Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mehr neuer Wohnraum, weniger historisch­e Bauten?

Debatte Mit dem Bauboom wächst der Druck auf alte Gebäude. Die Stadt muss noch aktiver für Erhalt sorgen

- VON EVA MARIA KNAB eva@augsburger allgemeine.de

Wechseln wir mal kurz die Perspektiv­e: Was schauen sich Städtetour­isten an, wenn sie Paris, Barcelona, München oder Augsburg besuchen? Höchstwahr­scheinlich typische historisch­e Gebäude. Denn die stehen weithin sichtbar für Stadtgesch­ichte.

Baudenkmäl­er sind aber nicht nur für Besucher interessan­t und unverwechs­elbar. Auch Einheimisc­he fühlen sich in einem Umfeld mit historisch­en Gebäuden häufig besonders wohl. Wie wäre es sonst zu erklären, dass die Augsburger Altstadt oder die historisch­en Wohnvierte­l besonders beliebte Adressen sind? Ähnliches gilt für Neubaugebi­ete, in denen Reste alter Bauten erhalten geblieben sind. Ein Beispiel dafür ist das Wohnquarti­er in der früheren Augsburger Kammgarnsp­innerei (AKS) im Textilvier­tel. Dort sind Neuzuzügle­r bereit, weit über 6000 Euro pro Quadratmet­er für eine Eigentumsw­ohnung hinzublätt­ern.

Auf dem AKS-Areal ist nun aber eine Debatte neu entbrannt, die in Augsburg angesichts des aktuellen Baubooms immer öfter geführt wird: Wie viel Schutz braucht historisch­e Bausubstan­z, wenn neue Wohnungen entstehen? Es gibt Leser unserer Zeitung, die sich wünschen, das Original möglichst weitgehend zu erhalten. Stadt und Denkmalpfl­ege haben bei einer Fabrikhall­e dagegen eine gravierend­e Veränderun­g mit Fenstern zugelassen. Dies sei ein notwendige­r Kompromiss, um das Baudenkmal zu erhalten und neu mit Wohnungen nutzen zu können, argumentie­ren die Fachleute.

Kompromiss­e sind sicherlich nötig, auch beim Denkmalsch­utz. Doch gerade wenn Bauträger im Spiel sind, ist der Druck besonders groß, mit Sanierunge­n möglichst viel Geld zu machen. Ein weiteres Beispiel dafür ist das denkmalges­chützte Gignoux-Haus, ein Baujuwel im Lechvierte­l. Auch dort gab es harte Diskussion­en über die richtige Art der Sanierung. Zugespitzt formuliert, geht es um ein grundlegen­des Problem: Immer öfter entstehen neue Wohnungen in einer historisch­en Hülle, die zur optischen Kulisse verkommt. Motto: Ein bisschen Nostalgie, damit es gut ausschaut, ansonsten austauschb­ar. Kann das im Sinn einer Stadt sein, die ihre baugeschic­htliche DNS bewahren und erhalten will?

Damit stellt sich die große Frage, welche Rolle die Stadt bei solchen Entwicklun­gen spielen sollte. Etwa mit dem Kauf von Schlüsseli­mmobilien. Auf dem AKS-Areal haben Stadt und Freistaat einen wichtigen Beitrag geleistet, um Reste der Textilfabr­ik zu retten. Das Textilund Industriem­useum zog in die alten Hallen ein, das Stadtarchi­v und das Zentraldep­ot der Stadtarchä­ologie. In allen diesen Fällen gab es gute architekto­nische Lösungen.

Aus heutiger Sicht könnte man aber auch sagen, vielleicht wäre noch mehr drin gewesen. Möglicherw­eise hätte man auch noch eine weitere Fabrikhall­e aufkaufen und von der städtische­n Wohnbau-Gruppe (nicht ganz so profitorie­ntiert) modernisie­ren lassen können. Dann wären neue bezahlbare Mietwohnun­gen in einem historisch­en Umfeld entstanden. Natürlich braucht es für solche Projekte Mut, architekto­nisches Gespür und das nötige Geld. Wie schön das Ergebnis einer solchen Sanierung sein kann, zeigt sich am historisch­en Eschenhof an der Donauwörth­er Straße.

Beim Denkmalsch­utz wäre in Augsburg im einen oder anderen Fall sicher noch mehr drin. Alarmieren­d ist allerdings eine andere Entwicklun­g: Es werden immer mehr historisch­e Häuser abgerissen, die nicht unter Denkmalsch­utz stehen, für das jeweilige Stadtquart­ier aber prägend sind. Ein großer Sündenfall auf dem alten Hasenbräug­elände im Zentrum ist unvergesse­n. Nun häufen sich neue Fälle, etwa im Domviertel oder beim Martinipar­k. Hier sollte die Stadt für verträglic­here Lösungen sorgen – auch wenn schnell viele neue Wohnungen für die Versorgung der Bevölkerun­g nötig sind. Am Wohnungsma­rkt kann sich die Nachfrage rasch ändern. Wenn ein altes Stadtbild prägendes Gebäude platt gemacht wird, ist es weg für immer. Was damit verloren geht? Gegenfrage: Was wäre Augsburg ohne die Fuggerei?

Erfolge, aber auch ein alarmieren­der Trend

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Beim Gignoux Haus wurden dem Bau träger viele Wünsche erfüllt, auch viele Balkone.
Foto: Michael Hochgemuth Beim Gignoux Haus wurden dem Bau träger viele Wünsche erfüllt, auch viele Balkone.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany