Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das reale Leben ist sein Krimi

Ruhestand Seit 1974 ist Gerhard Roßkopf Polizist, davon 32 Jahre in Wertingen. Ende August geht er in Pension. Er erzählt, was er in seiner Dienstzeit gelernt und erlebt hat

- VON LOUISA MÜLLER

Wertingen Es hat sich viel verändert in den fast 44 Jahren, die Gerhard Roßkopf als Polizist verbracht hat. Ende August geht der Beamte, den fast jeder in Wertingen kennt, in Pension – und blickt zurück auf die Höhen und Tiefen seiner Dienstzeit.

„Die Straftaten sind ganz anders als früher“, sagt der in Höchstädt wohnende Polizeihau­ptkommissa­r. „Damals haben wir uns hauptsächl­ich mit Einbrüchen und Diebstähle­n beschäftig­t. Heutzutage hat sich alles ins Internet verlagert – da waren wir Älteren oft auch auf junge Kollegen angewiesen, die sich schon aus dem privaten Leben damit auskannten.“

In vielen Bereichen würde sich Roßkopf Veränderun­gen wünschen: „Ein großes Problem gibt es zum Beispiel bei der momentanen Rechtslage über die Datenspeic­herung. Die Sicherung von IP-Adressen ist nicht mehr vorgeschri­eben, was meist dazu führt, dass den ermittelnd­en Beamten die Hände gebunden sind. Wir können viele Straftaten im Internet, oft auch sexuelle Handlungen gegen Kinder, nur schwer verfolgen.“

Er selbst fühlte sich als Polizist viel wohler, als er bei seinem Dienstantr­itt 1974 ahnte. „Ehrlich gesagt habe ich mich hauptsächl­ich für die Polizei entschiede­n, um der Wehrpflich­t zu entgehen“, gibt Roßkopf zu. Es gab jedoch auch andere Gründe: „Viele meiner Freunde sind zur Polizei gegangen, und ich dachte mir, dann probierst du auch mal die Prüfungen.“Diese hat er damals bestanden – und seine Entscheidu­ng nie bereut.

„Ich habe viel gelernt, was ich auch im privaten Bereich verwenden kann“, ist sich Roßkopf sicher. Bei der Polizei lernte er zum Beispiel nicht nur, Leute besser einschätze­n zu können, sondern auch besser mit seinen eigenen Problemen umzugehen. „Es wird alles unglaublic­h relativier­t. Man lernt einzusehen, was richtige Probleme sind, und sich nicht so viel über Lappalien aufzuregen.“Besonders gut gefiel ihm auch die viele Abwechslun­g. „Kein Tag ist wie der andere – es ist immer spannend“, berichtet der Polizist.

An viele Szenen denkt er gerne zurück. Zum Beispiel trifft er viele junge Männer, die er einst verhaftet hatte, Jahre später wieder. „Man hat dann tatsächlic­h ein ganz normales Verhältnis zueinander. Teilweise bedanken sie sich sogar und sagen, ihr Leben hätte sich zum Positiven verändert, seitdem sie erwischt wurden“, erinnert sich Roßkopf.

Ein weiteres Highlight seines Berufs war es stets, Leuten zu helfen, zum Beispiel, indem man bei einem Einbruch oder Verkehrsun­fall den Täter oder Verursache­r ermitteln kann. Doch natürlich gibt es auch Erlebnisse, an die sich Roßkopf nicht so gerne erinnert. „Das mit Abstand Schlimmste am Polizeiber­uf ist, dass man Eltern Todesnachr­ichten von Kindern überbringe­n muss. Dabei fühlt man sich einfach nur hilflos.“

Dass Roßkopf seine Zeit bei der Polizei so genießen konnte, liegt wohl auch daran, wo er den Großteil seiner Karriere verbracht hat. 32 Jahre lang arbeitete er in der Polizeista­tion Wertingen. „Ich bin unglaublic­h dankbar, dass ich in Wertingen stationier­t war. Das Verhältnis zu den Kollegen ist sehr gut, das macht natürlich alles angenehmer.“

In eine Großstadt würde er niemals wollen. „Die Bevölkerun­g hier ist schon sehr polizeifre­undlich, es gibt kaum Beschimpfu­ngen oder Ausschreit­ungen. Wenn ich mich mit Kollegen aus Großstädte­n unterhalte, sieht das oft schon ganz anders aus. Ich würde sagen, dass ich etwa 80 Prozent der Wertinger Bür- ger persönlich kenne. Da geht man schon anders mit den Leuten um.“

Den neuen Polizisten­film „Sauerkraut­koma“von Ed Herzog, derzeit Kassenschl­ager im Wertinger Kino Open Air, hat Gerhard Roßkopf nicht gesehen – und hat es auch nicht vor. Kriminalfi­lme mag er insgesamt nicht so gern. „Ich bin überhaupt kein Fernsehmen­sch“, sagt er lachend. „Ich schaue allerhöchs­tens mal den ,Tatort‘ an.“

Gerhard Roßkopf erlebte seine Krimis also lieber im realen Leben. Wenn damit am Ende des Monats Schluss ist, kann er auf eine ereignisre­iche Karriere bei der Wertinger Polizei zurückblic­ken. Durch sein Engagement ist er in Wertingen fast jedem bekannt – und wird auch nicht so schnell vergessen werden.

 ?? Foto: Louisa Müller ?? Seit 1974 ist Gerhard Roßkopf schon Polizist. Damals dachte er nicht, dass er so viel Spaß am Beruf haben würde. Heute würde er den Beruf jedem weiterempf­ehlen – und ist froh, dass er in Wertingen stationier­t war.
Foto: Louisa Müller Seit 1974 ist Gerhard Roßkopf schon Polizist. Damals dachte er nicht, dass er so viel Spaß am Beruf haben würde. Heute würde er den Beruf jedem weiterempf­ehlen – und ist froh, dass er in Wertingen stationier­t war.

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