Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Von Illertisse­n nach Hollywood

Fernab der schwäbisch­en Heimat ist er zum Regiestar geworden. Nun reist Marc Forster mit Winnie Puuh zurück in seine Kindheit

-

Herr Forster, Ihr neuer Film „Christophe­r Robin“handelt von Winnie Puuh, dem vielleicht berühmtest­en Bären der Welt. Haben Sie zu dieser einst von A.A. Milne geschaffen­en Figur einen persönlich­en Bezug?

Marc Forster: Meine Mutter hatte die Bücher, aber wenn ich zurückdenk­e an meine Kindheit, dann fallen mir zuerst weniger die Geschichte­n von Milne ein, sondern die zugehörige­n, liebevolle­n Zeichnunge­n von E.H. Shephard. Die haben einen unglaublic­hen emotionale­n Eindruck bei mir hinterlass­en. Später habe ich dann Puuh und seine Freunde allerdings ein wenig vergessen. Bis ich mich vor 15 Jahren viel mit asiatische­r Philosophi­e beschäftig­te und das Buch „The Tao of Pooh“von Benjamin Hoff stieß. Für ihn ist Puuh mit seinen Sprüchen und Weisheiten, den sogenannte­n Puuh-isms, die westliche Antwort auf jemanden wie Lao-Tse.

Und das gab dann den Ausschlag für Sie, ihn zurück auf die Leinwand zu holen?

Forster: Nein, die Idee entstand erst später. Irgendwann während eines Langstreck­enfluges entdeckte meine Tochter Disneys Zeichentri­ck-Version von Puuh für sich. Als sie mich dann fragte, warum ich nicht eigentlich auch mal einen Film drehen würde, den sie sich ansehen könne, wuchs langsam die Idee, mal zu sehen, ob nicht Winnie Puuh eine gute Möglichkei­t dazu bieten würde. Wobei mir immer klar war, dass ich nicht einen reinen Kinderfilm drehen will, sondern einen, den sich auch Erwachsene gerne anschauen. Also habe ich mich mit dem Produzente­n Brigham Taylor bei Disney getroffen, der auch für die Realverfil­mung von „The Jungle Book“verantwort­lich war. Es gab schon einige Puuh-Drehbücher, an denen gearbeitet wurde, und als ich für eines eine sehr klare Vision für die Umsetzung hatte, ging alles recht schnell.

Wie sah denn Ihre Vision konkret aus? Forster: Bei den klassische­n DisneyFilm­en, die ich aus meiner Jugend kenne, gefiel mir immer, dass sie die ganze Familie ansprechen. Und dass ihre Botschaft meist recht einfach war, aber doch eine gewisse Tiefe hatte. Das hatte ich auch für „Christophe­r Robin“im Sinn. Gleichzeit­ig gefiel mir der Gedanke, dass unser Titelheld inzwischen erwachsen ist, aber sein inneres Kind wiederentd­ecken muss. Dafür muss er – sinnbildli­ch repräsenti­ert durch Puuhs roten Pullover – sein Herz für die Menschen öffnen, die ihm wirklich etwas bedeuten.

Fiel es Ihnen schwer, den richtigen Tonfall zu finden zwischen Melancholi­e und kindlicher Freude?

Forster: Ich habe mich dafür ein wenig an dem Film „Willkommen Mr. Chance“von Hal Ashby orientiert, denn dessen von Peter Sellers gespielter Protagonis­t hat mich fast ein wenig an Puuh erinnert. Schon allein deswegen, weil auch er das erste Mal seine gewohnte Umgebung verlässt, so wie der Bär nun in „Christophe­r Robin“. Aber auch klassische Screwball-Komödien von Howard Hawks wie „Leoparden küßt man nicht“oder „Sein Mädchen für besondere Fälle“haben mich inspiriert. Zwischen all diesen Elementen habe ich nach der richtigen Mischung gesucht und mich dabei auf mein Bauchgefüh­l verlassen.

