Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Müssen wir jetzt Angst vorm bösen Wolf haben?

Natur Experten halten es für denkbar, dass Tiere auch in den Landkreis Augsburg kommen. Wenn sie sich niederlass­en und zur Gefahr für Menschen werden, dann gibt es für Jäger nur eine Option

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg Vor 200 Jahren verbreitet­en sie im Augsburger Land noch Angst und Schrecken: Wölfe sollen damals in den tiefen Wäldern eine Bäuerin und ihre Tochter getötet haben. Daran erinnert eine Tafel „Beim Blutigen Herrgott“im Wald zwischen Aystetten und Adelsried. Auch der Heimatdich­ter Ludwig Ganghofer hielt den Vorfall in seinen Kindheitse­rinnerunge­n fest. Der Mythos vom bösen Wolf trug dazu bei, dass die Tiere nach und nach ausgerotte­t wurden. Jetzt kommen sie zurück – auch ins Augsburger Land mit seinen ausgedehnt­en Wäldern?

„Das ist grundsätzl­ich denkbar“, sagt Johannes Enzler vom Bund Naturschut­z (BN). Auch die Experten vom Landesamt für Umwelt in Augsburg halten es für möglich, dass sich Wölfe auf der Durchreise im Augsburger Land aufhalten. Auf der Durchreise war wohl auch das Tier, das eine Wildkamera im April im östlichen Landkreis Donau-Ries festhielt. Auch im Unterallgä­u löste eine Wildkamera aus – allerdings war am Ende nicht eindeutig, ob das Foto tatsächlic­h eines der streng geschützte­n Exemplare oder vielleicht einen Schäferhun­d zeigte. Es werden in Zukunft wohl mehr Fotos werden. Das zeigt die bayerische Tendenz: 2017 wurden in 16 Fällen mindestens sechs unterschie­dliche Wölfe ausgemacht. Drei Jahre zuvor waren es nur drei.

Dass in Bayern wieder mehr Wölfe unterwegs sind, liege an der erhöhten Quellpopul­ation, erklärt ein Sprecher des Landesamts für Umwelt: „Im südwestlic­hen Alpenbogen und in den neuen Bundesländ­ern gibt es mittlerwei­le etliche etablierte Rudel. Deren Nachwuchs geht auf Wanderscha­ft.“Auf der Suche nach einem eigenen Territoriu­m könnten sie täglich 50 bis 70 und noch mehr Kilometer zurücklege­n. Damit ein Wolf sich in einem Gebiet niederläss­t, benötige er aber ausreichen­d Nahrung und Rückzugsrä­ume.

Dass sich die Tiere tatsächlic­h im Landkreis dauerhaft ansiedeln könnten, gefällt Hans Fürst von der Jägerverei­nigung Augsburg wenig. Denn: Was ist, wenn die Wölfe zu einem Risiko für Menschen werden? Niemand könne verantwort­en, wenn beispielsw­eise ein Kind im Wald angefallen werde. Die Konsequenz für Fürst: Der Mensch müsste eingreifen. BN-Kreisvorsi­tzender Johannes Enzler glaubt nicht, dass der Wolf zu einem Problem für Menschen wird. „Die Tiere machen einen Bogen um Menschen.“Weltweit seien keine Übergriffe bekannt. Dass Wölfe für Haustiere gefährlich werden können, ließe sich aber nicht wegdiskuti­eren. Auch Nutztiere gehören zum Speiseplan. Schutz bieten könnten Zäune. Enzler: „Aber selbst wenn sie massiv sind, dann ist das keine Garantie dafür, dass der Wolf fernbleibt.“Im alpinen Raum lässt sich die Option wegen des Geländes kaum umsetzen. Dort wurden jüngst mehrere Kälber getötet. DNA-Analysen bestätigte­n jetzt den Verdacht: Es war ein Wolf.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte sich im Zuge der Diskussion jüngst dafür ausgesproc­hen, Wölfe im Notfall abschießen zu lassen – zum Schutz von Mensch und Vieh. Martin Mayr aus Kutzenhaus­en, der Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­ands, sieht es ähnlich: „Man diskutiert so lange, bis einem Menschen etwas passiert. Wir brauchen keinen Wolf in Deutschlan­d.“Im Alpenvorla­nd werde die Weidehaltu­ng eingestell­t, wenn Wölfe wie jüngst im Oberallgäu weiterhin wildern. „Für das wenige Geld macht das doch niemand mehr auf der Alm“, sagt Mayr. Naturschüt­zer Enzler spricht sich für einen unbürokrat­ischen finanziell­en Ausgleich für die Viehhalter aus. Sie sollten auch mit einer intensiven Beratung unterstütz­t werden.

Bei Problem-Wölfen könnte auch ein Einzelabsc­huss genehmigt werden. Dauerhaft lasse sich aber keine „wolfsfreie Zone“durchhalte­n. Enzlers Idealvorst­ellung ist eine Koexistenz von Mensch und Tier. Er zählt auch die positiven Effekte durch das Wildtier auf: Es sorge dafür, dass die Verbisssch­äden in den Wäldern zum Beispiel durch Rehe zurückgehe­n. Gleichzeit­ig würden die Wölfe für eine „hygienisch­e“Wirkung sorgen: Kranke Tiere fallen ihnen leichter zum Opfer. „Wir haben ja auch keine Erfahrung mehr, wie man mit einem Wolf umgeht.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Die Tafel im Staatsfors­t zwischen Aystetten und Adelsried erinnert an einen blutigen Vorfall: Dort sollen einmal eine Bäuerin und ihre Tochter von einem Wolfsrudel angefallen und getötet worden sein.
Foto: Marcus Merk Die Tafel im Staatsfors­t zwischen Aystetten und Adelsried erinnert an einen blutigen Vorfall: Dort sollen einmal eine Bäuerin und ihre Tochter von einem Wolfsrudel angefallen und getötet worden sein.
 ?? Foto: Ulrich Weigel ?? Wölfe trieben früher auch im Augsburger Land ihr Unwesen.
Foto: Ulrich Weigel Wölfe trieben früher auch im Augsburger Land ihr Unwesen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany