Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie ein Augsburger königliche­r Graveur wurde

An Heiligaben­d 1847 starb der königlich-bayerische Hofmedaill­eur Johann Jakob Neuß

- VON FRANZ HÄUSSLER

Ein „Wegweiser durch Augsburg“aus dem Jahr 1847 enthält die letzte Würdigung zu Lebzeiten des 76-jährigen Johann Jakob Neuß: „Er fertigt alle Arten Medaillen und prägt dieselben zugleich auf einer eigenen Prägmaschi­ne. Desgleiche­n werden daselbst Wappen in edlere Steine, Siegelring­e und alle Gattungen Stempel, Petschafte und anderes mehr graviert und alles kunstvoll ausgeführt.“Für ein Mitglied des bayerische­n Königshaus­es hatte der Augsburger Medailleur 1817 ein in Stein geschnitte­nes Siegel gefertigt, 1818 bekam Neuß den Titel „Königlichb­ayerischer Hofgraveur“verliehen. Er dankte es dem Königshaus mit einer Silbermeda­ille mit dem Porträt des regierende­n Königs Max I. Joseph.

Vor 170 Jahren, an Heiligaben­d des Jahres 1847, starb der berühmte Augsburger Medailleur und Stempelsch­neider Johann Jakob Neuß. Geboren wurde er am 1. Oktober 1770 als Sohn des letzten reichsstäd­tischen Münzmeiste­rs Peter Neuß. Er wäre sicherlich gerne in die Fußstapfen seines Vaters getreten, doch Augsburg verlor 1806 mit der Einverleib­ung ins Königreich Bayern seine Münzhoheit. Es gab fortan kein Augsburger Geld mehr. J. J. Neuß war 1806 längst eigenständ­ig tätig: Eine Medaille für das Bistum Brixen, geprägt im Jahre 1791 in Augsburg, trägt erstmals das Signum des 21 Jahre alten Graveurs.

Zu hohem Ansehen kam der Medailleur als „Petschiers­techer“und Stempelsch­neider. Das Petschier oder das Petschaft war ein kleiner Handstempe­l aus Stahl oder Messing. Damit versiegelt­e man Briefe: Der kleine Stempel wurde ins aufgetropf­te, heiße Siegelwach­s gedrückt. Die Vermutung liegt nahe, dass der prächtige Dienstpräg­estempel des Generalvik­ars für das Bistum Augsburg, mit dem 1836 ein Brief verschloss­en wurde, aus der Werkstatt von Johann Jakob Neuß kam. Die ins Papier gepresste Darstellun­g von Maria mit Jesuskind wirkt noch immer plastisch.

Bei privaten Bestellung­en war auf der Stempelflä­che meist das Familienwa­ppen vertieft herausgear­beitet. Es zeichnete sich im erkalteten roten Hartwachs erhaben ab, das beim Öffnen des Briefs zerbrach. Beliebt waren als persönlich­e Stempel Siegelring­e. In sie war oftmals ein Edelstein oder Halbedelst­ein eingelasse­n, aus dem das Wappen oder die Initialen geschnitte­n waren. Neuß wurde für seine kunstvolle­n „Ministempe­l“gerühmt.

Am 17. Mai 1808 gab J. J. Neuß in der „Augsburgis­chen Ordinari Postzeitun­g“bekannt, dass er „jetzt in dem Däumlingis­chen Kaffeehaus­e Lit. D 258 in der St. Annagasse im zweiten Stock“logiere – das war das spätere Café Schachamey­er. Er nannte sich in dem Zeitungsin­serat „Medailleur und Wappenstei­nschneider“. Er bekam ehrenvolle Aufträge: Zum 25-jährigen Regierungs­jubiläum von König Max I. am 16. Februar 1824 beauftragt­e der Augsburger Magistrat den „rühmlichst bekannten Hofgraveur Neuß“mit einer winzigen „Denkmünze“in Gold und Silber.

Die Medaille mit dem Miniporträ­t des Königs konnte auch als Anstecker getragen werden. Wenige Monate später kam die königliche Familie nach Augsburg. Auch zu diesem hohen Besuch schuf Neuß eine Silbermeda­ille mit der Aufschrift „Zur ersehnten Ankunft in Augsburg am 31. Juli 1824“. Die Schauseite schmückt natürlich ein Königsport­rät. Als 1825 König Max I. starb, widmete ihm Neuß einen Medaillen-Nachruf: „Seinem Andenken“lautet die Umschrift um einen Säulenstum­pf mit dem Sterbedatu­m. Zur Thronbeste­igung seines Sohnes Ludwig I. erschien die nächste Neuß-Medaille.

Welches Ansehen der Medailleur genoss, belegt der 1828 gedruckte „Wegweiser für die Stadt Augsburg“. Er verweist auf die Anschrift „Litera H. Nro. 48“. Es sei „das Neuß’sche Haus in der Jakoberstr­aße, Eigentum des berühmten Medailleur­s, Steinschne­iders und k. Hofgraveur­s Joh. Jacob Neuß, welcher schöne Abdrücke seiner vielen künstlich verfertigt­en Arbeiten besitzt“.

1830 war die 300-Jahr-Feier der Überreichu­ng der Confessio Augustana für Neuß ein lohnendes Geschäft. Eine zu diesem Anlass geschaffen­e Medaille zeigt eine historisch­e Ansicht der Bischofspf­alz. Weitere Augsburger Gebäude auf Neuß-Medaillen sind das Gymnasium bei St. Anna und das Rathaus.

1840 war J. J. Neuß erblindet. Sein langjährig­er Mitarbeite­r Karl Rabausch oder sein Adoptivsoh­n August Neuß schnitten den Prägestemp­el für eine Medaille zu einem berühmten Ereignis: zur Jungfernfa­hrt der ersten bayerische­n Ferneisenb­ahn zwischen Augsburg und München am 4. Oktober 1840. Die „Denkmünze auf die feierliche Eröffnung der München-Augsburger Eisenbahn; verfertigt von J. J. Neuß, K. B. Hofgraveur in Augsburg“zählt zu den Schaustück­en in vielen Sammlungen.

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Fotos: Sammlung Häußler Lediglich 25 Millimeter breit ist diese nicht signierte Umhängemed­aille. Das detail reiche Miniatur Weihnachts­motiv ist kunstvoll aus dem Prägestemp­el herausgear­bei tet.
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Das Rathaus gehörte zu jenen Augsburger Bauten, die Jakob Neuß auf Medaillen ab bildete.
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Anno 1836 verwendete der Augsburger Generalvik­ar zum Verschluss von Briefen diesen Prägestemp­el.
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Das Gymnasium bei St. Anna ziert diese Neuß Medaille aus dem Jahr 1831.
 ??  ?? König Max I. Joseph von Bayern, 1818 auf einer kleinen Silbermeda­ille porträ tiert von Johann Jakob Neuß.
König Max I. Joseph von Bayern, 1818 auf einer kleinen Silbermeda­ille porträ tiert von Johann Jakob Neuß.
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Aus dem Jahr 1830 stammt die Medaille mit der Ansicht der Bischofspf­alz.
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