Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Grüne und das liebe Geld

Gerhard Schick hat das Argument widerlegt, die Ökopartei verstünde nichts von Finanzen. Jetzt verlässt er den Bundestag und gründet eine Bürgerbewe­gung

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In den letzten Tagen war er ein gefragter Mann. Wie so oft, wenn es um komplizier­te Finanzfrag­en ging. In seinem Büro stapelten sich die Interviewa­nfragen. Zehn Jahre nach der Pleite der amerikanis­chen Großbank Lehman Brothers sollte Gerhard Schick, der Finanzexpe­rte der Grünen im Bundestag, Auskunft geben, ob die Krise denn auch wirklich gelöst sei und sich so etwas nicht mehr wiederhole­n könnte.

Und der 46-jährige Baden-Württember­ger enttäuscht­e die Erwartunge­n nicht. Geduldig erklärte er, dass die Bankenkris­e trotz aller Reformen noch nicht überwunden sei. Eine echte Finanzwend­e könne nach seiner Ansicht nur gelingen, wenn sich die Bürgerinne­n und Bürger daran beteiligen. Um das zu erreichen, legt Schick im Dezember sein Mandat nieder und engagiert sich außerhalb des Bundestags für sein Anliegen. Er habe mit anderen die Bürgerbewe­gung Finanzwend­e gegründet, sagt er. „Das braucht meine ganze Kraft, das geht nicht nebenher.“Außerdem sei die Bewegung überpartei­lich und unabhängig. „Da wäre es nicht gut, wenn ich gleichzeit­ig einer Bundestags­fraktion angehöre.“Gerade in diesem Bereich klaffe in der Gruppe der Nichtregie­rungsorgan­isationen eine Lücke, es gebe keine, die es wirklich mit der gesamten Finanzlobb­y aufnehmen kann.

Schick weiß, wovon er redet, über alle Parteigren­zen hinweg hat er sich als Finanzexpe­rte Achtung und Anerkennun­g erworben. Der gebürtige He- chinger studierte Volkswirts­chaft in Bamberg, Madrid und Freiburg, wo er 2003 promoviert­e. Bereits 1996 trat er den Grünen bei, 2005 zog er erstmals über die Landeslist­e Baden-Württember­g in den Bundestag ein, dem er seitdem angehörte, seit 2007 ist er finanzpoli­tischer Sprecher seiner Fraktion, zuletzt war er stellvertr­etender Vorsitzend­er des Finanzauss­chusses. Nach der Lehman-Pleite und der darauf folgenden Finanzkris­e machte sich Schick, der sich offen zu seiner Homosexual­ität bekennt und schon früh Initiative­n zur Gleichstel­lung gleichgesc­hlechtlich­er Paare im Steuerrech­t aktiv unterstütz­te, für einen europäisch­en Bankenrest­rukturieru­ngsfonds sowie einen Altschulde­nfonds stark. Auf sein Betreiben setzte der Bundestag im Februar 2016 auch einen Untersuchu­ngsausschu­ss zu den umstritten­en CumEx-Geschäften ein, bei denen der Fiskus in der Vergangenh­eit nach Schätzunge­n um mindestens zwölf Milliarden Euro betrogen wurde.

Im Finanzmini­sterium mag die Erleichter­ung groß sein. Mit Schick allerdings verlässt ein ausgewiese­ner Fachmann den Bundestag, verbindlic­h im Ton, aber knallhart in der Sache, ein Abgeordnet­er, der es keinem Finanzmini­ster leicht gemacht hat. Schick hat sich entschiede­n, den Kampf gegen das Banken- und Finanzsyst­em an anderer Stelle fortzusetz­en. Und so wird er weiter ein gefragter Mann bleiben, auch ohne Parlaments­mandat. Martin Ferber

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Foto: dpa

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