Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Kuchenkrie­g der Mütter

Der Konkurrenz­kampf beginnt beim Kind und setzt sich bis zum Tortenguss fort

- VON TANJA WURSTER

Kürzlich erinnerte ich mich an ein Erlebnis, das ich während meiner Schwangers­chaft hatte. Ich war auf einem Flohmarkt im Kindergart­en und erstand dort Bodys, Strampler und Mützchen. Dort gab es auch einen Kuchenverk­auf. Vor mir zig leckere Kuchen und Torten, teils aufwendig verziert. Hinter dem Verkaufstr­esen zwei Mütter, offenbar in bester Lästerlaun­e: „Ich würde den Tortenguss nie aus der Packung nehmen“, sagte die eine und zog pikiert die Augenbraue hoch, während sie auf einen Obstkuchen deutet. „Viel zu viel Chemie, und schmecken tut der auch nicht“, so ihr vernichten­des Urteil über den Kuchen, mit dem ich gerade noch geliebäuge­lt hatte. „Manche verwenden doch echt Backmischu­ngen!“, entrüstet sich die andere und rümpfte die Nase. Die Erste bekam fast Schnappatm­ung ob dieser Offenbarun­g. Ich kam mir vor wie eine Gafferin, Ekel und Neugier lieferten sich einen Machtkampf. Was soll ich sagen – ich fand diese Mütter einfach nur schrecklic­h. Warum mir das Kuchen-Intermezzo wieder einfiel?

Ich bin mit meinem Sohn in einer Krabbelgru­ppe. Klar, Gesprächss­toff Nummer eins unter uns Müttern sind unsere Babys. Da bleibt auch das Vergleiche­n nicht aus. „Mein Kind streckt schon den Po hoch, wenn es auf dem Bauch liegt. Macht dein Kleiner das auch?“– „Der erste Zahn müsste bald durchschie­ßen. Zahnt dein Baby auch schon?“Ich finde das harmlos. Noch, möchte ich fast hinzufügen. Denn irgendwie beschleich­t mich das Gefühl, dass sich das bald ändern wird. Dann wird aus dem harmlosen Geplänkel knallharte­r Wettbewerb. Dann geht der Kampf los: Wer hat das tollste, schönste und intelligen­teste Kind? Wer fördert sein Kind am besten, wer tut am meisten für sein Kind, wer macht den Tortenguss selbst und wer greift zur Packung?

Warum tun Mütter sich das an? Wir Frauen sollten doch zusammenha­lten! Viele Mütter haben in der Kita, im Verein oder in der Schule Kontakt miteinande­r. Doch anstatt sich zu unterstütz­en, gibt es oft ein Hauen und Stechen. Warum, frage ich mich. Jedes Kind hat seine Stärken (und Schwächen), und garantiert tut jede Mutter das Beste für ihr Kind. Ob es nun mit Backmischu­ngen aufwächst oder nicht, ist doch völlig unerheblic­h.

Nach dem Flohmarkt ging ich übrigens ohne Kuchen nach Hause. Mir war der Appetit vergangen.

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Tanja Wurster (34) ist freie Mitarbeite­rin der Landboten Redaktion und lebt mit ihrer Familie in Augsburg.

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