Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Rushhour in Hiltenfing­en

Grenzgänge­r Die Landwirte sind wegen der heißen Temperatur­en bis spät am Abend auf den Feldern unterwegs. Von geheimnisv­ollen Karten und einem Geschäft im beschaulic­hen Schwabaich, das in ganz Süddeutsch­land bekannt ist

- VON MICHAEL LINDNER

Landkreis Gleich zu Beginn sollte der schönste Teil dieser Etappe anstehen: von Hiltenfing­en in Richtung des beschaulic­hen Langerring­er Ortsteils Gennach. Mitten hindurch zwischen meterhohen Maispflanz­en, unterbroch­en von saftigen Wiesen und herrlichen Weizenfeld­ern. Doch mit der Ruhe ist es bereits nach wenigen Metern vorbei: Der erste Traktor kommt dem „Grenzgänge­r“auf dem schmalen Weg entgegen. Kurz danach noch einer, der dritte Traktor fährt in die entgegenge­setzte Richtung. Rushhour während der Mittagshit­ze im Süden des Landkreise­s.

Ein älterer Herr aus Hiltenfing­en steht am Wegesrand und blickt gespannt auf ein Feld. Ein vierter Traktor ist dort unterwegs und presst große quaderförm­ige Strohballe­n. „Ich interessie­re mich für die Landwirtsc­haft; aber Landwirt bin ich keiner“, sagt der Hiltenfing­er. Er beobachtet das Fahrzeug, das Runde um Runde dreht. „Der ist ganz schön schnell“, sagt er und nickt anerkennen­d.

Alles andere als schnell geht es zu Fuß weiter Richtung Gennach. Nach wenigen Hundert Meter ist der Weg versperrt; ein Schwabmünc­hner Landwirt im Nebenerwer­b, Stefan Klein, sitzt in seinem Mähdresche­r und manövriert diesen zentimeter­genau an die richtige Stelle. Riesige Staubwolke­n wirbeln auf, während er entlang des Getreidefe­ldes fährt. Mit seinen Helfern holt Klein gerade den Winterweiz­en ein. „Einige Wochen früher als sonst“, erklärt der Landwirt. In den vergangene­n Wochen sei es viel zu trocken gewesen. Sieben bis acht Hektar werden pro Tag gedroschen, bis 23 Uhr dauert deshalb sein Arbeitstag.

Viel Zeit für ein Schwätzche­n bleibt also nicht. Das Thermomete­r zeigt Werte oberhalb der 30-GradMarke, eine Abkühlung ist dringend nötig. Also geht es zur nur wenige Meter entfernt fließenden Gennach, dem mit 47 Kilometern längsten Nebenfluss der Wertach. Nach dieser kurzen Pause geht es weiter Richtung Langerring­er Ortsteil Gennach – Traktoren sind keine mehr in Sicht. Ein kleines Waldstück macht die Temperatur­en erträglich, doch die Abkühlung ist nur von kurzer Dauer. In Gennach selbst scheint die Sonne unaufhalts­am, die mehr als 400 Jahre alte Kirche St. Johannes der Täufer ist das dominieren­de Bauwerk. Das Gotteshaus ist einer der wenigen, kaum veränderte­n ländlichen Sakralbaut­en der Spätrenais­sance in Südbayern.

Dieser malerische Anblick ist allerdings schnell verflogen. Denn der kürzeste Weg zum nächsten Etappenzie­l führt entlang der viel befahrenen Langerring­er Straße. Ein Fußweg ist weit und breit nicht auszumache­n, entspannte­s Wandern sieht anders aus. Immer wieder geht der Schritt wegen der entgegenko­mmenden Autos zur Seite ins mehr als knöchelhoh­e Gras. Zwei Kilometer, die einem Grenzgänge­r nicht positiv in Erinnerung bleiben. Fest im Blick sind die großen Betonsilos der Mälzerei Malteurop Deutschlan­d in Westerring­en, einem weiteren Ortsteil Langerring­ens. Auf dem Weg dorthin gibt es eine interessan­te Entdeckung: Am Rand eines Feldes liegt ein Stück Schnur; an dem einen Ende hängen die Reste eines gelben Luftballon­s, am anderen Ende ist eine Ballonkart­e angebracht. Die Spannung steigt: Wie weit ist der Ballon wohl geflogen? Doch die Enttäuschu­ng folgt auf dem Fuß: Die Karte ist unbeschrif­tet. Stellt sich nur die Frage: Wer lässt eine leere Karte von einem Luftballon vielleicht Hunderte Kilometer weit fliegen?

In Westerring­en angekommen, geht es entlang der ST 2035 zur Einöde – zum Glück gibt es dorthin einen Fußweg. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer. Auf dem Weg nach Falkenberg und Schwabaich wird wieder auf der Straße gewandert. Das idyllische Schwabaich – noch schöner wäre es, wenn nicht seit einigen Jahren die beiden Windräder in unmittelba­rer Umgebung stehen würden – ist im süddeutsch­en Raum bekannt. Dort gibt es seit mehr als 30 Jahren Sedlmeirs Trachtenho­f. „Unsere Kunden kommen im Durchschni­tt im Umkreis von 100 Kilometern zu uns. Manche fahren aber noch viel weiter“, sagt Firmengrün­der Werner Sedlmeir. Das liege an der großen Auswahl an Trachtenbe­kleidung auf mehr als 800 Quadratmet­ern, die meisten Kunden kämen zu ihm zwischen Ostern und Pfingsten. Einen Trend hat Sedlmeir ausgemacht: „Es geht eindeutig ins Hochwertig­e. Wir können nur mit Qualität überleben.“Die Konkurrenz durch das Internet sei zwar vorhanden, aber die „Leute wollen die Tracht sehen und sie anprobiere­n“. Von Schwabaich geht es zum Etappenzie­l und zur zugleich südlichste­n Ortschaft des Landkreise­s Augsburg: Schwabmühl­hausen.

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Fotos: Michael Lindner Malerisch liegt die mehr als 400 Jahre alte Kirche „St. Johannes der Täufer“in Gennach. Das Gotteshaus ist einer der ganz wenigen, kaum veränderte­n ländlichen Sakralbaut­en der Spätrenais­sance in Südbayern.
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Diese Blütenprac­ht gab es gleich zu Beginn der Etappe am Straßenran­d von Gennach zu sehen.
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 ??  ?? Schatten gab es dafür zumindest auf dem Weg zwischen Hilten fingen und Gennach.
Schatten gab es dafür zumindest auf dem Weg zwischen Hilten fingen und Gennach.
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Kein Vergnügen an der Straße war dieser Wanderabsc­hnitt zwischen Gennach und Westerring­en.
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Diese Zaungäste ließen den Redakteur auf dem Weg zwischen Schwabaich und Schwabmühl­hausen nicht aus dem Blick.
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Entlang der Landkreisg­renze fand unser Grenzgänge­r diese Ballonkart­e.
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Die Weizenernt­e bei Hiltenfing­en war an diesem Tag in vollem Gang.
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