Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Ära der Knabenrealschule ist vorbei
Bildung Seit 1. August heißt die Einrichtung an der Neudegger Alle in Donauwörth offiziell „Realschule Heilig Kreuz“. Ab Dienstag werden dort auch 26 Mädchen unterrichtet. Schulleiter Joachim Düsing erklärt die Veränderungen im Haus
Donauwörth Wenn Anfang nächster Woche die Sommerferien zu Ende gehen, dann beginnt in der Donauwörther Schullandschaft eine neue Zeitrechnung – zumindest, was die Realschulen angeht. Denn die bisherige Knabenrealschule an der Neudegger Allee heißt seit 1. August ganz offiziell nur mehr „Realschule Heilig Kreuz“. Die Namensänderung hat freilich einen Grund: Ab Dienstag werden dort erstmals ganz offiziell auch Mädchen unterrichtet. 26 wurden für das neue Schuljahr angemeldet.
Dieser Schritt sei notwendig, um die Realschule in einer brauchbaren Größe weiterzuführen, sagt Rektor Joachim Düsing. Der demografische Wandel sei im Schulleben besonders spürbar. 422 Kinder seien es im vergangenen Schuljahr in Heilig Kreuz gewesen. 2018/2019, mit den Mädchen, werden es dann 452 sein, die sich auf 18 Klassen in den sechs Jahrgangsstufen aufteilen. „Wenn es mittelfristig um die 500 sind, sind wir sehr zufrieden. Dann ist es noch immer familiär und jeder kennt jeden – was für die Schüler manchmal schlecht und manchmal gut ist. Und genug Platz ist dann auch“, so Düsing.
Er kann sich noch an die Zeiten erinnern, als das Schulgebäude aus allen Nähten platzte. Über 1000 Kinder in 38 Klassen waren es schon einmal. Damals waren übrigens auch schon Mädchen dabei – allerdings nur übergangsweise. „Von 1999 bis 2004 wurde ein Teil der Kinder von St. Ursula hier unterrichtet“, sagt Düsing, der seit 1991 in Heilig Kreuz Lehrer und seit 2010 Schulleiter ist. 1999 wurde flächendeckend an bayerischen Realschulen die Sechsstufigkeit eingeführt. „St. Ursula hatte aber damals zu wenige Klassenräume, und so kamen zwei komplette Jahrgänge mit etwa 80 Mädchen zu uns“, berichtet Düsing. „Sie erhielten übrigens auch ihre Zeugnisse offiziell von einer Knabenrealschule.“
Die Knabenrealschule HeiligKreuz, 1889 von Ludwig Auer als Bürgerschule samt Internat gegründet, war bereits seit 1949 sechsstufig, was lange Zeit ein Alleinstellungsmerkmal in der Region und auch darüber hinaus war. Dementsprechend hoch war lange der Zulauf. Als aber auch Realschulen wie Rain oder Wemding sechsstufig und in diesem Zuge die Busanbindungen dorthin immer weiter verbessert wurden, seien die Schülerzahlen in Heilig Kreuz zurückgegangen. „Das Konzept einer reinen Knabenrealschule gilt außerdem bei vielen Eltern heutzutage als veraltet“, weiß Düsing. Auch die Schließung des Internats vor zwei Jahren hatte Auswirkungen. Deshalb nun der Schritt in Richtung einer koedukativen Erziehung.
Das wird bald übrigens auch für die Mädchenrealschule in Donauwörth gelten. Das Schulwerk der Diözese Augsburg hat laut Düsing vor einigen Jahren auch beschlossen, St. Ursula für männliche Schüler zugänglich zu machen. „Das ist am jetzigen Standort in der Stadt aber nur schwer möglich. Brandschutz, eine alte Turnhalle, keine Aula“, nennt Düsing als Gründe. Deswegen sollen beide Realschulen am Standort in der Neudegger Allee zusammengefasst werden. St. Ursula werde dann einen Anbau und einen Teil der Räume der HeiligKreuz-Schule bekommen, die wiederum saniert werde. Im kommenden Juli soll nach jetzigem Stand Baubeginn sein. Beide Schulen werden auch weiterhin in kirchlicher Trägerschaft sein, sich aber im pädagogischen Konzept unterscheiden. „Wir sind eine ganz normale Realschule, St. Ursula wird eine gebundene Ganztagsschule nach dem Marchtaler Plan“, erklärt Düsing.
Das aber ist derzeit noch Zukunftsmusik. Aktuell fokussiert er sich auf den Unterrichtsstart am Dienstag. „Ich bin schon auch froh, dass es wieder losgeht. Der Schuljahresbeginn ist immer spannend.“Neu sei für ihn, dass er in seiner Ansprache erstmals auch „Schülerinnen“begrüßen werde. Das müsse beispielsweise bei den Schulverträgen ebenfalls angepasst werden. Baulich mussten keine Änderungen wegen der weiblichen Neuzugänge vorgenommen werden. So habe es etwa schon immer genauso viele Toiletten für Mädchen und Buben im Haus gegeben. Am ersten Tag wird der Rektor den neuen Schülerinnen die Vertrauens- und die Beratungslehrerin vorstellen. „Für Fälle, in denen man sich nicht an einen Mann wenden will.“
Düsing plant für das Lehrerkollegium zudem eine Fortbildung, in der spezielle Aspekte in der Erziehung von Mädchen behandelt werden. Der Kurs hätte eigentlich schon am kommenden Montag stattfinden sollen, musste aber wegen Krankheit der Referenten abgesagt werden. „Das holen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt nach“, kündigt Düsing an. Er selbst glaube aber, dass die Umstellung nicht schwerfalle. „Als damals die Mädchen bei uns waren, habe ich sie auch unterrichtet – und dabei keine großen Unterschiede festgestellt.“
Im neuen Schuljahr werden 18 weibliche und 15 männliche Kollegen an der Realschule Heilig Kreuz unterrichten. „Zuvor waren es zu zwei Dritteln Männer. Sechs davon haben sich aber in Ruhestand verabschiedet, neu dafür sind ein Mann und fünf Frauen“, so Düsing. Eine Sportlehrerin, die an koedukativen Einrichtungen zwingend benötigt wird, habe es schon immer gegeben. „Generell kennen die meisten Kollegen die Zeiten der ersten Mädchen noch. Deswegen sehe ich der vermeintlichen Umstellung gelassen entgegen“, so Düsing. Sicher dürfte im Schulhaus eine etwas andere Atmosphäre herrschen. „Aber Kinder werden schließlich überall gemeinsam erzogen – warum also nicht in der Schule?“Man habe schon immer versucht, die Kinder so zu nehmen, wie sie sind, und sie nicht zu verbiegen. „Wir haben nicht vor, jetzt daran etwas zu ändern.“
Drei Zweige werden, wie bisher, an der Realschule Heilig Kreuz angeboten: mathematisch-naturwissenschaftlich, wirtschaftlich und französisch. „Wir hatten ab 1999, als die Mädchen bei uns waren, einen musischen Zweig eingeführt. Den haben wir nicht immer, können wir aber jederzeit wieder aktivieren“, sagt der Schulleiter.
Dem Namen „Knabenrealschule“trauere er übrigens nicht nach. Stattdessen freue er sich auf die neue Herausforderung, wobei er die Neuerung nicht zu hoch hängen will. „Wir haben uns als Heilig Kreuz in den vergangenen Jahren schon verändert. Dass wir uns nun für Mädchen öffnen, ist nur ein zusätzlicher Aspekt.“