Augsburger Allgemeine (Land Nord)
So ist eine Sommernacht in der Maxstraße
Partymeile Viele Augsburger und Besucher genießen die lauen Sommerabende in der Innenstadt. In dieser Zeit nehmen auch die Beschwerden wegen Lärmbelästigung bei der Polizei zu
Natürlich schauen die Menschen, die auf der Maxstraße vor den Bars sitzen, auf die beiden Autos. Das wollen die Fahrer. Sie lassen die Motoren des roten Lamborghinis und des orangefarbenen Porsches auf Höhe Café Picnic aufheulen. Es ist Samstagabend. Das Leben pulsiert. Tische und Stühle sind besetzt, der Herkulesbrunnen vor lauter Nachtschwärmern fast nicht mehr zu sehen. Städter und Besucher genießen den lauen Abend. Er ist einer von vielen in diesem Sommer. Für Polizei und Ordnungsdienst bedeutet das vor allem Arbeit. Oft geht es um Ruhestörungen.
„Nein, nein, wir wollen die Autos nicht zur Schau stellen. Wir suchen nur einen Parkplatz“, versichert der Fahrer des Porsches mit Günzburger Kennzeichen. Er und sein Freund drehen schon wieder eine Runde auf der Maximilianstraße – lautstark. Wer Ruhe sucht, ist in Augsburgs Prachtmeile am Wochenende fehl am Platz. Auch in der restlichen Innenstadt sind die Nächte lebhafter als sonst. „Da die Abende in diesem Sommer außergewöhnlich warm sind, drängt es mehr Menschen als sonst ins Freie – auch bis in die späten Nachtstunden“, bestätigt Ordnungsreferent Dirk Wurm. Für den Ordnungsdienst gebe es mehr zu tun, auch aufgrund von Lärmbelästigung. Auch bei der Polizei spürt man den Sommer.
1314 Beschwerden wegen Ruhestörungen in der Stadt sind von Anfang Juni bis Mitte August bei der Polizei eingegangen. In der Innen- sind es eher „Partys“auf Balkonen oder in Innenhöfen, die für Unmut sorgen, berichtet Polizeisprecherin Rebekka Oehmichen. Außerhalb des Stadtzentrums stünden dagegen Garten- und Grillpartys im Fokus. Dabei sollte generell ab 22 Uhr Nachtruhe sein. Eine Uhrzeit, die viele bei den warmen Temperaturen freilich nicht einhalten. Für die beiden Polizisten Alexander Pfister und Patrick Otte bietet die Samstags-Nachtschicht in der Innenstadt das „ganz normale Sommerprogramm“. Ruhestörungen nachzugehen, gehört dazu. „Die Menschen feiern draußen, manche Anwohner aber wollen schlafen.“Mit steigendem Alkoholpegel würden Gespräche und Gelächter auf den Straßen auch lauter. Das Lärmempfinden, weiß der 37-jährige Polizeioberkommissar Pfister, sei sehr subjektiv. Manche störe schon ein lauter Fernseher oder ein reges Liebesspiel, das durch offene Fenster zu hören ist. Er und sein Kollege gehen jeder Beschwerde nach, schauen sich die Lage vor Ort an, sprechen mit den Beschwerdeführern, appellieren an die Vernunft der Krachverursacher.
„Sollte das nicht fruchten, gibt es eine Ordnungswidrigkeitsanzeige. Das kann auch bis zur Sicherstellung einer Musikanlage führen.“Pfister hat den Eindruck, dass die Beschwerden zunehmen. Eine der Ursachen sei, dass Gespräche nicht mehr so oft gesucht werden. „Manche rufen lieber die Polizei, als zuerst den Nachbarn auf den Lärm anzusprechen.“In der Maxstraße wäre Letzteres kaum möglich. Hun- derte Menschen sind dort nachts unterwegs, stehen vor den Clubs und Kneipen, unterhalten sich, lachen. Manche grölen oder hören Musik aus eigenen Boxen. Viele sitzen einfach nur am Herkulesbrunnen oder auf Bänken, trinken selbst mitgebrachten Alkohol und Drinks, die sie in Plastikbechern aus umliegenden Bars holen.
Ein alter Mann geht mit einer Plastiktüte durch das Partyvolk und fischt deren leere Flaschen aus den Abfalleimern. Leo Dietz spricht vom sogenannten Bierflaschenpublikum, das es immer mehr gebe. „Viele Leute gehen nicht mehr in die Lokale rein. Sie setzen sich mit einem Getränk draußen irgendwo hin“, sagt der Betreiber des Peaches und Kreisvorsitzender des heimischen Hotel- und Gaststättenverbands. Vielleicht fallen die beiden Freunde Bernd K. und Jürgen J. auch in diese Kategorie. Die 41-Jähstadt rigen sitzen mit einem Bier auf dem Fensterbrett eines Schaufensters. Sie beobachten das Treiben am Herkulesbrunnen. Die Maxstraße finden sie gar nicht mehr so laut und voll. „Vor rund 20 Jahren war hier viel mehr los. Da gab es in der Maxstraße noch versenkbare Pylonen. Mit denen wurde die Straße im Laufe des Abends aufgrund der vielen Menschen am Herkulesbrunnen für den Verkehr gesperrt, erzählen sie. Aber früher seien die Gehsteige auch schmaler gewesen. Es habe auch nicht so viel Außenbewirtschaftung gegeben. „Vielleicht verteilt sich die Menschenmenge heute besser“, fügen sie hinzu. Eine Anwohnerin in der Maxstraße, die der Lärm kaum stört, ist Carola Fischer*. Sie lebt hier schon einige Jahre mit ihrer Familie. Die Geräuschkulisse ist am Wochenende am stärksten, sagt sie. „Aber ich würde hier nicht wohnen, wäre ich lärmempfindlich.“Da empfindet sie die lauten Kehrmaschinen, die Sonntagmorgen durch die Straße und die Seitengassen streifen, als störender.
Die Polizisten Alexander Pfister und Patrick Otto halten mit ihrem Streifenwagen am Herkulesbrunnen. Sie wissen, dass Polizeipräsenz auf der Partymeile wichtig ist. Die Einsätze wegen Streitereien etwa sind dort gleichbleibend auf hohem Niveau. Bislang wurden in diesem Jahr 570 Einsätze auf der Maxstraße verzeichnet. 2017 waren es im vergleichbaren Zeitraum nur fünf weniger. Allerdings nimmt die Gewaltbereitschaft zu, stellen beide fest. Polizeisprecherin Oehmichen bestätigt, dass die Zahl gefährlicher Körperverletzungen, auch mit Gegenständen wie Messern, steige. Während die beiden Polizisten über ihre Maxstraßen-Erfahrungen erzählen, werden sie zu einem Einsatz gerufen. Ein Mann soll am Predigerberg an mehreren Autos Außenspiegel abgetreten haben. Pfister und Otte rennen sofort in die Richtung.
Das Gejohle von angetrunkenen Nachtschwärmern darum herum ist den beiden Beamten sicher. Doch auf so etwas achten sie nicht mehr. Weitere Einsatzfahrzeuge kommen zur Verstärkung. Letztendlich wird der Täter in der Wintergasse gefasst. Der 18-Jährige wird in Gewahrsam genommen. Und im ganzen Trubel dreht der Fahrer mit seinem orangefarbenen Porsche mit Heckspoiler und GZ-Kennzeichen wieder eine Runde. Klar, er sucht sicherlich immer noch nach einem Parkplatz.