Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Wunderfaser geht in Großserie
Wirtschaft Gestern stellte der Verbundwerkstoff-Spezialist SGL das neue „Fiber Placement Center“vor. In Meitingen sollen Wege gefunden werden, wie die Spitzentechnologie massentauglich gemacht werden kann
Gestern stellte SGL sein neues „Fiber Placement Center“vor. Dort soll eine hauchdünne Wunderfaser in Serie gehen.
Meitingen Sie sind unglaublich fest. Hauchdünn. Und dabei federleicht. Carbonfasern werden heute schon in Kombination mit anderen Kunststoffen im Fahrzeugbau und in der Luftfahrtindustrie eingesetzt. Eine Autotür aus dem Werkstoff ist beispielsweise so leicht, dass sie sich locker in einer Hand und auch längere Zeit tragen lässt. Doch noch ist die Technologie teuer und deshalb in der breiten Anwendung vergleichsweise rar. Mit maßgeschneiderten Lösungen will der Carbon-Spezialist SGL in Meitingen nun die Wunderfaser in Serie bringen.
Dafür wurde das „Fiber Placement Center“in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer-Einrichtung für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik und spezialisierten Anlagenentwicklern gegründet. Dort sollen Kunden genau die Lösungen für ihre Produkte bekommen, die technisch und wirtschaftlich in ihre Produktion passen. „Für uns als SGL Carbon ist die Serienfertigung von Leichtbauteilen aus Verbundwerkstoffen essenzieller Teil unserer Unternehmens- und Wachstumsstrategie“, sagte Jürgen Köhler, Vorstandsvorsitzender der SGL Carbon, bei der Einweihung. Es geht dort um das „placement“, also die Art und Weise, wie Carbonfasern in ein Werkstück gelegt, geschnitten und mit anderen Werkstoffen kombiniert und fixiert werden. Es soll die optimale Wirkung der festen Faser bei möglichst geringem Materialverbrauch erzielt werden.
Wirtschaftsminister sieht Projekt als Impuls
Im Verbund mit Glasfaser, Kunststoffen oder auch Aluminium sollen industriell erzeugte Produkte beste Materialeigenschaften zum günstigen Preis bekommen. Das laut Köhler weltweit einmalige Projekt stufte der bayerische Wirtschaftsminister Franz-Josef Pschierer als wichtigen Impuls für den Innovationsvorsprung des Landes ein. Fördermittel für die Entwicklung der Hochschulen im Freistaat zu Hotspots für Unternehmen seien ebenso wichtig wie die engen Kontakte zwischen Politik und Wirtschaft, denn diese seien „kein Filz, sondern Zusammenarbeit“, so der Ehrengast im SGL-Forum.
Als „neuen Innovationstreiber für die Region“begrüßte Augsburgs Zweite Bürgermeisterin und Wirt- Eva Weber die Neugründung. Über „immer wieder Neues“am SGL-Standort in seiner Gemeinde freute sich dagegen Bürgermeister Michael Higl.
Wirtschaft braucht Forschung und Wissenschaft braucht Anwendungsmöglichkeiten: Diese Synergie funktioniere, sagte Professor Klaus Drechsler. Er ist der Direktor der Fraunhofer-Einrichtung für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik und Leiter des Lehrstuhls für Carbon Composites an der TU München. Von ersten, verrückt erscheinenden Ideen zur industriellen Umsetzung, also „von der Spinnerei zur Serie“will die Wissenschaft, beschrieb Drechsler griffig den gemeinsamen Weg. Intelligente Werkstoffkombinationen seien der Schlüssel zur digitalisierten Wirtschaft 4.0.
Im neuen „Fiber Placement Center“werden Anlagen getestet, die exakt, schnell und kostengünstig von der Faser zum fertigen Produkt und bis zum Recycling führen. Prototypen und Kundenlösungen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg werden in Meitingen entwickelt – davon ist Andreas Wüllner, Leiter des Geschäftsbereichs Compositmaterialien in der SGL-Group, überzeugt. Dabei sei die Automobilindustrie und der Bereich der industriellen Anwendungen noch Vorreiter, dicht gefolgt von den sich rasch entwickelnden Luftfahrt- und Energiesparten. Doch auch weitere, bisher noch gar nicht denkbare Anwendungen werden sich im Dialog mit Interessenten ergeben, so Wüllner. Ansprechpartnerin ist die Leiterin des „Fiber Placement Center“Hannah Paulus, die am Eröffnungsschaftsreferentin tag den Maschinenpark vorstellte. Bisher ist es nur ein kleines Team aus mehreren Ingenieuren, Doktoranden und Technikern, das auf 500 Quadratmetern neue Konzepte für die Anwendung der neuen Fasertechnologie austüftelt. Aber Garagen sind ja bekanntlich nicht die schlechtesten Ausgangspunkte für Ideen.