Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Drei Mauren“statt „Drei Mohren“?
Interview Uni-Wissenschaftler Philipp Bernhard wünscht sich eine weitere Debatte um Logo und Namen des Augsburger Traditionshotels. Er musste sich schon öfter mit entsetzten Reaktionen von internationalen Gästen auseinandersetzen
Das Steigenberger Hotel Drei Mohren wirbt seit Kurzem mit einem Logo, das auf die traditionelle Darstellung der drei Mohren verzichtet. Was sagen Sie zu diesem Schritt?
Philipp Bernhard: Meine Kollegin Ina Hagen-Jeske (Europäische Ethnologie/Volkskunde) und ich verfolgen schon länger, wie sich die Debatte über den Namen und das Logo des Hotels entwickelt. Und wir waren überrascht, welche hohen Wellen dieses Thema in Augsburg schlägt. Wir begrüßen nun auch, dass das Hotel einen Anfang macht und auf das Bildlogo der „Drei Mohren“teilweise verzichtet.
Warum?
Bernhard: Auch uns hat dieses Logo schon öfter in ein peinliche Situationen gebracht. Wenn wir Gäste aus anderen deutschen und internationalen Universitäten zu Gast haben, sind sie teilweise empört über die drei Köpfe im Logo. Entsetzt war erst kürzlich der Gastdozent Achille Mbembe. Der in Südafrika ansässige Historiker und Philosoph gilt als einer der wichtigsten Denker des Postkolonialismus und setzt sich auch mit solchen Phänomenen auseinander.
Warum löst das Logo bei Wissenschaftlern immer wieder Kritik aus? Bernhard: Es zeigt die typische Darstellung des schwarzen Sklaven im Kolonialismus, einen vereinfachten sogenannten „Negertypus“ohne menschliche Züge. Das ist problematisch. Die Mohrenbüsten am Hotel haben dagegen individuelle menschliche Züge, sie sind weniger problematisch als das Logo.
Was halten Sie vom Vorschlag, das „Drei Mohren“in „Drei Möhren“umzubenennen? Viele Menschen fanden das völlig daneben ...
Bernhard: Ich war überrascht, dass der alternative Vorschlag „Drei Möhren“, den die Amnesty-International-Jugendgruppe ins Spiel brachte, von vielen Leuten so ernst genommen wurde. Dabei war er nur als strategisches Mittel gedacht, um Aufmerksamkeit zu erregen. Das ist zwar gelungen, doch die Debatte über den Hotelnamen zeigt, dass die Auseinandersetzung mit dem Augsburger Anteil an der Kolonialgeschichte noch ganz am Anfang steht. In anderen großen Städten wie etwa Berlin ist die Diskussion schon weiter. Worum geht es in Berlin?
Bernhard: In Berlin etwa läuft schon länger eine Diskussion über die Umbenennung der Mohrenstraße.
Kritiker von Umbenennungen beanstanden, dass damit ein Stück Geschichte ausgelöscht wird ... Bernhard: Das Interessante in Berlin ist, dass die Aktivisten das Ziel haben, den Bezug zur deutschen Kolonialgeschichte zu belassen, dass sie aber einen Perspektivenwechsel erreichen wollen. Sie schlagen vor, die Mohrenstraße in Anton-WilhelmAmo-Straße umzubenennen. Amo stammte aus dem heutigen Ghana. Er wurde Anfang des 18. Jahrhunderts als Kind versklavt, kam als „Hofmohr“an den Braunschweiger Hof und erhielt dort eine sehr gute Ausbildung. Er wurde der erste bekannte Philosoph und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft in Deutschland, stellte damit aber eine Ausnahme dar.
Aber wo sehen Sie die Grenzen der Namensdiskussion? Wenn man das Hotel „Drei Mohren“umbenennen würde, müsste man dann nicht auch dem Lokal „Mohrenkopf“einen neuen Namen geben, um politisch korrekt zu sein?
Bernhard: Die Debatte sollte in jedem einzelnen Fall differenziert geführt werden. Das Hotel „Drei Mohren“ist nicht irgendein Haus, sondern es hat ein internationales Publikum. Wichtig ist auch, dass der Name in diesem Fall auf eine Legende zurückgeführt wird und nicht historisch belegbar ist. Denkbar wäre zum Beispiel, dass das Hotelmanagement selbstkritisch handelt und eine Lösung im Dialog sucht, etwa mit der Bezeichnung „Drei Mauren“oder „Drei Mönche“.
Es gibt viele Menschen in Augsburg, die finden, das es wichtigere Probleme auf der Welt gibt als die Umbenennung des Hotels „Drei Mohren“... Bernhard: Die Reaktionen auf Facebook zeigen mir, wie wenig Wissen zum Kolonialismus vorhanden ist. Die deutsche Kolonialzeit war relativ kurz und wird deshalb bis heute oft bagatellisiert. Tatsächlich standen damals die Ausbeutung der Kolonien und Gewalt gegen die Bevölkerung im Vordergrund. Es geht aber nicht nur um damalige Verbrechen, sondern auch um Rassismus und Stereotype, die mit dem Kolonialismus verbunden sind und auch danach fortwirken.
Aber müsste eine Debatte über Kolonialismus nicht deutschlandweit geführt werden?
Bernhard: Diese Debatte wird bereits geführt. Die Hafenstadt Hamburg hat beispielsweise beschlossen, ein gesamtstädtisches Konzept zur Erinnerung an Hamburgs koloniales Erbe zu erarbeiten. Aber auch in Freiburg gibt es eine Auseinandersetzung mit „Kolonialismus in der Provinz“. Das Thema sollte aber insgesamt eine noch größere öffentliche Aufmerksamkeit bekommen, auch in Augsburg. Denn auch hier gibt es noch viele offene Fragen, etwa zur historischen Rolle von Augsburger Handelshäusern wie den Fuggern und Welsern. Augs- burg war in der frühen Neuzeit ein weltweites Wirtschaftszentrum, die Welser hatten eine eigene Kolonie in Venezuela und auch die Fugger profitierten indirekt über Handel und Finanzwesen vom Kolonialismus. Es könnte noch mehr getan werden, um dies ins öffentliche Geschichtsbewusstsein zu rücken.
Was wünschen Sie sich als Geschichtsdidaktiker für die weitere Diskussion? Bernhard: Ich wünsche mir eine offene und konstruktive Debatte, damit sich möglichst viele Leute eine eigene Meinung bilden können. Bislang sieht es für mich so aus, als ob die Befürworter und Gegner der Namensdiskussion auf ihren Positionen verharren.
Interview: Eva Maria Knab
Philipp Bernhard ist wis senschaftlicher Mitarbei ter am Lehrstuhl für Didak tik der Geschichte der Universität Augsburg.