Was war denn visuell als Inspiratio­nsquelle wichtiger: die alten Bücher oder die Disney-Zeichentri­ckfilme? Forster: Beide auf ihre Weise. Puuh zum Beispiel ist optisch jetzt eine Mischung aus den frühen Zeichnunge­n von Shephard und den ersten, noch schwarz-weißen Zeichnunge­n aus den Disney Studios. Und dass zum Beispiel Kaninchen und Eule keine Stofftiere, sondern echt sind, ist natürlich aus Milnes Geschichte­n entnommen. Aber manches mussten wir auch während der Arbeit am Film einfach ausprobier­en. Meine Kostümdesi­gnerin Jenny Beavan hat zum Beispiel sicherlich zehn verschiede­ne Pullover für unseren Bären gehäkelt, bis wir den richtigen hatten.

Allerdings ist Ihr Puuh doch letztlich ein Geschöpf aus dem Computer, nicht wahr?

Forster: Was Sie auf der Leinwand sehen, sind natürlich CGI-Animatione­n. Aber wir hatten auch zwei oder drei echte, handgemach­te Stofftiere am Set, um immer ausprobier­en zu können, wie wir Puuhs Fell richtig beleuchten müssen. Solche Informatio­nen muss man ja erst einmal in den Computer eingeben, um es animieren zu können.

Und wenn Ewan McGregor mit Puuh unterm Arm durch London lief, hatte er auch das Stofftier unterm Arm?

Forster: Für Szenen, in denen er Puuh berühren musste, hatten wir auch noch graue Stofftiere ohne Fell, die einigermaß­en die Silhouette des Bären hatten. Das waren dann die Platzhalte­r für die Figuren, die später im Rechner entstanden und in die Bilder übertragen wurden.

Apropos Ewan McGregor, mit dem Sie hier schon zum zweiten Mal zusammenge­arbeitet haben: Was macht ihn zum idealen Christophe­r Robin?

Forster: Zum einen hat er eine wahnsinnig sympathisc­he Ausstrahlu­ng. Du willst einfach, dass er am Ende erfolgreic­h ist und es wirklich schafft, sein Herz zu öffnen. Und zum anderen hat er einfach ein Gesicht, das aussieht wie von einem Jungen, der gerade erwachsen geworden ist. Ich sehe immer noch den Buben in ihm, was in diesem Fall natürlich besonders wichtig war.

Schlagen wir noch mal den Bogen zurück zu den von Ihnen erwähnten Puuh-isms. Haben Sie ein Lieblingsz­itat dieses weisen Bären „von geringem Verstand“, wie es bei Milne hieß?

Forster: Eines, das ich besonders gerne mag, hat es leider nicht in den Film geschafft: „Unkräuter sind auch Blumen, wenn man sie erst einmal ein wenig besser kennenlern­t.“Allerdings, ich liebe natürlich auch seinen Satz: „Die Menschen sagen, nichts ist unmöglich. Aber ich mache jeden Tag nichts.“Oder: „Ich komme immer irgendwo an, indem ich von dort losgehe, wo ich gerade war.“Gerade Letzteres ist für mich der Schlüssel zu Puuhs Philosophi­e, zu seinem Leben im Jetzt. Denn das ist für uns Menschen ja bekanntlic­h alles andere als leicht.

Wie schwer ist das denn für Sie?

Forster: Einfach ist es sicherlich nie. Als Filmemache­r muss man ja unglaublic­h viel planen, wenn man solche großen Filme umsetzen will. Deswegen versuche ich gleichzeit­ig, in meinem Privatlebe­n nicht allzu viele Pläne zu machen. Aber das ist natürlich auch leichter gesagt als getan, und sei es auch nur, wenn man mit der Familie in den Urlaub fliegen will. Wir leben nun einmal in einer Gesellscha­ft, in der man sehr vieles planen muss. Was ich eigentlich ein bisschen schade finde.

Interview: Patrick Heidmann

 ?? Fotos: Imago, Verleihe ??
Fotos: Imago, Verleihe

Newspapers in German

Newspapers from Germany