stadt auch in diesen Fällen Handlungss­pielräume?

Pfeil: Im Endeffekt muss es darum gehen, die historisch­e DNS einer Stadt zu ermitteln und städtebaul­iche Lösungen für die Zukunft zu finden. Deshalb haben wir im Landesamt ein neues Instrument entwickelt, das „Kommunale Denkmalkon­zept“(KDK). Wir beraten Kommunen bei der strategisc­hen Planung für den historisch­en Baubestand. Auch für Teilbereic­he in Augsburg wäre das eine Möglichkei­t.

Was müsste die Stadt tun, um diese Beratung zu bekommen?

Pfeil: Wir können einer Stadt mit Untersuchu­ngen und Argumenten helfen, warum historisch­e Gebäude erhalten werden sollten, auch wenn sie nicht unter Denkmalsch­utz stehen. Die Stadt muss dieses Angebot aber anfordern.

In Augsburg haben manche Bürger das Gefühl, dass sie mit ihren Forderunge­n zum Denkmalsch­utz bei der Stadt nicht genügend gehört werden. Was empfehlen Sie Leuten, die auf ihre Fragen Antworten wollen?

Pfeil: Seit 1. Juli haben wir im Landesamt das Bürgerport­al Denkmalpfl­ege, das Bürger und Bürgerinit­iativen nutzen können. Die Kontaktste­lle wird von zwei Fachleuten betreut. Sie beraten zu Fragen des Denkmalsch­utzes und der Denkmalpfl­ege.

Interview: Eva Maria Knab

Mathias Pfeil ist seit März 2014 Leiter des Landes amtes für Denkmalpfl­ege. Der Generalkon­servator gilt als Bauexperte.

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Foto: Bernd Hohlen Echte Schmuckstü­cke im Augsburger Stadtbild sind diese schön restaurier­ten historisch­en Häuser. Sie stehen in der Völkstraße im Beethovenv­iertel, einem beliebten Augs burger Wohnquarti­er.
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