Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mit 40 fängt sie noch einmal klein an
Berufe Andrea Kottmair wagt einen Schritt, den sich nur wenige trauen. Die Bankkauffrau lernt jetzt Erzieherin und erfüllt sich damit einen Traum
Ehingen Mit 40 Jahren beruflich noch einmal komplett von vorne anfangen? Andrea Kottmair aus Ehingen geht diesen Schritt. Die gelernte Bankkauffrau mit Zusatzqualifikation zur Finanzfachwirtin startet dieser Tage eine Ausbildung zur Erzieherin. „Man ist nie zu alt, um seine Träume zu verwirklichen“, hat die zweifache Mutter gedacht und sich für den beruflichen Neustart entschieden.
Ein Schritt, den sich viele in der Lebensmitte erträumen – aber nur wenige trauen sich, ihn auch umzusetzen. Nach einer Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) waren es deutschlandweit im Jahr 2016 gerade mal gut 1300 der über 40-Jährigen, die neue Verträge für eine Berufsausbildung abschlossen (bei über 500000 Neuabschlüssen insgesamt).
Nach über 20 Jahren drückt Andrea Kottmair jetzt wieder die Schulbank. Nach ihrer Erstausbildung arbeitete sie in einer Bank. Dann kamen die Kinder, um die sie sich „hauptberuflich“kümmerte. Nebenbei unterstützte sie ihren Mann Jürgen, der eine Versicherungshauptagentur betreibt. Inzwischen sind die beiden Töchter Cosima (11) und Tamina (9) so selbstständig, dass sie wieder ins Berufsleben zurückkehren möchte, doch nicht mehr als Finanzfachwirtin. „Der Wunsch, einen sozialen Beruf zu ergreifen, schlummerte schon immer in mir. Nachdem aber in unserer Familie alle Frauen einen kaufmännischen Beruf ergriffen hatten, bin ich aus Vernunft damals ebenfalls in diese Fachrichtung gegangen“, blickt sie zurück.
In den vergangenen Jahren habe sie dann durch die beiden Töchter viel mit Kindern gearbeitet und erlebt: „Angefangen in der Krabbelgruppe mit dem eigenen Nachwuchs über Kinderturnen, der Organisation von Aktionen beim örtlichen Ferienprogramm oder von Kindergottesdiensten bis hin zur Gruppenleitung beim Kinderbibeltag sowie mit Flüchtlingskindern – ich habe mit Begeisterung ehrenamtlich gearbeitet und gemerkt, dass es mir unheimlich viel Freude macht.“Ihr Wunsch nach beruflicher Umorientierung verstärkte sich und im Familienkreis trifft sie auf viel Verständnis für ihren Plan.
Als Vorbild für den Neustart mit 40 habe dann eine Freundin gedient, erzählt Kottmair. Auch diese habe ihn gewagt und leitet nun schon seit mehreren Jahren eine Kindertagesstätte. Bei ihr holte sie sich die ersten Informationen über die berufliche Neuorientierung. Ende vergan- Jahres hat sich die Ehingerin dann endgültig entschieden – und sich bei der Fachakademie für Sozialpädagogik Maria Stern in Augsburg beworben.
Kurz vor Weihnachten kam die ersehnte Zusage für eine Ausbildung als staatlich anerkannte Erzieherin. „Maria Stern bietet diesen Weg auch in Teilzeit an, ideal für mich. So habe ich weiterhin noch genügend Zeit, um meine Kinder bei ihren schulischen Aufgaben zu begleiten und meinen Mann im Büro zu unterstützen“, so Andrea Kottmair.
Mit Beginn des neuen Schuljahres startet die Herausforderung. DreiDeutschstunden mal wöchentlich – jeden Dienstagabend, freitags ab dem Nachmittag und samstags von 8 bis 15 Uhr – wird sie an der Fachakademie die Schulbank für die theoretische Ausbildung drücken. Zusätzlich sind mehrere Praktika zu absolvieren, mindestens 480 Stunden. „Ich habe das große Glück, dass ich diese Praktikumsstunden vor Ort im Kinderhaus Ringelreihen in Ehingen absolvieren darf.“
Voraussichtlich werde sie freiwillig zusätzliche Praktikastellen suchen, um noch andere Bereiche der Sozialpädagogik kennenzulernen. Nach drei Jahren endet die theoretigenen sche Ausbildung mit einer staatlichen Abschlussprüfung. Anschließend erfolgt die Zulassung zum Berufspraktikum. Dieses dauert noch mal ein Jahr und endet mit einer praktischen Prüfung und einem Colloquium. „Danach bin ich, wenn alles gut geht, staatlich anerkannte Erzieherin – mein Traum mit 40 plus“so Andrea Kottmair. „Ich freue mich auf diese spannende Zeit.“
Ihre beiden Töchter freuen sich besonders über den gemeinsamen Schulanfang zusammen mit der Mutter: „Es ist cool, dass heuer auch Mama einen Schulranzen packen musste.“