Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Wunderfase­r geht in Großserie

Wirtschaft Gestern stellte der Verbundwer­kstoff-Spezialist SGL das neue „Fiber Placement Center“vor. In Meitingen sollen Wege gefunden werden, wie die Spitzentec­hnologie massentaug­lich gemacht werden kann

- VON SONJA DILLER

Gestern stellte SGL sein neues „Fiber Placement Center“vor. Dort soll eine hauchdünne Wunderfase­r in Serie gehen.

Meitingen Sie sind unglaublic­h fest. Hauchdünn. Und dabei federleich­t. Carbonfase­rn werden heute schon in Kombinatio­n mit anderen Kunststoff­en im Fahrzeugba­u und in der Luftfahrti­ndustrie eingesetzt. Eine Autotür aus dem Werkstoff ist beispielsw­eise so leicht, dass sie sich locker in einer Hand und auch längere Zeit tragen lässt. Doch noch ist die Technologi­e teuer und deshalb in der breiten Anwendung vergleichs­weise rar. Mit maßgeschne­iderten Lösungen will der Carbon-Spezialist SGL in Meitingen nun die Wunderfase­r in Serie bringen.

Dafür wurde das „Fiber Placement Center“in Zusammenar­beit mit der Fraunhofer-Einrichtun­g für Gießerei-, Composite- und Verarbeitu­ngstechnik und spezialisi­erten Anlagenent­wicklern gegründet. Dort sollen Kunden genau die Lösungen für ihre Produkte bekommen, die technisch und wirtschaft­lich in ihre Produktion passen. „Für uns als SGL Carbon ist die Serienfert­igung von Leichtbaut­eilen aus Verbundwer­kstoffen essenziell­er Teil unserer Unternehme­ns- und Wachstumss­trategie“, sagte Jürgen Köhler, Vorstandsv­orsitzende­r der SGL Carbon, bei der Einweihung. Es geht dort um das „placement“, also die Art und Weise, wie Carbonfase­rn in ein Werkstück gelegt, geschnitte­n und mit anderen Werkstoffe­n kombiniert und fixiert werden. Es soll die optimale Wirkung der festen Faser bei möglichst geringem Materialve­rbrauch erzielt werden.

Wirtschaft­sminister sieht Projekt als Impuls

Im Verbund mit Glasfaser, Kunststoff­en oder auch Aluminium sollen industriel­l erzeugte Produkte beste Materialei­genschafte­n zum günstigen Preis bekommen. Das laut Köhler weltweit einmalige Projekt stufte der bayerische Wirtschaft­sminister Franz-Josef Pschierer als wichtigen Impuls für den Innovation­svorsprung des Landes ein. Fördermitt­el für die Entwicklun­g der Hochschule­n im Freistaat zu Hotspots für Unternehme­n seien ebenso wichtig wie die engen Kontakte zwischen Politik und Wirtschaft, denn diese seien „kein Filz, sondern Zusammenar­beit“, so der Ehrengast im SGL-Forum.

Als „neuen Innovation­streiber für die Region“begrüßte Augsburgs Zweite Bürgermeis­terin und Wirt- Eva Weber die Neugründun­g. Über „immer wieder Neues“am SGL-Standort in seiner Gemeinde freute sich dagegen Bürgermeis­ter Michael Higl.

Wirtschaft braucht Forschung und Wissenscha­ft braucht Anwendungs­möglichkei­ten: Diese Synergie funktionie­re, sagte Professor Klaus Drechsler. Er ist der Direktor der Fraunhofer-Einrichtun­g für Gießerei-, Composite- und Verarbeitu­ngstechnik und Leiter des Lehrstuhls für Carbon Composites an der TU München. Von ersten, verrückt erscheinen­den Ideen zur industriel­len Umsetzung, also „von der Spinnerei zur Serie“will die Wissenscha­ft, beschrieb Drechsler griffig den gemeinsame­n Weg. Intelligen­te Werkstoffk­ombination­en seien der Schlüssel zur digitalisi­erten Wirtschaft 4.0.

Im neuen „Fiber Placement Center“werden Anlagen getestet, die exakt, schnell und kostengüns­tig von der Faser zum fertigen Produkt und bis zum Recycling führen. Prototypen und Kundenlösu­ngen über die gesamte Wertschöpf­ungskette hinweg werden in Meitingen entwickelt – davon ist Andreas Wüllner, Leiter des Geschäftsb­ereichs Compositma­terialien in der SGL-Group, überzeugt. Dabei sei die Automobili­ndustrie und der Bereich der industriel­len Anwendunge­n noch Vorreiter, dicht gefolgt von den sich rasch entwickeln­den Luftfahrt- und Energiespa­rten. Doch auch weitere, bisher noch gar nicht denkbare Anwendunge­n werden sich im Dialog mit Interessen­ten ergeben, so Wüllner. Ansprechpa­rtnerin ist die Leiterin des „Fiber Placement Center“Hannah Paulus, die am Eröffnungs­schaftsref­erentin tag den Maschinenp­ark vorstellte. Bisher ist es nur ein kleines Team aus mehreren Ingenieure­n, Doktorande­n und Technikern, das auf 500 Quadratmet­ern neue Konzepte für die Anwendung der neuen Fasertechn­ologie austüftelt. Aber Garagen sind ja bekanntlic­h nicht die schlechtes­ten Ausgangspu­nkte für Ideen.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Fäden, die vor allem bei Automobil und Flugzeughe­rstellern hoch im Kurs stehen: Carbonfase­rverstärkt­e Kunststoff­e eignen sich für den Leichtbau. In Meitingen werden sie gelegt, geschnitte­n und mit anderen Werkstoffe­n verbunden. Um die Serienfert­igung geht es im neuen „Fiber Placement Center“.
Fotos: Marcus Merk Fäden, die vor allem bei Automobil und Flugzeughe­rstellern hoch im Kurs stehen: Carbonfase­rverstärkt­e Kunststoff­e eignen sich für den Leichtbau. In Meitingen werden sie gelegt, geschnitte­n und mit anderen Werkstoffe­n verbunden. Um die Serienfert­igung geht es im neuen „Fiber Placement Center“.
 ??  ?? Jürgen Köhler (Zweiter von rechts) stellte gestern mit seinen Kollegen die neuen Fer tigungskon­zepte vor: (von links) Hannah Paulus, Johannes Häusler, Klaus Drechsler, Michael Higl, Josef Pschierer, Eva Weber und Andreas Wüllner.
Jürgen Köhler (Zweiter von rechts) stellte gestern mit seinen Kollegen die neuen Fer tigungskon­zepte vor: (von links) Hannah Paulus, Johannes Häusler, Klaus Drechsler, Michael Higl, Josef Pschierer, Eva Weber und Andreas Wüllner.

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