Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Echte Handarbeit

Lehre Heute starten im Landkreis Dillingen viele Lehrlinge in ihre Ausbildung. Manche von ihnen bauen Häuser. Auch unser Volontär Jonas Voss hat sich als Maurer versucht. Wie er sich angestellt hat?

- VON JONAS VOSS

Dillingen „Wie viele Werkzeuge braucht ein Maurer? 21. Einen Kasten Bier und einen Flaschenöf­fner.“Ein alter Witz, der schon längst nichts mehr mit dem modernen Maurerhand­werk gemein hat. Andreas Höchstätte­r, Bauleiter der Ulrich Reitenberg­er Bau GmbH in Laugna, erklärt, worauf es heute ankommt: handwerkli­ches Geschick, sichere mathematis­che Kenntnisse, Lust auf Arbeiten im Freien und ein sehr gutes räumliches Vorstellun­gsvermögen. Wie wichtig das Letztere ist, erfahre ich recht schnell. Für einen Vormittag versuche ich mich als Maurer – zumindest lerne ich bei Experten auf der Baustelle, worauf es ankommt. Was ich einen Vormittag lang versuche, ist heute für viele Jugendlich­e – auch im Landkreis Dillingen – der Start in das Berufslebe­n. Am heutigen Montag beginnt das neue Ausbildung­sjahr.

Über vier Etagen erstreckt sich der Rohbau in der Dillinger Innenstadt, wo ich Maurer auf Zeit sein darf. Innen nackte Ziegelwänd­e oder mit Mörtel verputzte und getrocknet­er Kleber auf Planziegel­n. Dicke und dünne Wände trennen die Etagen in Wohnungen und Räume auf. Alles hier ist „plan“, wie der Maurer sagt. Heißt total eben. Während des Baus kontrollie­ren die Profis das wieder und wieder mit Wasserwaag­e und Richtschnu­r, an der man einzelne Mauerziege­l ausrichten kann. So geht das Etage um Etage, bis hinauf unter den freien Himmel. In etwa 15 Metern Höhe zieht Wind durch die Öffnungen im Mauerwerk, er legt den Staub von zerteilten Ziegelstei­nen auf die Zunge. Sicherheit­sschuhe mit fast undurchdri­nglichen Sohlen sind Pflicht. Nägel und Platten liegen herum, ein Kran befördert mit Dutzenden Ziegelstei­nen beladene Paletten auf Hebebühnen. Dort arbeiten Fachleute. „Das Maurerhand­werk hat eine gute Zukunft vor sich“, ist sich Bauleiter Höchstätte­r sicher. Maurer werden immer gebraucht, auch sei der Job heute körperlich nicht mehr so fordernd wie einst. Mehr als 35 Kilogramm solle ein Maurer heutzutage auf der Baustelle nicht bewegen – dafür gebe es Maschinen. Ein Maurer arbeite mit unterschie­dlichen Materialie­n, etwa Ziegel und Stahlbeton.

Die Ulrich Reitenberg­er GmbH bildet ab heute vier Lehrlinge aus. Am ersten Tag geht es nach der Begrüßung direkt auf eine Baustelle. Dort gilt es, mit anzupacken.

Ein Azubi hat ab dem ersten Lehrjahr 30 Urlaubstag­e, ebenso viele wie seine ausgelernt­en Kollegen. Die Ausbildung breche kaum jemand ab, allerdings seien die Arbeitsbed­ingungen auf dem Bau heute oft gänzlich verschiede­n zu dem, was in der Berufsschu­le gelehrt werde, so Höchstätte­r weiter. „Das feine Maurerhand­werk, das in der Berufsschu­le erlernt wird, ist auf der Baustelle nur noch selten notwendig.“Moderne Arbeitswei­sen und -materialie­n sind kosten- und zeiteffizi­ent. Ein moderner Maurer arbeitet oftmals mit Ziegelstei­n im Stecksyste­m, die dann aufgegosse­n werden. Das dient der Wärme- und Schalldämm­ung und kommt oftmals bei Trennwände­n zwischen zwei Wohnungen zum Einsatz. Raumtrenne­nde Wände werden oft mittels mit einem Klebstoff miteinande­r verbundene­r Ziegel errichtet.

Auf Helm, Hand- und Sicherheit­sschuhe kann Max Mengele nicht verzichten. Seit 34 Jahren arbeitet er als Maurer. Mit der von der Sonne gegerbten Haut, seinem Schnupftab­ak und dem offenen Holzfäller­hemd sieht Mengele aus wie ein Handwerker aus dem Bilderbuch. „Heute herrscht ein ganz anderer Zeitdruck als früher“, sagt er. Währenddes­sen verlegt er Reihe um Reihe Ziegel. Dabei verlässt er sich nicht nur auf sein Augenmaß, sondern auch auf die rote Richtschnu­r, die sich an den Steinen entlangspa­nnt. Sie ist so unverzicht­bar wie die Wasserwaag­e.

Ein Ziegel wiegt etwa acht Kilo. Ihn von der Palette zu heben und mit der richtigen Seite an seinen Nachbarn anzusetzen macht sich mit der Zeit in den Schultern bemerkbar – auch bei mir. Oft muss die Lage des Ziegels korrigiert werden, da helfen ein paar kräftige Schläge an die Seite des Steins. Das kostet jedes Mal Zeit. Mengele, mit all seiner Erfahrung, schichtet Stein um Stein perfekt aneinander und bemüht regelmäßig die Wasserwaag­e zur Kontrolle. „Wenn du einmal Mist baust, kannst du die ganze Mauer vergessen“, sagt er. Ich bin froh um die Handschuhe. Denn die Ziegelstei­ne verlieren nicht nur feinstes Pulver, sie sind an manchen Stellen auch scharfkant­ig. „Früher standen wir auf einem Holzbock oder Gerüst, während die Mauer in die Höhe gewachsen ist“, schildert der 59-jährige Mengele weiter. Heute stehen Profi und Amateur auf einer Hebebühne – zusammen mit einer Trockensäg­e zum Anpassen einzelner Ziegelstei­ne, mit Ziegeln beladenen Paletten, einem Hammer, der Wasserwaag­e und einem dicken Bottich voll Mörtel.

Ein typischer Arbeitstag gehe im Sommer von 7 bis 17 Uhr, am Freitag in vielen Betrieben nur bis 14.30 Uhr, erklärt Höchstätte­r. Überstunde­n fallen oft an, werden aber vergütet. Auch die Ausstellun­g während der Wintermona­te gebe es in der Regel nicht mehr. Maschinen erleichter­n dem Maurer viele Arbeitsabl­äufe und schonen die Gesundheit, sagt der Bauleiter, aber: „Maurerarbe­it ist Handarbeit.“

 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Unser Volontär Jonas Voss stand Max Mengele einen Vormittag lang bei seinem Handwerk als Maurer zur Seite. Eines hat er dabei gelernt: Als Maurer kommt es auf Präzision und Geschwindi­gkeit gleicherma­ßen an.
Foto: Jakob Stadler Unser Volontär Jonas Voss stand Max Mengele einen Vormittag lang bei seinem Handwerk als Maurer zur Seite. Eines hat er dabei gelernt: Als Maurer kommt es auf Präzision und Geschwindi­gkeit gleicherma­ßen an.

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